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Die selbst den Christenmenschen eigene Interpretation des Himmelreichs ist meist vom Idealzustand des Lebens geprägt. Dazu gehört vor allem die Abwesenheit alles Bösen, kurzum ist der paradiesische Zustand gemeint. Das alles gehört aber zu den Begleiterscheinungen. Himmelreich sprengt alle Vorstellungswelten, weil sich keinesfalls eine Wiederherstellung des Schöpfungszustands ereignet, sondern sich eine globale, ja kosmische Ausweitung des gesamten Lebens, Denkens und Liebens vollzieht. Meist denkt der fromme Mensch bei himmlischen Bildern sofort an irdische Sinnbilder, weil er das aufgrund seiner Begrenzung so gewohnt ist. Das ist speziell bei der Offenbarung des Johannes augenfällig. Eines der einfachsten Beispiele findet sich in Offb 1,16, wo der Seher den erhöhten Herrn wahrnimmt, in seiner rechten Hand sieben Sterne. Später folgt die Erklärung: Das sind die „Engel“ der sieben Gemeinden. Mir ist nicht bekannt, dass jemals wahrgenommen worden ist, dass mit den Sternen statt einem Sinnbild die kosmische Ausweitung der Beauftragten gemeint sein könnte.

Prüft man diesbezüglich die Himmelreich-Gleichnisse Jesu nach der Niederschrift des Matthäus (Kapitel 13), entdeckt man ständig die Himmelreichs-Logik, die sowohl der irdischen Erfahrung als auch der Vernunft dieses Äons widerspricht.

Allein schon der Name „Himmelreich“ verweist uns sprachlich weit über das Erdland hinaus. Der deutsche Begriff – vom Germanischen kommend – hat einen Zusammenhang mit „verdecken“, also Himmel gleich dem „Verdeckten“. Himmelreich greift also weit über das uns Einsehbare hinaus. Es sind dann besondere Stunden und Zeiten, wenn sich eine Durchschau ereignet, also der Himmel offen ist (Stephanus, Johannes u.a.).

Es stimmt mich immer froh, wenn die ersten Zeugen des Auferstandenen mit schlichten Worten ihren Durchblick offenbaren. So bezeugt Paulus in Eph 4,10, dass der Auferstandene sich nicht im Himmel, sondern über allen Himmeln befindet. Warum? Dass er alles erfüllte.

Ich komme zurück auf das „Kommen des Himmelreiches“, wie es das Einheitsgebet als Folge der „Vereinigung mit Christus“ darstellt. Mehrheitlich erwartet die Christenheit zuerst das Kommen des Himmelreichs, damit dann die endgültige Erfüllung aller Verheißungen stattfindet. Wenn aber Jesus im hohepriesterlichen Gebet den Vater bittet um die Einswerdung der Seinen mit ihm selbst und dem Vater, so spricht er die Gegenwart an und nicht nachweltliche Zeiten. Dieser entscheidende Prozess fordert die Gläubigen auf, solches allen Initiativen und auch Frömmigkeiten vorauszustellen. Erst wenn aus dem liturgischen Ruf: Erhebet die Herzen und Wir haben sie beim Herrn eine durchdringende und über allem stehende Wahrheit geworden ist, geschieht die Erfüllung.