Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist (Eph 1,18). Der Apostel bittet, dass denen, die zur Hoffnung berufen sind, die Augen erleuchtet werden und sie Herrlichkeit schauen. Denn die Hoffnung richtet sich auf das reiche, herrliche Erbe, das alle erwartet, die Jesus Christus nachfolgen. Der Apostel nennt sie die Heiligen, weil der Herr aus Gnade an ihnen gehandelt hat.
In drei Beiträgen leuchtet die Herrlichkeit auf, die zukünftig ist und doch schon heute Menschen erfasst.
Herbert Lauenroth
Zum Kinde reifen – Sehend werden
Innenansichten der Weggemeinschaft christlicher Gemeinschaften, Kommunitäten und Werke
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Ich wünsche uns Osteraugen,
die im Tod bis zum Leben,
in der Schuld bis zur Vergebung,
in der Trennung bis zur Einheit,
in den Wunden bis zur Herrlichkeit,
im Menschen bis zu Gott,
in Gott bis zum Menschen,
im Ich bis zum Du
zu sehen vermögen.
Und dazu alle österliche Kraft.
Klaus Hemmerle
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Erleuchtete sind Osteraugen.
Augen, die weiter sehen, die jede Äußerlichkeit auf eine ihr innewohnende Wahrheit durch-schauen, aus beengten Verhältnissen befreien, in eine zuvor ungekannte Weite führen, also im W/Ortsinn: erlösen.
Jeder Mensch sehnt sich nach wahrer Erkenntnis. „Erkenntnis“, so wussten die Mystiker, ist gleichbedeutend mit „Liebe“. Wer liebt, erkennt, gibt sich zu erkennen. In der Hoffnung, seinerseits erkannt und also auch geliebt zu werden. In der Lebens- und Liebesgemeinschaft des dreieinigen Gottes ist diese Gegenseitigkeit realisiert.
„Augen des Herzens„, das ist eine wunderbare Umschreibung der nachösterlich geschenkten Wirklichkeit des zu seiner Göttlichkeit befreiten, neuen Menschen, der sich endlich zur Reinheit des Herzens, zum reinen, ungetrübten Blick, einer liebenden Erkenntnis oder erkennenden Liebe befähigt sieht: Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Mt 5,8).
So betrachtet ist der österliche auch der kindliche Blick. [[Heinrich Spaemann]] fasst diesen beispielgebenden, ursprünglichen Blick des Kindes auf geniale Weise: „Was wir im Auge haben, das prägt uns, dahin werden wir verwandelt. Wer aufschaut, nach oben, wer herabschaut, nach unten.“
Ob wir Zukunft haben, hängt also von der Blickrichtung ab. Wer aufschaut, ist mutig, demütig, trägt Hoffnung im Blick. Wer aufschaut, betreibt keine Nabelschau, weiß aber auch: Was von oben kommt, muss von unten wachsen. „Kinder„, so Spaemann, „sind Offenheit und Erfülltheit in einem, `lebendige Hoffnung´, zu der wiedergeboren werden müssen, die ihre Kindheit verloren (1 Petr 1,3)“.
Diese Lesart Heinrich Spaemanns knüpft an [[Klaus Hemmerle]]s Rede von den „Osteraugen“ an. Österliche sind neu geschenkte, gewandelte Kinder-Augen. Um jeder Verkitschung vorzubeugen: Diese Sichtweise gewinnt nur, wer durch eine existenzielle Schule des Sehens (schmerzgeborener Einsichten, zahlloser und nachhaltiger Ent-Täuschungen) gegangen ist, wer neuerlich zur ursprünglichen, noch unverstellten Erkenntnisfähigkeit des Kindes gereift ist.
