Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!
Sei gegrüßt, der geheimnisvolle Ratschluss ist dir anvertraut;
sei gegrüßt, Vertrauende, da es des Schweigens bedarf.
Sei gegrüßt, der Wunder Christi bist du der Anbeginn;
sei gegrüßt, der Inbegriff von allen seinen Lehren bist du.
Sei gegrüßt, unsere Brücke von der Erde zum Himmelreich.
Sei gegrüßt, von den Engeln wieder und wieder erwogenes Wunder;
sei gegrüßt, du für die Widersacher heillose Wunde.
Sei gegrüßt, empfangen hast du unsagbar das Licht;
sei gegrüßt, niemanden hast du gelehrt, wie solches geschieht.
Sei gegrüßt, die der Weisen Weisheit übertrifft;
sei gegrüßt, die der Gläubigen Glauben vertieft.
Sei gegrüßt, du jungfräuliche Mutter!
Aus dem Hymnus Akathisthos der orthodoxen Kirche – nach dem Engelgruß an Maria (Lk.1,28)
Was bedeutet es, in einem marianischen Werk zu leben?
Silja Walter
In einer besonders schmerzlichen Phase meines Lebens – ich begleitete meine schwerkranke Mutter in ihren letzten Erdentagen – blieb ich eines Tages auf dem Weg zum Einkaufen unvermittelt stehen. Ein Gedanke hatte mich blitzartig getroffen: Du hast eine Schwester! Verwundert fand ich sogleich in meinem Innern eine Erklärung: Diese Schwester ist Maria, die Mutter Jesu. Auch sie begleitete ihr Leben lang den menschgewordenen Sohn Gottes – oft unter Schmerzen. Maria schien mir Schwester, unvergleichlich große Schwester, im Ja zu Gott, zu seinen Plänen, im Mit-Jesus-Gehen. Ihr Fragen ist mein Fragen: Wie soll das geschehen? (Lk 1,34). Ihre Bereitschaft soll meine sein: Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort (Lk 1,38).Ihr Lobpreis der meine: Meine Seele preist die Größe des Herrn (Lk 1,46). Sie hat sorgenvoll gefragt: Kind, warum hast du uns das getan? (Lk 2,48) Sie hat voller Glauben auf Jesus verwiesen: Was er euch sagt, das tut (Joh 2,5). Sie hat sich zurückgenommen: Eine Frau aus der Menge rief Jesus zu: Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat. Er aber erwiderte: Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen (Lk11, 27f). Sie stand unter dem Kreuz; ihr sterbender Sohn vertraut ihr Johannes an: Frau, siehe dein Sohn (Joh 19,26). Sie war mit den Aposteln im Abendmahlsaal versammelt, einmütig im Gebet (Apg 1,14), als der Heilige Geist auf sie herab kam und damit die Kirche offenbar machte. Maria – meine große Schwester, die weiß, wie Nachfolge Jesu geht.
Bezeichnend ist für mich ein Ausspruch von Therese von Lisieux: „Man zeigt uns die Jungfrau Maria unerreichbar, man müsste sie uns nachahmbar zeigen. … Man müsste sagen, dass sie wie wir aus dem Glauben gelebt hat“.
Vor vielen Jahren bin ich dem Ruf Gottes in die Fokolar-Bewegung, auch Werk Mariens genannt, gefolgt. Zunächst hat mich bei der Spiritualität dieser Bewegung angezogen, dass das Leben nach dem Wort Gottes eine grundlegende Bedeutung hat. Das hat meinem Alltag Farbe, meinem Leben Sinn gegeben. Wie sehr wäre mein Christsein verkümmert, hätte ich nicht durch die Spiritualität der Einheit erkannt, dass der „Königsweg“ des Evangeliums die Liebe zu Gott und zu den Menschen ist. Wie nachhaltig hat mich das Neue Gebot Jesu berührt, das er seinen Jüngern aufträgt: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe (Joh 13,34). Im Laufe der Zeit ist mir die Zusage Jesu: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20) immer bedeutsamer geworden. Die Fokolar-Bewegung möchte dazu beitragen, dass sich diese Verheißung erfüllen kann: dass Jesus mit seinem Licht zugegen, wirksam sein kann, überall dort, wo Christen in seinem Geist, in der Liebe zusammen sind. Maria hat Jesus in leiblicher Gestalt der Welt geschenkt. Wir Christen können Jesus „der Welt schenken“, wenn wir in seinem Namen vereint sind: … da bin ich mitten unter ihnen. Ein marianisches Dienen.