Freiheit durch Versöhnung

Am Ende der Tage wird es geschehen:
Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet
als höchster der Berge; er überragt alle Hügel.

Zu ihm strömen alle Völker.
Viele Nationen machen sich zu ihm auf den Weg.
Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege,
auf seinen Pfaden wollen wir gehen.

Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn,
aus Jerusalem sein Wort.
Er spricht Recht im Streit der Völker,
er weist viele Nationen zurecht.

Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, übt nicht mehr für den Krieg.

Ihr vom Haus Jakob,
kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

Jesaja 2,2-5

Gott hat das Wort von der Versöhnung in uns gelegt

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Die Nachrichten von Gewalt, Leiden und Tod reißen nicht ab. Menschen verfolgen und töten einander – nicht nur im Nahen Osten. Die Appelle und Resolutionen der Staatsmänner und Sicherheitskonferenzen dringen nicht durch. Dringen auch unsere Gebete nicht durch? Hört Gott nicht auf das Schreien der verwundeten, verwaisten und geängstigten Menschen? Auf viele Fragen gibt es keine Antwort. Bedrückende Ohnmacht breitet sich aus und möchte uns lähmen. Dass es angesichts dieser aktuellen Atmosphäre Menschen gibt, die die lebendige Hoffnung bewahren, ist ein großes Zeugnis. Kraft dieser Hoffnung wagen es kleine Zellgruppen und christliche Gemeinschaften, an Brennpunkten von Konflikten zu wohnen, zu beten und durch ihr Aushalten und Mitleben ein Zeugnis der Versöhnung zu geben. Sie sind “Botschafter Christi; Gott ermahnt durch sie, und sie flehen an Christi statt: „Lasst euch versöhnen mit Gott!

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Ein Zeugnis der Versöhnung stand im September 2000 in der New York Times zu lesen:

“Eine jüdische Erklärung zu Christen und Christentum“

Mehr als 170 jüdische Wissenschaftler, Gelehrte und Rabbiner veröffentlichten eine Erklärung, in der sie eine “wohlüberlegte Antwort von jüdischer Seite aus“ auf die “dramatische und beispiellose Veränderung in den jüdisch-christlichen Beziehungen“ seit dem Holocaust geben wollten:

“In den Jahrzehnten, die auf den Holocaust gefolgt sind, hat sich das Christentum tiefgreifend verändert. Eine wachsende Zahl offizieller Kirchenvertretungen, römisch-katholische wie protestantische, haben in öffentlichen Erklärungen festgestellt, dass es zu einer Erneuerung von christlicher Lehre und Predigt kommen kann und kommen muss, so dass Gottes bleibender Bund mit dem jüdischen Volk anerkannt und der Beitrag des Judentums zur Weltkultur und zum christlichen Glauben selbst gewürdigt wird.

Als eine – unterschiedliche religiöse Richtungen umfassende – Gruppe jüdischer Wissenschaftler, die nur für sich sprechen, halten wir die Zeit für gekommen, dass Juden die christlichen Bemühungen einer Würdigung des Judentums kennen lernen. Wir denken, dass es für Juden an der Zeit ist, darüber nachzudenken, wie das Christentum heute von jüdischer Seite aus zu beurteilen ist. Als ersten Schritt zeigen wir in acht kurzen Punkten, wie Juden und Christen sich aufeinander beziehen können.

Juden und Christen dienen demselben Gott. –

versoehnungVor dem Aufkommen des Christentums waren die Juden die einzigen Verehrer des Gottes Israels. Doch auch Christen dienen dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Auch wenn christlicher Gottesdienst für Juden keine mögliche religiöse Option darstellt, freuen wir uns als jüdische Theologen darüber, dass durch das Christentum viele hundert Millionen Menschen eine Beziehung zum Gott Israels eingegangen sind.

