… wie Christen heute am Reich Gottes bauen.

In einem Zeitungsbericht über eine Party in Berlin heißt es, dass es keine gewöhnliche Party sei. Vielmehr handle es sich dabei um ein Netzwerktreffen, und zwar ein christliches. Weiter wird dann geschrieben:

„Das macht Sinn, denn immerhin sind rund zwei Milliarden Menschen auf der Erde Christen. Die christlichen Kirchen bilden potentiell nicht nur eines der größten, sondern auch eines der ältesten Netzwerke der Welt.“

Netzwerke gehören bei der technologischen Entwicklung unseres Kommunikations­ bzw. Informationszeitalters immer selbstverständlicher zum Alltagsleben. Angesichts der immer größer werdenden Fülle an Kenntnissen und Wissen ist das im Blick auf die Ganzheit des Lebens unbedingt notwendig.

Jesus wies ebenfalls auf ein Netz hin, als er mit Bildern und Gleichnissen von der geheimnisvollen Wirklichkeit des Reiches Gottes sprach. Es ist mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen (Mt 13,47). So hat er als Jünger zuerst Netz-Experten in die Nachfolge gerufen. Die Fischer vom See Genezareth verstanden sich auf dieses Metier. Ihre Berufung haben sie im Zuspruch Jesu empfangen, ab jetzt, in der Verbundenheit mit ihm und miteinander, Menschenfischer zu sein. Von diesem kleinen Anfang her hat sich im Lauf der Geschichte das Netz des Reiches Gottes stetig ausgebreitet.

Das Reich Gottes ist die dynamische Herrschaft Gottes, die in allen Lebensbereichen eines Ortes, einer Stadt oder Region wirkt und mehr als den Bereich „Kirche“ abdeckt (siehe K. Warrington, Das Reich Gottes, S. 253). In der Geschichte gibt es viele Beispiele dafür, in denen etwas von dieser Dynamik sichtbar wurde. Ganze Gesellschaftsbereiche wurden tiefgreifend beeinflusst und verändert. Wirkungen, die von Klöstern ausgegangen sind oder infolge von Erweckungen wie etwa durch die Gebrüder Wesley oder die Herrnhuter Brüdergemeine mit Graf von Zinzendorf sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Gibt es heute bei uns in Deutschland aktuelle Entwicklungen, die Derartiges vermuten lassen, bei denen Vergleichbares zu beobachten ist?

Beispiel eines lokalen Netzes

Auf lokaler Ebene bin ich in der Stadt Augsburg in ein christliches Netz eingebunden. Was sich heutzutage dabei ansatzweise ereignet, davon möchte ich erzählen. Seit Anfang 2007 gibt es ein Treffen von Verantwortlichen unterschiedlicher christlicher Gruppierungen mit dem Anliegen, sich im Sinne des Reiches Gottes zu vernetzen. Augsburg hat eine reiche Geschichte, die wesentlich von Christen beeinflusst ist. In unserer Zeit hatte es schon jahrelang immer wieder Initiativen der Zusammenarbeit verschiedener christlicher Gemeinden und Einzelpersonen gegeben. Nicht nur die Evangelische Allianz als ein solches Netz, sondern auch die Beteiligung von Katholiken hat eine projektbezogene Zusammenarbeit vor allem im evangelistischen Bereich ermöglicht. Im Hintergrund sehr hilfreich dazu war ein seit Jahren bestehender Kreis zur Einheit sowie ein Leitergebet. Vieles, auch was die Kirchen und Gemeinden angeht, hatte allerdings eher nebeneinander existiert.

Die Wahrnehmung dieser Situation sowie personelle Wechsel an verschiedenen Stellen haben etwas in Gang gebracht, das einem tieferen Miteinander dienen soll. Weg von der Betonung von Projekten hat sich ein neuer Akzent entwickelt. Es wurde die Bedeutung von Freundschaft unter den verschiedenen Personen und das Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die ganze Stadt unter dem Motto Suchet der Stadt Bestes wichtiger. Um das ganze und größere Netz im Sinne des Reiches Gottes sollte es gehen.

Daraus ergab sich ein Treffen von 17 Verantwortlichen. Diese Personen vertraten jeweils verschiedenartige Netze: CVJM, Jugend mit einer Mission, die Fokolar-Bewegung, Ökumenisches Lebenszentrum, einen ökumenischen Schwesternkreis, die Geistliche Gemeindeerneuerung in der Evangelischen Kirche, bruderschaftliche Kreise, Christen in der Wirtschaft und christliche Geschäftsleute, Leitergebet, Wächtergebet, Evangelische Allianz und die Charismatische Erneuerung in der Katholischen Kirche. Man wollte sich künftig im Sinn einer besseren und umfassenderen Vernetzung regelmäßig einmal jährlich treffen. Zusätzlich sollte ein jährlicher „Tag zur Einheit“ für Mitglieder aus diesen Netzwerken stattfinden.

