„Vereinige uns alle“

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Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt. Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Ich bitte auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.
aus Johannes 17
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In den letzten Jahren haben wir das Einheitsgebet betrachtend hindurch gebetet. Dieser Weg führte die Redaktionsgruppe zu angeregten Gesprächen untereinander und in aufmerksames Hören auf Menschen, die mit diesem Gebet täglich leben.
Wir sind sehr dankbar für dieses kurze Gebet; mit schlichten Worten trägt es allumfassend die Anliegen der ganzen Menschheit und Welt vor Gott und hat zugleich zwischen den Zeilen doch Platz genug, um eigene und aktuelle Bitten mit einzubringen.
Nun sind wir beim letzten Satz angelangt: Vereinige uns alle mit Dir und miteinander…, dass der Wille des Vaters wie im Himmel so auf Erden geschehe.
Dieser letzte Satz des Einheitsgebetes ist die Summe aller vorhergehenden Bitten: Wenn der Wille des Vaters geschieht, ist alles gut. Der Wille des Vaters möchte Frucht des Heiligen Geistes in uns hervorbringen: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Milde, Enthaltsamkeit.
Im Einheitsgebet bitten wir darüber hinaus, dass sich der Liebesratschluss Gottes mit seiner ganzen Schöpfung zu allen Zeiten und für alle und alles erfüllt. Das Gebet richtet uns aus auf Gottes Heilswillen und nimmt uns hinein in die Erlösungskraft des Opfers Jesu. Es macht uns Mut, nicht zu verzagen, sondern in gläubiger Hoffnung zu leben. Es entlastet uns von der Überforderung, selbst die Welt in Ordnung bringen zu müssen. Es macht uns sensibel und fügsam, dass wir uns in Gottes Wirken einlassen und ihm vertrauen.
Die folgenden Bibelworte und Gebete unterstützen mit anderen Worten dieselbe Ausrichtung auf Gott. Mögen sie uns helfen, uns in der Stillen Jahreszeit des Winters in dem einen Notwendigen zu sammeln.

Denn wer sich in Gott versenkt, wird ihm überall begegnen und ihn stets voll Liebe und Barmherzigkeit finden (nach Vinzenz Palotti).

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Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade.
Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn; durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade. Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen (wörtl.: dem Ganzen das Haupt zu geben), alles, was im Himmel und auf Erden ist.
Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht, wie er es in seinem Willen beschließt; wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher auf Christus gehofft haben. Durch ihn habt auch ihr das Wort der Wahrheit gehört, das Evangelium von eurer Rettung; durch ihn habt ihr das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen, als ihr den Glauben annahmt.
Der Geist ist der erste Anteil des Erbes, das wir erhalten sollen, der Erlösung, durch die wir Gottes Eigentum werden, zum Lob seiner Herrlichkeit.
aus Eph 1

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Romano Guardini

Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand. Das ist meine Wahrheit und meine Freude. Immerfort blickt mich Dein Auge an, und ich lebe aus Deinem Blick, Du mein Schöpfer und mein Heil. Lehre mich, in der Stille Deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, das ich bin. Und dass ich bin durch Dich und vor Dir und für Dich.
[[Romano Guardini]]

 

 

 

 

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Ich beuge meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat; er verleihe euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, an Kraft zu erstarken durch seinen Geist im inneren Menschen, dass Christus durch den Glauben Wohnung nehme in euren Herzen.
Mögt ihr in der Liebe verwurzelt und fest gegründet sein, um fähig zu werden, in der Gemeinschaft mit allen Heiligen zu begreifen, was die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe ist, und die alle Erkenntnis weit überragende Liebe Christi verstehen zu lernen, so dass ihr erfüllt werdet bis hin zur ganzen Fülle Gottes.
Dem aber, der Macht hat, gemäß der in uns wirkenden Kraft weitaus mehr zu tun als alles, was wir erbitten und ersinnen, ihm sei Ehre in der Kirche und in Christus Jesus durch alle Generationen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
aus Eph 3

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Mein Vater, ich überlasse mich Dir. Mach mit mir, was Dir gefällt. Was Du auch mit mir tun magst, ich danke Dir. Zu allem bin ich bereit, alles nehme ich an; wenn sich an mir nur Dein Wille erfüllt und an allen Deinen Geschöpfen, so ersehne ich weiter nichts, mein Gott. In Deine Hände lege ich meine Seele, ich gebe sie Dir, mein Gott, mit der ganzen Liebe meines Herzens, weil ich Dich liebe und weil diese Liebe mich treibt, mich Dir hinzugeben, mich in Deine Hände zu legen ohne Maß mit einem grenzenlosen Vertrauen, denn Du bist mein Vater.[[Charles de Foucauld]]