Juden und Christen suchen in demselben Buch nach Autorität – in der Bibel

(dem “Tanach“ in jüdischem Sprachgebrauch, dem “Alten Testament“ in christlichem). Indem wir uns beide diesem Buch um religiöser Orientierung, geistlicher Bereicherung und gemeinschaftsorientierter Erziehung willen zuwenden, gewinnen wir aus ihm ähnliche Lehren: Gott schuf und erhält das All, Gott schloss einen Bund mit dem Volk Israel, Gottes offenbartes Wort leitet Israel zu einem Leben in Gerechtigkeit, und einst wird Gott Israel und die ganze Welt erlösen. Ungeachtet dessen legen Juden und Christen die Bibel in vielerlei Hinsicht unterschiedlich aus. Solche Unterschiede sind stets zu achten.

Christen können den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel respektieren. –

Das wichtigste Ereignis seit dem Holocaust ist für Juden die Wiedererrichtung eines jüdischen Staates im verheißenen Land. Als Angehörige einer Religion, die sich auf die Bibel gründet, wissen Christen zu würdigen, dass Israel den Juden als das sichtbare Zentrum des Bundes zwischen ihnen und Gott versprochen – und gegeben – wurde. Viele Christen unterstützen den Staat Israel aus Gründen, die weit tiefer reichen als bloße Politik. Als Juden wissen wir diese Unterstützung zu schätzen. Auch erkennen wir an, dass die jüdische Tradition die Verpflichtung einschließt, allen in einem jüdischen Staat lebenden Nichtjuden Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen.

Juden und Christen anerkennen die ethischen Grundsätze der Tora. –

torahIm Zentrum der ethischen Grundsätze der Tora steht die unveräußerliche Heiligkeit und Würde eines jeden menschlichen Wesens. Wir alle sind nach dem Bilde Gottes erschaffen. Dieser gemeinsame ethische Schwerpunkt kann die Grundlage einer verbesserten Beziehung zwischen unseren Gemeinschaften sein. Sie kann auch die Grundlage eines eindringlichen Zeugnisses an die ganze Menschheit sein mit dem Ziel, das Leben unserer Mitmenschen zu verbessern und gegen Unmoral und Götzendienst aufzustehen, die uns verletzen und herabsetzen. Nach den beispiellosen Schrecken des vergangenen Jahrhunderts ist ein solches Zeugnis besonders nötig.

Der Nationalsozialismus war kein christliches Phänomen. –

Ohne die lange Geschichte des christlichen Antijudaismus und christlicher Gewalt gegen Juden hätte die Nazi-Ideologie nicht Fuß fassen noch auch in die Tat umgesetzt werden können. Zu viele Christen haben an nazistischen Gräueln gegenüber Juden teil gehabt oder mit ihnen sympathisiert. Andere Christen protestierten nicht genügend gegen diese Gewalttaten. Doch der Nationalsozialismus selbst war keine unvermeidliche Folge des Christentums. Wäre die Auslöschung der Juden durch die Nazis gänzlich erfolgreich gewesen, hätten sie ihr mörderisches Wüten unmittelbarer gegen Christen gerichtet. Wir erwähnen dankbar jene Christen, die ihr Leben riskiert oder geopfert haben, um Juden während des Nazi-Regimes zu retten. Dies vor Augen ermutigen wir zu einer Fortführung neuerer Bemühungen in der christlichen Theologie, die Verachtung des Judentums und des jüdischen Volkes eindeutig zurückzuweisen. Wir zollen jenen Christen Anerkennung, die diese Lehre der Verachtung verwerfen, und wir behaften sie nicht bei den Sünden, die von ihren Vorfahren begangen wurden.

Der menschlich gesehen unversöhnliche Unterschied zwischen Juden und Christen wird nicht aufgehoben, ehe Gott nicht die ganze Welt erlöst, wie es in der Schrift verheißen ist. –

Christen kennen und dienen Gott durch Jesus Christus und die christliche Tradition. Juden kennen und dienen Gott durch die Tora und die jüdische Tradition. Dieser Unterschied wird nicht dadurch aufgehoben werden, dass die eine Gemeinschaft darauf besteht, die Schrift genauer auszulegen als die andere, noch dadurch, dass sie politische Macht über die andere ausübt. Juden können die Loyalität von Christen ihrer Offenbarung gegenüber achten – genauso wie wir von Christen die Achtung unserer Loyalität gegenüber unserer Offenbarung erwarten. Weder Juden noch Christen sollten dazu gedrängt werden, die Lehre der jeweils anderen Gemeinschaft zu bestätigen.