Worum es gehen soll

Ein paar Sätze aus dem dafür erarbeiteten Leitbild mögen illustrieren, worum es dabei geht. Als Ziele sind dort u.a. genannt: „Wir wollen mitwirken, dass sich das Volk Gottes sammelt, um Gott zu loben und Ihm Ehre zu geben. … Wir wollen das gemeinsame öffentliche Zeugnis des Evangeliums fördern. Wir wollen dazu beitragen, dass die Christen vor Ort Salz und Licht in Stadt und Gesellschaft sein können.“

Wie sollte das geschehen? „Die Verantwortlichen der verschiedenen organisch gewachsenen Netzwerke in Stadt und Region verbinden sich. Darunter verstehen wir Personen, die Netze über ihr ‚eigenes Zuhause‘ hinaus betreiben. Die einzelnen Netzwerke stellen sich gegenseitig vor. Gemeinsam beobachten wir die Entwicklungen in Stadt und Land.“ Etwas später wird noch gesagt: „Wir sind offen für gemeinsame Aktionen, lassen uns aber immer frei, was die Beteiligung angeht.“

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Keith Warrington

„Dein Reich komme!“ – Wie oft wird diese Bitte von unzähligen Christen auf der ganzen Welt vorgebracht? Sind wir uns wirklich der Tragweite dessen bewusst, was es mit diesem „Reich Gottes“ auf sich hat? Keith Warrington erklärt biblische Grundbegriffe zum Reich Gottes und eröffnet eine biblische Perspektive, wie dieses zu unserer Zeit unter uns wirken und sich ausgestalten will. Mit der Berufung des Einzelnen und der Gemeinde befasst er sich ebenso wie mit der Ausbreitung des Evangeliums von Jesus Christus, die niemals nur unter dem Blickwinkel einer „Privaterlösung“ anzusehen sei, in allen Bereichen des Lebens (Familie, Arbeitswelt, Wissenschaft und Kultur, Industrie, Technik u.a.) müssten sich die Werte des Reiches Gottes auswirken. Dafür gibt Keith Warrington praktische Tipps – überraschende, herausfordende, umsetzbare Vorschläge. „Man spürt dem engagierten Autor ab, wie er um einen neuen Aufbruch in den evangelikal und charismatisch geprägten Gemeinden, Gemeinschaften und Werken ringt. Immer wieder wird der Leser durch Beispiele aus der Praxis angesprochen oder zu einer Umsetzung aufgefordert. Ich freue mich über dieses visionär geschriebene Buch von Keith Warrington, da er damit sicher zu einer angeregten Diskussion im Land beitragen wird, einer Diskussion um die Zukunft der Gemeinde Jesu, um die Zukunft des Reiches Gottes.“ (Dr. Heinrich Christian Rust im Vorwort) – Keith Warrington und seine Frau Marion sind Neuseeländer und leben seit 1972 in Deutschland. Sie sind langjährige Mitarbeiter bei der internationalen Missionsgesellschaft „Jugend mit einer Mission“. Keith berät und begleitet Verantwortliche in Kirche und Gesellschaft. Es ist sein Anliegen, Männer und Frauen in allen Gesellschaftsbereichen anzuleiten, dort die Berufung Gottes zu entdecken und kreativ und verantwortungsvoll mit ihm zu handeln. Keith und Marion leben in Altensteig und haben vier erwachsene Kinder.

Das erwähnte Buch: Keith Warrington, „Das Reich Gottes, Die Vision wiedergewinnen“, Lüdenscheid 2011

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Was sich entwickelt hat

In den vier Jahren, seitdem diese Treffen stattfinden, ist das Bewusstsein des im dreieinigen Gott begründeten größeren Miteinanders gewachsen. Von den Treffen dieser Verantwortlichen, besonders aber dem „Tag zur Einheit“ mit jeweils 60 bis 80 Teilnehmern ist Ermutigung ausgegangen. Bewusst wurden Themen behandelt, die mit dem Reich Gottes zu tun haben und zur konkreten Situation vor Ort in Verbindung gebracht wurden. Beispiele sind „Dein Reich komme – das Evangelium vom Reich den Städten“, „Dein Reich komme, dein Wille geschehe“, „Der ganze Jesus und das ganze Reich“. Diese Themen wurden aufgefächert mit dem Blick in den persönlichen Bereich, in die Kirche und Gemeinden und in die Gesellschaft. Außerdem gab es Informationen mittels einer Präsentation zu bestehenden Gruppen und Initiativen in Stadt und Region. Bereits Bestehendes wie z.B. ein Fest zur Ehre Gottes mit einem gemeinsamen Gottesdienst auf der Freilichtbühne wurde von einem Teil des Gesamtnetzwerkes verantwortet. Dessen Kollekte zugunsten einer Initiative, die das soziale Miteinander in der Stadt fördert, haben öffentlich die Verantwortung von Christen für die Stadt dokumentiert. Zugleich konnte Neues, das von einem Teilnetzwerk angestoßen und verantwortet wurde, im Bewusstsein des großen Miteinanders wesentlich breiter als üblich unterstützt werden. So wurde eine große Pro-Christ- Regional-Veranstaltung von der Evangelischen Allianz her in diesem Netzwerk eingebunden und somit auch von römisch- katholischen Kreisen unterstützt.

Die Erfahrung zeigt aber auch, dass es für Verantwortliche nicht leicht ist, über den gegebenen ursprünglichen Bereich hinaus das Größere und Ganze im Sinn der Reich – Gottes – Dimension im Auge zu behalten. Darüber hinaus sind noch sehr viele Gesellschaftsbereiche zu wenig in diesem Kreis präsent, um die ganze Breite des Lebens wenigstens annähernd abzubilden. Dennoch ist es ein Hoffnungszeichen.

Weitere Beispiele

So ähnlich ereignet sich momentan in verschiedenen Städten und Orten etwas mit diesem größeren Horizont. Die Initiative „Gemeinsam – für …“ ist ein Beispiel. In Berlin und weiteren Städten und Orten Deutschlands sind solche Vernetzungen entstanden oder im Entstehen. Ihr spezielles Anliegen ist „die Förderung der Einheit der Christen einer Stadt mit dem Ziel, alle Menschen und Bereiche der Stadt mit dem Evangelium erreichen zu helfen.“ Der wesentliche Wurzelgrund, die unerlässliche Kraftquelle dafür ist das absichtslose gemeinsame Leben in der Gemeinschaft des dreieinigen Gottes.

Walter Goll