Charles de Foucauld
Charles de Foucauld

O Herr, Du allein stillest das Brausen des Meeres, das Brausen seiner Wellen und das Toben der Völker. Wir sind so kleingläubig in solchen Stunden, wo wir am meisten Glauben beweisen sollten. Lass alle unsere Furcht versenkt werden in die Tiefe Deiner Liebe in Christo! O Herr, wir nehmen mit Unrecht Anstoß an der Verwirrung der Zeit; denn Du wirst lauter Wunder Deines Reiches daraus machen, die wir jetzt nicht sehen können. Dein Heil ist unter diesem allem denen nahe, die Dich fürchten.
Friedrich Christoph Oetinger

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Lasst uns im Frieden zum Herrn beten:
Um Frieden und Heil unserer Seelen und aller Menschen lasst uns zum Herrn beten.
Für die Kirche und ihre Diener um die Gemeinschaft aller Menschen guten Willens um den Frieden der ganzen Schöpfung lasst uns zum Herrn beten.
Für alle Mühseligen und Beladenen für alle Kranken, Alten und Gebrechlichen lasst uns zum Herrn beten.
Für alle Einsamen und Irrenden für alle, die Gott nicht suchen lasst uns zum Herrn beten.
Für alle Verzweifelten und Lieblosen lasst uns zum Herrn beten.
Für alle eitlen, neidischen, hassenden Menschen lasst uns zum Herrn beten.
Für unsere Feinde und Widersacher – gleichwie für alle unsere Freunde, Wohltäter und Nächsten lasst uns zum Herrn beten.
Für alle Sterbenden, deren letzte Stunde nun gekommen ist lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, deren niemand in Liebe gedenkt für alle, die von Menschen verstoßen wurden lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die wir betrübt haben lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die sich an der Kreatur der Ordnung und Materie versündigen für alle Gewalttätigen, Mörder und Mächtigen, die erbarmungslos mit Hilflosen sind lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die Liebe, Reinheit und Treue schänden lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die Amt und Macht missbrauchen für alle, die ihr Wohlergehen auf Leid und Not ihrer Mitmenschen aufbauen lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die Schuldlose leiden lassen, um sich selbst zu retten lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die durch Unglück, Gewalt, Kriege Verfolgung und Qualen oder durch Knechtung ihren Tod fanden und künftig finden werden lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die an ungestillten Wünschen leiden für alle Ruhelosen und Verhärteten lasst uns zum Herrn beten.
Für alle Eltern und Kinder, die sich gegenseitig zu wenig Liebe erweisen lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die Ehrungen empfangen lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die mit vererbten Schwächen und Übeln belastet sind lasst uns zum Herrn beten.
Für alle, die von Begierden und Leidenschaften geknechtet werden lasst uns zum Herrn beten.
Wegen unserer eigenen Armseligkeit und Selbstsucht lasst uns zum Herrn beten.
Dass wir von Trauer, Not und Angst befreit werden lasst uns vom Herrn erbitten.
Dass der Schöpfer uns nach Seinem Bilde zu Seiner Freude neu gestalte lasst uns vom Herrn erbitten.
Denn gütig ist Er und voller Erbarmen. Aller verstorbenen – lebenden und kommenden Menschen eingedenk – wollen wir einander um Verzeihung bitten und uns ganz der Macht und Liebe des Schöpfers hingeben.
Nach der großen Ektenie aus der Liturgie des Chrysostomus

Johannes Chrysostomos
Johannes Chrysostomus

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Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.
Ich lag in tiefster Todesnacht,
du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht‘,
wie schön sind deine Strahlen!
Ich sehe dich mit Freuden an
und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann,
bleib ich anbetend stehen.
O dass mein Sinn ein Abgrund wär
und meine Seel ein weites Meer,
dass ich dich möchte fassen!
[[Paul Gerhardt]]

Paul Gerhardt
Paul Gerhardt

Aus einer Homilie von Gregor d.Gr. (? 604).