Dazu aber bedarf es des geläuterten, gereinigten, zur Gegenwart Gottes im anderen auf-schauenden Blickes. Denn allein diese Blick-Richtung „nach oben“ verheißt wahre Erkenntnis, inspiriert Lobpreis und Dank an den Souverän einer Geschichte, in der sein heiliger Geist den unvergleichlichen Reichtum christlichen Lebens neu und machtvoll aufscheinen ließ. Doch erst durch Buße, Umkehr, Bereitschaft zur Läuterung, die uns der andere bzw. die wir für den anderen bedeuten, kann diese Vielfalt zum Segen werden. Die Herrlichkeit Gottes nämlich zeigt sich im Licht der nachösterlichen Erfahrung immer als Zeugnis gewandelter Gebrochenheit – als „Wunder der Wunde„. Der Auferstandene erscheint mitten in einer heillos zerrissenen Welt, in dem von seiner Gegenwart geheiligten Raum des „Zwischen-Menschlichen„.
Erst in der Begegnung mit dem anderen, erst in dieser „Zelle des Bruders“ – so [[Chiara Lubich]] in ihrem atemberaubenden Text „Die Auferstehung Roms“ – wird der innerste Erfahrungshorizont einer Gottesbegegnung freigelegt: „Ich will mit den Augen Gottes, den Augen Jesu, der in mir lebt, auf die Welt, auf die Menschen schauen und entdecke mein Licht, mein wahres Ich in den anderen„, schreibt Chiara. „Denn nur Jesus in mir verbindet mich mit Jesus im anderen, und auf diese Weise bilden wir, der andere und ich, eine Zelle des mystischen Leibes Christi, bilden wir eine Feuerstelle, ein ‘Fokolar Gottes’, das die Welt erhellt. Denn es ist Gott selbst, der aus Zweien eins macht, indem er in Jesus zu ihrer Mitte wird.“ Das „Castillo interior“, die traditionelle Metapher der „Seelenburg“ bei Teresa von Avila, wird von Chiara in einer ebenso respektvollen wie kühnen Wendung nach Außen „gestülpt“ und zum weltumspannenden Innenraum geweitet: „So lebt der ganze Christus in beiden und unter ihnen.“
Im Blick auf diese Präsenz des menschgewordenen Gottes, der in und unter den Christen, ihren verschiedenen geistlichen Traditionen und Gemeinschaften, im Heiligtum des „Zwischenraumes„, als Mitte der neuen Stadt (Offb 21,22) erkannt, geliebt und bezeugt wird, gewinnt die Kirche ihre prophetische und endzeitliche Gestalt, wird sie neuerlich zeugnis- und damit zukunftsfähig: Die Charismen dienen einander, wiederholen – etwa mit Augustinus – auf immer neue, vielstimmige Weise ihr wechselseitiges „Amo ut sis„: „Ich lebe/liebe, damit Du sein kannst, Dich entfaltest!„. Und setzen so einander neuerlich frei ins jeweils Eigene, ja, vollenden sich in gewisser Weise aneinander.
„Wir erkennen uns als Geschwister„, fasste ein Freund seine Erfahrung des europaweiten Treffens der christlichen Bewegungen in Stuttgart 2004 zusammen, „ nicht trotz oder ungeachtet unserer Verschiedenheiten, sondern gerade in ihnen und durch sie!“ Denn wir erkennen Ihn unter uns und also uns in Ihm. So entsteht jene Freude, die allein der unablässig schöpferische Geist Gottes schenkt: die Freude an der von Ihm gestifteten Vielfalt, in der sich die wahre, unterscheidend christliche Einheit bezeugt. In jenem zum Kinde gereiften, vertrauensvollen Auf- und Aus-Blick auf den „Deus semper adveniens“ – die Herrlichkeit Gottes im Geheimnis seiner Ankunft mitten in dieser Welt.
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Herbert Lauenroth, Verantwortlicher in der Fokularbewegung in Deutschland, meditiert über die Herrlichkeit Gottes, die in noch unverstellter Erkenntnisfähigkeit des Kindes reift; in der Liebe, die Brüder und Schwestern in ihrer Vielfalt verbindet, wird sie erfahrbar.
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