Frieder Rebafka
Sehnsucht nach Bewahrung des Heiligen
Orthodoxe Mönche vom [[Berg Athos]] zwischen vergehender Welt und kommender Herrlichkeit
Vor einigen Jahren besuchte ich mit einer kleinen Männergruppe den Berg Athos und lernte das Leben der Mönche in verschiedenen Klostereinrichtungen kennen. Vom Reichtum des Glaubens und Lebens der Athosmönche kann ich hier nur einige wenige Beobachtungen und Erfahrungen herausgreifen. Der Berg Athos steht nach über 1000 Jahren heute noch als Herz und Hort orthodoxen christlichen Glaubens. Er bewahrte das unversiegbare byzantinische Wesen und das urchristliche Mönchtum, in allen seinen historischen Ausformungen, inmitten einer säkularen Welt. Zur Zeit befinden sich auf dem Athos 20 Klöster mit
ca. 1600 Mönchen, in der Blütezeit lebten über 30.000 Mönche auf seinem Territorium. Hier sind Männer, die für eine mönchische Gottinnigkeit, für Bußübungen, für die Askese und für die Glaubenskraft ihrer Kirche eintreten. Auch wird der Athos gerne als die Halbinsel der Endzeiterwartung bezeichnet.Für die Athoniten ist der „Hagion-Oros“ (Heiliger Berg) zugleich der einzigartige Ort der Anbetung, der Verherrlichung Gottes, der Verehrung der Heiligen und der Ort der Bewahrung des Heiligen. Die Bewahrung des Heiligen sehen sie zumeist in den Mysterien (Sakramenten). Aber das Heilige vollzieht sich auch in vielen Handlungen und Zeichen ihres Alltags und symbolisiert die Vereinigung und Identität im Liturgischen und Nichtliturgischen.
Das Heilige
Für den athonitischen Mönch gilt einerseits Gott der Dreifaltige als Allheiliger, andererseits der getaufte, orthodox lebende Mensch als (berufener) Heiliger. Weil Christus sich für ihn geheiligt hat (vgl. Joh 17,18), wandelt er mit ihm in einem neuen Leben. Besonders werden die Kirche, ihre Botschaft und ihre Schriften, die Kirchenväter, die Konzilien als heilig hervorgehoben und erscheinen als Wirkung des göttlichen Geistes. ER ist der bestimmende Geist der Heiligkeit. Auch Dinge, wie Ikonen, Symbole, wirkende Gegenstände, bestimmte Räume und Gebäude, besondere Zeiten, Fasten und Feste gelten im Gebrauch und im Glauben vielfach als für Gott bestimmt und damit geheiligt. Die heiligen Gegenstände oder vollzogenen Handlungen erscheinen nicht mehr in ihrer bloßen Naturhaftigkeit und Dinglichkeit. Sie verweisen auf eine Berührung göttlicher Macht, auf Gott selbst, da sie für ihn durchscheinend geworden sind. Die Klärung und die Begründung der Bewahrung des Heiligen bleiben bei den Mönchen unscharf. Ihr Verständnis und ihr Handeln gehen meist ineinander über und die begrifflichen Grenzen verschwimmen. Hier zeigt sich ihre Denkweise und ihr Empfinden als ein „Sowohl-als-auch“ und weniger als ein „Entweder-oder“ wie in unserer westlichen Denkweise.
Obwohl im Hebräerbrief steht: „Furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (Hebr 10, 11), sehen die Mönche keine Distanz zum Menschen. Durch Jesus den Menschen geschieht eine Nähe zu Gott, die seine Heiligkeit und Einzigkeit wahrt. In dieser Gottesnähe werden alle frommen Vorstellungen gesprengt und die mystischen Erfahrungen reichen nicht heran, wenn ER der Heilige nahe ist.