Ich würde euch gerne auffordern, alles zu verlassen, aber ich wage es nicht. Wenn ihr also nicht alles Irdische verlassen könnt, so haltet es wenigstens nicht so fest, dass ihr durch das Irdische in der Welt festgehalten werdet. Das irdische Gut soll euer Besitz sein, aber nicht euch besitzen. Was ihr habt, soll unter der Herrschaft des Geistes stehen; denn

Gregor d. Große
Gregor d. Große

wenn sich euer Geist von der Liebe zu den Gütern der Erde überwältigen lässt, dann besitzen diese Güter ihn selbst. Das Irdische sollt ihr gebrauchen, nach dem Ewigen verlangen. Das Irdische ist für die Reise, das Ewige für die Ankunft. Was auf der Welt geschieht, sollt ihr sozusagen von der Seite her betrachten. Doch geradeaus sollen sich die Augen des Geistes auf das Ewige richten, zu dem wir unterwegs sind. Das Böse soll mit der Wurzel ausgerottet werden, nicht nur aus dem Tun, sondern auch aus dem Denken. Keine Fleischeslust, keine Neugierde, kein heißes Geltungsbedürfnis soll uns vom Mahl des Herrn fernhalten. Sogar ehrbares Wirken in der Welt sollen wir nur nebenher betreiben, und das Irdische, das wir gern haben, soll unserem Leib so weit dienen, dass es kein Hindernis für das Herz bedeutet. Ich wage also nicht, euch zu sagen: Verlasst alles! Aber wenn ihr es wirklich wollt, verlasst ihr alles, obwohl ihr es behaltet, indem ihr das Zeitliche so tut, dass ihr mit dem Geist auf das Ewige ausgerichtet seid. Der macht sich die Welt zunutze, als nütze er sie nicht (vgl. 1Kor 7 ,31), der alles, was er für sein äußeres Leben braucht, in Ordnung bringt, dabei aber nicht zulässt, dass die gleichen Dinge Herr über seinen Geist werden. Sie sind ihm untertan und lenken den Geist niemals von seiner Richtung ab, die nach oben strebt. Wer es damit so hält, für den sind alle irdischen Dinge nicht Gegenstand der Sehnsucht, sondern des Gebrauchs. Nichts soll das Sehnen eures Geistes hemmen… Bei aller Liebe zum Guten möge der Geist Freude am Besseren haben, das heißt am Himmlischen. Bei der Furcht vor den Übeln soll das Herz die ewigen Übel nicht aus dem Auge verlieren. Denn wenn es dort sieht, was der größeren Liebe und der größeren Furcht wert ist, möge es sich hier ganz und gar nicht festhängen. Zu solchem Tun haben wir als Helfer den Mittler zwischen Gott und den Menschen, durch den wir schnell alles erreichen, wenn wir ihn in wahrer Liebe dringend bitten, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und herrscht, Gott in Ewigkeit. Amen.

O Herz des Königs aller Welt.

