Herbert Lauenroth
Die christliche Aktualisierung, Verdichtung und Vollendung des jüdischen Erlösungs-Geschehens zeigt sich in der „Menschwerdung“ Gottes. Sie kann als (frei-willige, der Selbstlosigkeit seiner göttlichen Liebe geschuldete) „Exilierung“ Jesu gelesen werden: Er kam in Sein Eigentum, aber die Seinen nahmen Ihn nicht auf (Joh 1,11). In dieser Kenose, dieser Selbst-Entäußerung Gottes, wird die in Jesus Christus aufleuchtende Gestalt(ung) einer neuen, erlösten Freiheit deutlich: das Frei-Sein von sich, die Bereitschaft, den Aufbruch – nicht nur einmal, sondern immer wieder neu – zu wagen und sich also auf-brechen zu lassen.
So wird es möglich, in der Fremde Heimat zu finden und Himmel und Erde, Geschaffenes und Ungeschaffenes zueinander freizusetzen. Dabei erscheint diese Freiheit umso provozierender, als dieser christliche Gott ein „Gott mit Migrationshintergrund“ ist. Erst in dieser Durchlässigkeit für den Anderen bezeugt sich die Freiheit des Eigenen.
Diese Freiheit scheint heute besonders bedroht in einer Kultur wachsender „Immaterialität„, Flüchtigkeit, Ent-Leiblichung und elektronischer Gottes-Menschen- und Welt-Bilder nach Maßgabe einer neuheidnischen Cybergnosis. Doch erst im „Wunder-der-Wunde“ findet sie zu ihrer wahren Verkörperung, jener Erscheinung des Auferstandenen, der seine Wundmale zeigt und den zweifelnden Zeitgenossen wieder Gegenwart und Zukunft gibt, in dem sie sich an seinen Wunden bergen dürfen. Existenzielle Freiheit also erweist sich als „Verkörperung eines Durchscheinenden“, bricht an in der – von ihr aufgebrochenen und zu ihr hin auf-brechenden – prophetischen Existenz.
Michael Walzer erinnert schließlich an die Notwendigkeit, die Exodus-Erfahrung nicht nur als einmalige Befreiung aus dem ägyptischen Exil zu lesen, sondern als immer neu zu beschreitenden Weg in die Freiheit der Verheißungen Gottes zu suchen. Und ich füge hinzu: In, mit und durch Jesus, der immer schon Weg, Wahrheit und Leben (Joh 14,6) ist.