Die heilige Gemeinschaft
Auf dem Berg Athos gibt es verschiedene Formen klösterlichen Lebens. In den kinobitischen Klöstern, in denen die gemeinschaftliche Lebensform besonders gepflegt wird, ist die Teilnahme an allen Gottesdiensten rund um die Uhr, die mindestens acht Stunden, vielfach auch mehr als zwölf Stunden eines Tages in Anspruch nimmt, Pflicht. Hier vollzieht sich das Erbe der Heiligen, die Verschmelzung des Einzelnen mit der Gemeinschaft, und zugleich des Ichs mit der Wirkkraft Gottes. Für den Mönch ist die gemeinsam zelebrierte Liturgie der Höhepunkt des gemeinschaftlichen Lebens. Die Feier der Kommunion verstehen sie als das Band, das sie zu der „einen“ Bruderschaft formt. Die Liturgie ist die große Feier mit allen Heiligen und den Chören der Engel zum Ruhm und zur Ehre Gottes. In ihr wird auch die Welt mit ihrer Sünde und Zerstörung und allen ihren Belangen von den Händen des Zelebranten Gott dargebracht. So gilt die Feier der Menschwerdung Gottes in Christus als tragende Hoffnung, als das Zeichen der Neuschöpfung der gefallenen Welt.
Der heilige Kampf im Gebet
Die Mönche beten immerwährend im Horizont Gottes. Dadurch weisen sie in Haltung, Gestus, Liturgie, Hymnus, etc. über sich hinaus. Gebet ist meist gemeinschaftliches Beten. Sie vertrauen die eigene Not und Ohnmacht Gott an und bitten um sein Erbarmen und heilendes Handeln für die sich im Sündenkampf draußen befindenden Menschen. Jeder Mönch sieht sich als Kämpfer, der durch den Geist Gottes mit den Mächten der Finsternis um die Seelen anderer ringt, besonders in den nächtlichen Gebetsstunden.
Der Heilige kommt
Der Lebensrhythmus der Mönche ist geprägt von Wachen und Beten. Gleichsam als adventliche Menschen glauben sie die Ankunft Christi und sind ganz diesem Ziel zugewandt. Dieser Blick führt sie über die Vergänglichkeit dieses Äons und einer im Todeskampf sich befindenden Welt hinaus. Ihr Bestreben richtet sich nicht vorrangig auf äußere Werterhaltung und Wertoptimierung, wie wir das im Abendland gewohnt sind, sondern auf die Erwartung der kommenden Herrschaft Christi. Als Beispiel nennen sie selbst den inneren und äußeren Niedergang etlicher Klostereinrichtungen auf dem Athos, die zeichenhaft die anbrechende neue Zeit signalisieren. Wie wird die Welt den Wiederkommenden empfangen, bleibt ihre Fragestellung. Ihre Antwort: Weder eine starke Glaubenskraft der Kirche, noch eine im Höchststand ihrer Entwicklung befindlichen Welt wird das Zeichen sein, sondern der Niedergang durch tiefe menschliche, kirchliche und völkische Krisen, in denen unverhüllt das Entsetzen und das Böse allerorten aufbricht (nach Math 24 und 25). Alle Bedrängnis und Leiden sind daher Vorboten der Wiederkunft Christi und des anbrechenden neuen Äons. Dann kommt ER mit großer Macht und Herrlichkeit.
Das heilige Geheimnis leben
Das Geheimnis des Athos liegt nicht in einem besonderen Glauben, nicht in zu verschweigenden Rätseln oder einem menschlichen Verhaltenskonstrukt, sondern hier wird ein Stand von großer eigener Unwissenheit über die Macht und die Liebe des „Heiligen-Dreieinigen-Gottes“ erreicht. Zugleich wird die in der eigenen Natur begründete Sündhaftigkeit mit allem Abgrund des Unbewussten offenbar. Hier zeigt sich dann die Haltung des reifen Mannes, der überwunden hat und ganz unkompliziert, einfältig und empfänglich still geworden ist vor Gott und es auch zu bleiben vermag. Der Mönch ist sich daher bewusst, dass er nicht mehr erreichen kann. Doch in dieser Weihe liegt im orthodoxen Bruder eine geistliche Kraft, der so ein wirkungsvolles Glied des Leibes Christi bleibt. Man verspürt einen jenseitsbestimmenden Charakter, sich dem Ziel der Wiederkunft Christi hinzugeben, um so Hoffnungszeichen für die Kirche Christi und für die Welt zu sein.
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Frieder Rebafka, Mitarbeiter in der Redaktion des Quatemberboten, würdigt die göttliche Herrlichkeit im Leben der Mönche vom Berg Athos, die das Heilige zwischen vergehender Welt und kommendem Reich Gottes bewahren.
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