Br. Walter Faulmüller

Gott ist gegenwärtig… alles in uns schweige und sich innigst vor IHM beuge!
In heiliger Ehrfurcht gilt es so, sich diesem Geheimnis zu nahen. Geht es doch um etwas unfassbar Großes, Tiefes, Inniges. So wie die Liebe Christi alle Erkenntnis übersteigt (Eph 3,19), wie der uns geschenkte Friede höher ist denn alle Vernunft (Phil 4,7), wie unser Gott geneigt ist, überschwänglich über all unser Bitten und Verstehen unser Gebet zu beantworten (Eph 3,20) – so geht es hier um ein all unser Denken übersteigendes Geheimnis innerhalb der Kirche Christi, welches demütigen Herzen offensteht: die innerste Verbindung mit dem uns im Herzen Jesu geoffenbarten Herzen des Vaters.
Dahin letztlich zielt die Herz-Jesu-Verehrung unserer römisch-katholischen Brüder und Schwestern. „O Herz des Königs aller Welt des Herrschers in dem Himmelszelt, Dich grüßt mein Herz in Freuden…“ (GL 549) singen sie – und das – nota bene! – mit Worten des evangelisch- lutherischen Lobsängers Paul Gerhardt.
In solche anbetende Freude stimmen auch der Graf von Zinzendorf und die Herrnhuter Brüdergemeine ein: „Halleluja, welche Höhen, welche Tiefen reicher Gnad, dass wir dem ins Herze sehen, der uns so geliebet hat…“
Und der schwäbische Kirchenvater Johann Albrecht Bengel geht noch weiter und bittet: „Um eins, mein Jesu, bitt ich Dich, um das lass Dich erbitten: Dein Herz, Dein Herz, das gib in mich…“ (EG Württemberg 632,3).
Ist an diesem uns geöffneten Herzen Jesu, von der uns gewährten Einwurzelung und Verbindung mit Ihm her nicht alles andere selbstverständlich? Da ist Einheit mit allem und allen Geliebten, den Nahen und Fernen. Da ist nicht mehr partieller, individueller, konfessioneller, nationaler (etc.) Horizont, sondern Seine alle und alles umfassende Weite, die keine Begrenzung (= Horizont) und Ausgrenzung mehr duldet. Da gibt es kein gleichgültiges Neben- noch feindliches Gegeneinander, keine Distanzierung und Trennung mehr (nur von der Sünde!). Da waltet das große Für der göttlichen Liebe. Da kommt aus Seiner Fülle, von Seinem Herzen her der unerschöpfliche, nie versiegende Strom der Liebe und des Lebens aus Gott.
Gewiss, auch das, wovon wir hier stammeln, gehört zu jenen Geheimnissen der Gottheit, die es (nach Ph. Melanchthon) viel mehr anzubeten als zu erforschen gilt. Doch wagen wir es, in unserem Einheitsgebet um Teilhabe an diesem Geheimnis zu bitten – nicht in frechem Übermut, sondern im Gehorsam der Wahrheit. Der Vater will es so!
Kenner und Mitbeter des Hohepriesterlichen Gebets Jesu mögen längst erspürt haben: Diese unsere Herzensbitte ist doch nichts anderes als das von Seinen Jüngern aufgenommene Herzensanliegen des Meisters: „Ich bitte, dass sie alle eins seien, gleichwie DU, Vater, in mir und ich in DIR, dass auch sie in uns eins seien“ (Joh 17,20).
So geheimnisvoll und exklusiv dieses erbetene göttlich-menschliche Ineinander erscheinen mag, zielt es doch von innen nach außen, vom Verborgenen ins Offenbarwerden, aus dem unsichtbaren Keim auf eine sichtbare, weltweite Frucht: „… damit die Welt glaube.“
O welche Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! IHM sei Ehre in Ewigkeit.

Vereinige uns mit Dir… – auch mit Deinem Leiden und Tod für alle und alles.

Veronika E. Schmidt OCD (zit. n. Gebet als Lebensprozess S. 92f)

Am Passionssonntag 1939 schreibt [[Edith Stein]] an ihre Priorin: „Liebe Mutter, bitte erlauben (Sie) mir, mich dem Herzen Jesu als Sühnopfer für den wahren Frieden anzubieten: Dass die Herrschaft des Antichrist, wenn möglich, ohne einen neuen Weltkrieg zusammenbricht und eine neue Ordnung aufgerichtet werden kann. Ich möchte es heute noch, weil es die 12. Stunde ist. Ich weiß, dass ich ein Nichts bin, aber Jesus will es, und Er wird gewiss in diesen Tagen noch viele andere dazu rufen.“ – Ein solcher Sühneakt ist in der Tradition des Karmel nichts Außergewöhnliches. Es geht um die bewusste, aus freier Initiative erfolgte Übergabe des eigenen konkreten

Edith Stein
Edith Stein

Lebens als Holocaustum, als Opfer für die anderen an Gott. Dies kann nur verstanden werden im Zusammenhang mit der freiwilligen Hingabe Jesu im Tod. Offensichtlich gibt es innerhalb der Berufung des Herrn, der den Einzelnen in seine Nachfolge, in die Ganzhingabe ruft, eine nochmals intensivere Schicksalsgemeinschaft mit ihm, die als ein besonderes Ähnlichwerden mit seinem Tode zu verstehen ist und die durch einen eigenen inneren Akt der Zustimmung und Freiwilligkeit auf Seiten des Menschen wirksam wird. Es hat fast den Anschein, als läge die Initiative dazu stärker beim Menschen als bei Gott. Dieses Tun hat Zeichencharakter und vermag gerade in Unheilszeiten Heil zu offenbaren.
In einer extremen Unheilszeit, einer politischen Ausnahmesituation, bietet Edith Stein sich selbst, ihr Leben als Holocaustum an. Wirklich begreifen und verstehen können wir dieses Tun ebensowenig wie das Leiden und den Tod Jesu. Dass sich in solchem Tun aber Heil vollzieht, können wir erfahren. Wir erfahren es an und durch die Menschen, die eine solche freiwillige Tat vollzogen haben. Der Tod ist die sinnvollste Tat ihres Lebens, ein heilvoller und heilbringender Vollzug, der das Sterben überlebt, der als Wirklichkeit, als Heilswirklichkeit in der Geschichte wirksam wird und bleibt. Ohne den Bezug zum Leiden Jesu wäre er sinnlos, aber aus der Auferstehungskraft des Herrn wird er Leben spendend. Der Geist Jesu durchzieht die ganze Menschheitsgeschichte und wird an bestimmten Stellen ganz besonders sichtbar, an Punkten, die nicht isoliert für sich stehen, sondern die eine innere Logik, ja Dialogik aufweisen. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und künden so von der Kontinuität einer tieferen Dimension menschlicher Geschichte, nämlich ihrer Heilswirklichkeit in Jesus.