Eine neue Beziehung zwischen Juden und Christen wird jüdischer Lebenspraxis keinen Abbruch tun. –

Eine verbesserte Beziehung wird die kulturelle und religiöse Assimilation, die Juden mit Recht fürchten, nicht vorantreiben. Sie wird überlieferte Formen des jüdischen Gottesdienstes nicht verändern noch die Zahl der Ehen zwischen Juden und Nichtjuden ansteigen lassen noch mehr Juden überreden, zum Christentum überzutreten, noch eine abzulehnende Vermischung von Judentum und Christentum schaffen. Wir achten das Christentum als einen Glauben, der im Judentum seinen Ursprung und noch bedeutsame Verbindungen zu ihm hat. Wir sehen das Christentum nicht als Ausbreitung des Judentums an. Nur wenn wir unsere eigenen Traditionen hegen und pflegen, können wir der Beziehung zwischen beiden Gemeinschaften unverfälscht nachgehen.

Juden und Christen müssen für Gerechtigkeit und Frieden zusammenarbeiten. –

Juden und Christen erkennen – jeweils auf ihre eigene Weise – den unerlösten Zustand der Welt, wie er sich im Andauern von Verfolgung, Armut, menschlicher Erniedrigung und menschlichem Elend widerspiegelt. Obwohl Gerechtigkeit und Friede am Ende Gottes Sache sind, werden unsere vereinten Anstrengungen – zusammen mit denen anderer Glaubensgemeinschaften – dazu beitragen, das Reich Gottes heraufzuführen, auf das wir hoffen und nach dem wir uns sehnen. Getrennt und gemeinsam müssen wir uns dafür einsetzen, dass unsere Welt durch Frieden und Gerechtigkeit bestimmt wird. Geleitet werden wir dabei von der Vision der Propheten Israels (vgl. Jes 2,2ff ).

In einem zweiten Zeugnis der Versöhnung lassen wir Mitglieder einer Gruppe zu Wort kommen, die 1973 in Frankreich zunächst unter dem Namen LammGemeinschaft der Löwe von Juda und das Geopferte Lamm“ gegründet wurde:

Gemeinschaft der Seligpreisungen

Der (anfänglichen) Namensgebung der Gemeinschaft liegt Offb 5,5-6 zugrunde. Der Name spiegelt die zwei Gesichter Jesu wider: Löwe und Lamm, Stärke und Schwäche, Allmächtiger und kleines Kind, blühendes Leben und Vernichtung… Die Gemeinschaft wählte diesen Namen, um damit auszudrücken, dass die stille Hingabe ihrer Mitglieder in Vereinigung mit dem Lamm Gottes im Sieg des Löwen von Juda über alle Mächte des Bösen triumphiert. Sie wollte durch diesen Namen auch ihre Berufung zum Gebet für Israel verdeutlichen.

Aufgrund der internationalen Ausbreitung in sehr unterschiedlichen Kulturen geriet die Gemeinschaft immer öfter in Situationen, in denen es für sie schwierig war, diesen Namen zu tragen…; so beschloss sie 1991, sich nunmehr offiziell ‘Gemeinschaft der Seligpreisungen’ zu nennen. Ihren früheren Namen wollte sie als ‘verborgenen Namen’ beibehalten…

Im Anfangsjahr 1974 macht Gérard Croissant (einer der Gründer der Gemeinschaft und damals Pastor der reformierten Kirche Frankreichs) eine tiefe Erfahrung mit der katholischen Kirche und entdeckt die Eucharistie, die Jungfrau Maria und die apostolische Sukzession. Im Mai 1975 wurde die Gemeinschaft ein Glied der katholischen Kirche in der Diözese Albi in Cordes… Gérard Croissant empfing den Namen Bruder Ephraim und wurde einige Zeit später zum Diakon geweiht.

