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Man betet nicht nur unbestimmt um eine Vereinigung irgendwelcher Art. Man bittet Christus eindeutig, in der Gemeinschaft seines heiligen Herzens vereinigt zu werden. Das fordert demgemäss dazu heraus, abzuklären, was darunter verstanden werden kann. Das heilige Herz Jesu hat in der Geschichte der Kirche einen breiten Raum eingenommen, wobei gewisse Entartungen nicht verleugnet werden können.
Zunächst aber wird wieder jene Vereinigung deutlich, die nicht eine Folge menschlicher Aktion darstellt. Es ist vielmehr eine vorgegebene Wirklichkeit – nämlich das Herz Jesu -, in das hinein Vereinigung erbeten wird. Dieser Vorgang wirkt entspannend, aber auch alle Macher und Planer korrigierend.
Nun fragt sich, warum nicht die Vereinigung mit Jesus genügt? Das Herz besonders herauszuheben, scheint in der Tat etwas eigenartig. Allerdings wäre es deshalb eigenartig, wenn das Herz nur physiologisch verstanden würde. Dazu besteht zwar kein Grund, weil die Verwendung des Wortes HERZ in vielfältiger Weise den Menschen von heute geläufig ist. Zur Sinnfindung würde bereits der Gebrauch von „herzlich“ genügen.
Ein „herzlicher Gruß“ ist eben doch mehr, als ein freundlicher Gruss. Dabei will er nicht nur als ein Grad freundlicher erscheinen. Nein – er will von der totalen Existenz des Grüßenden kommen, also nicht dosiert, sondern von der Lebensmitte gesandt. Man könnte auch sagen: alles durchströmend. In der modernen Wissenschaft ist inzwischen unbestritten, dass bei allen Erscheinungsformen des Lebens – ob im Mikro- oder Makrokosmos – immer wieder eine Mitte feststellbar ist. Diese Mitte repräsentiert letztlich Wesen und Gestalt – und zwar kompetenter als die Hülle oder die Summe von umgebenden Einzelheiten.
Man könnte also daraus schliessen: Das Herz Jesu ist nicht nur das Innerste, sondern die Substanz des ganzen Christus. Dort hinein zielt unser Gebet – also nicht ein bisschen Jesus!
Das ist auch (etwas verschüttet) die Wurzel bei der Herz-Jesu-Frömmigkeit der katholischen Kirche. In nachfolgender Anmerkung (29) soll dazu mehr dargelegt werden, kann solches doch dazu beitragen, zumindest die Neugier zu befriedigen oder eine kleine Hilfe sein, fremde Elemente positiv im eigenen Leben zu deponieren, auch wenn keine Nachahmung notwendig ist.
Die evangelische Welt kennt ein Lied Zinzendorfs mit der ersten Strophe:
Herz und Herz vereint zusammen sucht in Gottes Herzen Ruh; lasset eure Liebesflammen lodern auf den Heiland zu. Er das Haupt, wir seine Glieder; er das Licht und wir der Schein; er der Meister, wir die Brüder; er ist unser, wir sind sein.
Eine kürzere Erklärung zum Herz-Jesu gibt es nicht.
Anmerkung
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29
In der römisch-katholischen Kirche gibt es eine reiche Herz-Jesu-Praxis. Zu deren Geschichte und Entwicklung nachstehend nur einige Hinweise.
Eine entscheidende Bibelstelle ist aus der Kreuzigungsgeschichte der Lanzenstich durch die Kriegsknechte (Joh 19,33-37).
In der Zeit der späten Mystik (17. Jahrhundert) hat die Frömmigkeit einer französischen Nonne (Margareta Maria Alacoque) diese Bibelstelle als anbetungswürdig erkannt und dann in einer Vision ein Herz-Jesu-Fest gesehen, an dem Besonderes zu beten sei.
Tatsächlich hat dann Papst Pius IX. dieses Fest für den 3. Freitag nach Pfingsten eingeführt. Im Zuge der Verwirklichung haben sich die Jesuiten um weitestgehende Verbreitung gemüht, zumal ein Jesuit der Beichtvater von Margareta Maria war. Wie das bei umstrittenen und ausufernden Praktiken der Frömmigkeit oft anzutreffen ist, erlebte auch die Herz-Jesu-Anbetung diverse Auf- und Abstiege. Im 18. Jahrhundert wurde sie sogar kirchlich untersagt. Dann kam wieder die Gegenbewegung im 19. Jahrhundert, wo Papst Leo XIII. die ganze Welt dem Herzen Jesu weihte. In neuerer Zeit hat sich besonders der Jesuit Karl Rahner um eine biblische Form der Herz-Jesu-Verehrung bemüht. Wer der Stadt Paris einen Besuch abstattet, kommt nicht umhin, eines der mächtigsten Kirchengebäude (19. Jh.) wahrzunehmen, das sozusagen das Herz Jesu „über die ganze Stadt erhebt“, nämlich SACRE COEUR (heiliges Herz).
Im 20. Jahrhundert hat sich die Herz-Jesu-Frömmigkeit von der Mystik weiter entfernt und sich sogar dem Charakter unseres 11-Uhr-Gebets genähert, wie das ein Liedvers zum Ausdruck bringt (entstanden in den Jahren der Hitler-Diktatur):
Herz Jesu, Trost der ganzen Welt, mach unser Herz zu deinem! Nimm unsre Herzen ungezählt und mache sie zu einem!
Lass uns den Hass, das bittre Leid fortlieben aus der dunklen Zeit:
Lass uns dein Reich erscheinen!
Ähnlich findet man in römischen Andachtsbüchern schöne Formulierungen, wie zum Beispiel nachstehendes Gebet im „Gotteslob“:
Herr Jesus Christus,
lehre uns das Geheimnis deiner Liebe verstehen.
Lass uns teilhaben am Reichtum deines Herzens.
Jesus, Quelle des Lebens und der Heiligkeit,
bilde unser Herz nach deinem Herzen. Amen
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