„Dein Blut komme über DEIN ALTES BUNDESVOLK und DAS LAND SEINES ERBES gnädiglich“

Bodo Fiebig

gebet7

Es ist bemerkenswert, dass die Verfasser des Einheitsgebetes schon vor Jahrzehnten das „alte Bundesvolk und das Land seines Erbes“ besonders erwähnten und herausstellten. In den letzten Jahren ist es für viele Christen selbstverständlich geworden, dass „das alte Bundesvolk“ Israel auch heute noch Volk Gottes ist, dass seine Erwählung gültig bleibt und seine Verheißungen nicht zurückgenommen sind.

Und viele haben „das Land seines Erbes“, das nun wieder Israel heißt und in dem wieder ein jüdischer Staat existiert, kennen und lieben gelernt. Damals gehörte zu dieser Einsicht ein tiefes Einfühlen in die Heilsabsichten Gottes und ein prophetisches Vorausschauen auf sein geschichtsgestaltendes Handeln, um das „alte Bundesvolk“, das jahrhundertelang über die ganze Erde zerstreut war und das „Land seines Erbes“, das bis 1917 Teil des Osmanischen Reiches und danach bis zur Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 britisches Mandatsgebiet war, in einem Satz und in einer geistlichen Gesamtschau zusammenzubringen.

Diese hellsichtige Klarheit ist allerdings älter als das Einheitsgebet. Schon im 19. Jahrhundert wurde von einigen wenigen erkannt, dass Gott einen heilsgeschichtlichen Weg gehen wollte, der „das alte Bundesvolk“ und „das Land seines Erbes“ wieder zusammenbringen würde.

In den „Nachrichten aus Israel“, einer in Jerusalem herausgegebenen Informationszeitschrift, in der Ausgabe vom März 1996, wurde am Schluss einer zusammenfassenden Darstellung der Entwicklung der judenchristlichen Urgemeinde und der Geschichte der Trennung zwischen der judenchristlichen und der heidenchristlichen Wurzel der Kirche, folgendes ausgeführt:

[yellow_box]

„50 Jahre bevor das politische Programm des Judenstaates in der Schweiz, in Basel, 1897 von Theodor Herzl ins Leben gerufen wurde, wurde ebenso in der Schweiz, in Basel, das neuzeitliche Fundament für gläubige Christen bzw. messianische Juden in Israel gelegt. Es war Christian Friedrich Spittler, der Sekretär der Deutschen Christentumsgesellschaft in Basel, der bereits 1813 den „Verein der Freunde Israels “ und 1840 die Ausbildungsstätte missionarischer Handwerksgesellen von St. Chrischona gründete. 1842 berief Spittler die erste Versammlung des „Palästinavereins“ ein. Aus diesem Vorfeld wurde der Nachfolger des ersten anglikanisch-preußischen Bischofs Alexander, Samuel Gobat, nach Jerusalem berufen. Und 1846 wurden die ersten Chrischona-Brüder Ferdinand Palmer und Conrad Schick von Basel nach Jerusalem ausgesandt. Dann regte der Berliner Theologe Strauß nach seiner Pilgerfahrt ins Hl. Land die Gründung eines Brüderhauses in Jerusalem an, was von Spittler willig aufgegriffen wurde und schon 1854 eröffnet werden konnte.“

[/yellow_box]

Das Einheitsgebet ist Ausdruck unserer Berufung, der Einheit und Ganzheit des Volkes Gottes, ja der ganzen Menschheit und Schöpfung zu dienen. Die alte Christentumsgesellschaft des 19. Jahrhunderts hat nach ihren Möglichkeiten ihren Beitrag geleistet, dass Jahrzehnte später, das „alte Bundesvolk“ im „Land seines Erbes“ einen durch Gebet und Tat vorbereiteten Lebensraum finden konnte.

Kann die neue Christentumsgesellschaft im 21. Jahrhundert durch Gebet und Tat einen Beitrag dazu leisten, dass altes und neues Bundesvolk, Juden und Christen, in Israel aus der Feindschaft der Vergangenheit und aus der Zerrissenheit der Gegenwart heraus zu neuer gottgewollter Einheit finden? Zu einer Einheit, die alle Juden ebenso umfasst wie Christen aus verschiedenen Konfessionen und Richtungen einschließlich der arabisch-palästinensischen Christen in Israel und den Palästinenser-Gebieten? Könnte es nicht sein, dass dann tatsächlich „eine Weisung (der Einheit und Versöhnung) von Zion ausgehen würde, und des Herren Wort von Jerusalem“ (Jes 2,3), so dass Völker damit beginnen würden, die ersten Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden und einige ihrer gefährlichsten Spieße zu Sicheln? Dabei ginge es nicht darum, vorweg nehmen zu wollen, was in seiner Vollendung erst beim Erscheinen des erhöhten Christus geschehen wird. Aber unser Einheits-Gebet und unser versöhnendes Handeln soll doch schon jetzt dazu beitragen, dass „alle mit ihm und miteinander in der einen, alle und alles umfassenden Lebens- und Liebesgemeinschaft vereinigt werden – unzertrennlich in seinem heiligen Herzen.“