Die Gemeinschaft trägt die Berufung, Gläubige aller Lebensstände – verheiratete oder unverheiratete Laien, Geistliche und geweihte Brüder und Schwestern – in einer einzigen Gemeinschaft zu vereinigen: Bild des Volkes Gottes in seiner Einheit und in der Verschiedenartigkeit seiner Berufungen. Alle ihre Mitglieder haben den Wunsch durch das gemeinsame Leben, die Gütergemeinschaft, die freiwillige Armut und ein in den Sakramenten und in der Liturgie fest verankertes Leben das Vorbild der urchristlichen Gemeinschaft möglichst getreu nachzuahmen . Diese Berufung ist nichts anderes als ein Ruf, wirklich Volk Gottes zu sein und nach dem Leben der Dreifaltigkeit zu streben. Wie Therese vom Kinde Jesu wählt sie alles und sieht ihren Platz im Herzen der Kirche, wo sie die Liebe sein will.

Wegen ihres Interesses für die hebräischen Wurzeln unseres Glaubens misst die Gemeinschaft dem Gebet für das jüdische Volk und für die Einheit der Christen eine besondere Bedeutung bei.

Die Brüder und Schwestern, welche die Gemeinschaft zu Beginn ins Leben gerufen haben, waren ergriffen von der Erwartung des Reiches Gottes, das kommt, von der Dringlichkeit der letzten Zeiten, der Hoffnung auf die Endvollendung, das Kommen Jesu in Herrlichkeit. Daher ist die Berufung der Gemeinschaft in besonderer Weise eschatologisch.

Der Rückzug von der Welt ist ohne Zweifel ein Charakteristikum der Gemeinschaft, das sie von vielen anderen neuen Bewegungen in der Kirche unterscheidet. Dieser Rückzug hat seine Rechtfertigung durch nichts anderes als in der kontemplativen Tradition, d.h. im Kämpfen und Wachen in der Erwartung des Kommens Jesu in Herrlichkeit.

In der Nachfolge Jesu sehnen wir uns danach, sein Volk zu trösten und durch die Verkündigung der Frohen Botschaft, die Vergebung der Sünden und durch Heilung die Zeichen des Königreichs zu manifestieren. Die Werke der Barmherzigkeit wie z.B. Arztpraxen, Sterbebegleitung, Ausbildung der Krankenfürsorge… haben sich schon sehr bald in der Gemeinschaft im Sinn eines Überfließens unserer kontemplativen Berufung entwickelt.

Die Evangelisation hat kein anderes Ziel, als den Menschen unserer Zeit die Barmherzigkeit Gottes zu verkünden und ihnen die Mittel zu geben, um Christus kennen zu lernen. Der Hl. Pfarrer von Ars, neben dem Hl. Josef und dem Hl. Seraphim von Sarov, einer unserer drei Hauptpatrone, drückt das so aus: ‘Das einzige Glück auf dieser Erde besteht darin, Gott zu lieben und zu wissen, dass er uns liebt.“ Hier beginnt also jede Bekehrung. – Konkret leben wir diesen Ruf zur Mission durch unsere verschiedenen Apostolate: Evangelisation auf den Straßen und in Schulen etc., Dienst an den Armen und Kranken, Ikonenwerkstätten, Verbreitung von Büchern oder die Veranstaltung von Seminaren und Exerzitien.

Die Gemeinschaft ist seit dem Beginn ihrer Gründung sehr stark gewachsen. Zur Zeit gibt es ca. 70 Häuser auf allen Kontinenten und ungefähr 1500 Geschwister.

Seit 25 Jahren leben einige unsere Geschwister auch im Hl. Land. Zur Zeit bewohnen wir zwei Häuser in Israel: Ein Haus im Emmaus-Nicopolis (Latrun) und eines am Stadtrand von Jerusalem an der Grenze zu Bethlehem. Wir wollen mit dem jüdischen Volk Gebet und Leben teilen, auch wenn dies durchaus kein leichter Weg ist: Unsere Liebe für das jüdische Volk ist für die palästinensische Bevölkerung oft befremdend und wird andererseits von den Juden nur schwer akzeptiert. In letzter Zeit wird allerdings eine neue Offenheit spürbar. Der Besuch von Johannes Paul II hat hier viele Herzen berührt und gewandelt, viele Ängste geheilt und neue Hoffnungen wachsen lassen. Dies ermutigt auch uns, unserer Berufung treu zu bleiben.

Komm, Herr Jesus, Maranatha!“