Anteil haben

Anne Decker

Ist der Herr Jesus Christus, zu dem wir in dieser Weise beten, wirklich der Herr meines Lebens? Ja, er ist es, objektiv nach der Wahrheit, die Gott als sein Wort in die Welt gesetzt hat. Der Apostel jubelt über diese Wahrheit im Epheserbrief: „Gepriesen sei Gott, der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (vgl. Eph 1). Mit allem Segen seines Geistes sind wir gesegnet – welch eine nicht zu fassende Fülle!
Durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel! Pflegen wir diese Gemeinschaft? Suchen wir das, was im Himmel ist, oder sind wir doch vorderhand irdisch gesinnt? Sagen wir Herr, Herr! und leben doch so, als gäbe es nur unseren eigenen Kopf und Willen und nur unsere Rechtschaffenheit, um die Welt zu retten? … Ist Jesus Christus der Herr meines Denkens und Fühlens? Ist er das Ziel meiner Sehnsucht und die Quelle meiner Freude? Ist sein Weg durch Leiden und Kreuz meine Kraft, um in Liebe zu Christus willig meinen Anteil am Leiden der Welt zu tragen und dankbar darzubringen?
Jedesmal, wenn ich das Einheitsgebet spreche, schwingen in mir solche und ähnliche Fragen. Und im Herzen füge ich hinzu: „Wie notwendig ist es, o Herr, dass dein Blut gnädiglich in mein Verhältnis zu dir kommt und mich zurecht bringt. Denn in dir hat Gott uns erwählt… zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn; durch sein Blut haben wir die Erlösung und Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.“
Der Epheserbrief spricht hier von wir und uns. Die Erlösung, die mir gilt, wirkt sich auf die anderen Menschen aus, mit denen ich lebe. Ein geläutertes Verhältnis zueinander achtet das Geheimnis seines Willens im Leben des anderen. Es steht mir nicht zu, dieses Geheimnis zu kennen und zu ergründen. Es steht mir nicht zu, zu urteilen. Mit Christus verborgen in Gott hat jeder Teil am Geheimnis seines Willens. Jeder hat seinen ureigenen Platz anzunehmen und von Herzen in Liebe auszufüllen und so daran Anteil zu haben, dass der Leib Christi sich in Liebe erbaut, bis in der Fülle der Zeiten alles im Himmel und auf Erden in Christus vereint wird!

Blutübertragung

Luitpold Schatz

Unsere moderne Welt hat oft bessere vergleichsfähige Vorgänge als vergangene Zeiten zu bieten, wenn es um überirdische Wahrheiten geht. Ich denke an das medizinische Phänomen der Blutübertragung, ohne die frühere Generationen keine Chance des Überlebens gehabt haben. Diesen Tatbestand nehme ich als Anregung für eine geistliche Betrachtung über die nicht leicht zu verstehenden Wirkkräfte des Blutes Jesu. Wenn ich mir die besten Verhältnisse zwischen Mensch und Jesus, zwischen Mensch und Mensch betrachte, so kränkeln sie doch dahin und haben keine Chance des Überlebens, es sei denn die Blutübertragung des Leibes Christi infiltriert Ewigkeit in sie hinein. ++ Natürlich vermag der in Christus gegründete Mensch – als durch das Blut Jesu rein geworden – ein versöhntes Leben zu praktizieren. Gemeinschaftsfähig im Sinn des Hohepriesterlichen Gebets ist er deswegen noch lange nicht. Die von mir betrachtete Blutübertragung muss in die Verhältnisse einfließen, um eine Gemeinschaft am Leibe Christi zu bewirken. Das ist ja die Problematik mancher Gemeinschaften heute. Will einer den anderen finden, so wird gelehrt, müsse er sich selber finden. Schön und gut; aber die Problematik bleibt. Kirche Jesu Christi zu sein, gelingt überhaupt nicht auf dem Boden menschlicher Möglichkeiten. Kirche ist sakramentale Gemeinschaft. Der Begriff „Blut Jesu“ steht für das Opfer des himmlischen Vaters in seinem Sohn und verweist auf seinen in Ewigkeit gültigen Liebes- und Heilsplan über seiner Schöpfung. Darin sind alle menschlichen Verhältnisse einbezogen, hier besonders die zwischen den Christen und Gott und den Christen untereinander. Fließt dieses Opfergeheimnis in diese Verhältnisse, so bekommen sie eine Qualität, die durch nichts sonst erreichbar ist. Das ist nicht verstandesmäßig zu fassen. Hier wird der Glaube gefordert. Der Glaube weiß um die Notwendigkeit dieser Bluttransfusion und bittet darum.

Blick-Richtung

Br. Johannes Junger und Br. Walter Faulmüller

Die Beter erbitten mit dieser Sonder-Bitte keinerlei Bevorzugung und Privilegierung einer exklusiven Elite. Im Gegenteil! Eine bluterkaufte Schar bittet um Vollendung Seines Erlösungswerkes, um Durchrichtung, Durchlichtung, Reinigung und Einigung, Erfüllung mit Seiner Liebe und damit Vollendung der Gemeinschaft mit IHM und den Seinen. Das „Besonders komme…“ bedeutet also, dass jetzt die Seinen angesprochen sind, d.h. „die mit Ernst Christen und Jünger Jesu sein wollen.“ Sie sind berufen, im Ganzen des Reiches Gottes die Träger des Lebens in Christus zu sein. In ihnen ist das Evangelium Gottes von Jesus Christus zur Ausreifung gekommen. Sie wissen um das „Wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus“ (Eph 4,15), damit „Christus in ihnen lebt“ (Gal 2,20). Aber angesichts der ganzen Menschheits- und Kirchengeschichte kann auch sie Resignation überfallen. Das war schon bei den ersten Christen und Gemeinden der Fall. Man denke an Ermahnungen wie diese: „Stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und macht feste Schritte…“ (Hebr 12,12). Noch schlimmer ist die Haltung der Selbsthilfe. Auch Jesus wurde von diesen Anfechtungen überfallen: „Mach aus diesen Steinen Brot…“ (bei der Versuchungsgeschichte) und noch am Kreuz: „Hilf dir selber…“ (Lk 23,35-39). Darum gilt es, stets den Blick auf Jesus gerichtet zu haben. Vor seinem Angesicht sind und werden wir immer schuldig sein, weil wir dem nicht nachkommen, wozu wir bestimmt und gesetzt sind. Wir haben immer die Vergebung Gottes für unsere Verfehlungen nötig. Es gehören Demut, Einsicht und der richtige Weg dazu, dass wir dies einsehen. Zuerst muss das Verhältnis zwischen Jesus und mir in Ordnung sein, wie auch Jesus immer zuerst die Blickrichtung zum Vater hatte und auf das Tun des Vaters sah (Joh 5,19). Erst dann richten wir den Blick auf die „Gemeinschaft der Heiligen“. Zudem können wir Jesus Christus, das Haupt des Leibes, nicht haben ohne die Glieder – d.h. die Seinen! Wie nötig wir hier ständig „die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden“ haben, macht uns das Wort Jesu an seine Jünger bewusst: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Joh 13,35). Deshalb ist hier Buße angesagt. Nicht zuerst eine Aufzählung von Vergehen, sondern das demütige Bewusstsein und Eingeständnis, dass wir allezeit nicht unserer Berufung und Bestimmung gerecht werden. Buße heißt in diesem Zusammenhang auch, die Last und Not, die Jesus durch die Zeiten zu tragen hat und vor Gott aushält, mitzutragen. „Wir haben gesündigt samt unsern Vätern, wir haben unrecht getan und sind gottlos gewesen“ (Ps 106,6). Dieses Bekenntnis ist auch nach Jesu Tod, Auferstehung und Erhöhung ein Dienst, auf den die gesamte Kirche, Menschheit und Schöpfung wartet.