Die Welt ist voll…

Sr. Dorothea Vosgerau

„Die Welt ist voll der Wunden Gottes und Seiner geringsten Brüder. Jeder, der sich entzieht, tut der Liebe weh. In allem Elend aber erwartet uns Jesus. Und wo Er ist, ist die Hoffnung der Welt.“

So schrieben 1970 Brüder der Kommunität Christusträger, die in den 60er Jahren in Bensheim/Hessen aus einem Jugendkreis innerhalb der evangelischen Kirche gewachsen waren. Bereits 1963 reisten die ersten Schwestern nach Pakistan aus, um dort unter Leprakranken zu arbeiten. In der Folgezeit entstanden weitere Auslandsstationen. Heute leben und arbeiten Schwestern und Brüder an mehreren Standorten in Deutschland, in der Schweiz, in Pakistan, Afghanistan, Indonesien, Brasilien, Argentinien und im Kongo.
In diesem Jahr feiert die Kommunität ihr 50jähriges Bestehen. Wir drucken im Folgenden Auszüge aus einem Bericht der Brüder aus Kabul/Afghanistan vom April dieses Jahres ab.

„Vor dreißig Jahren begannen wir technische Geräte und Krankenhaustechnik in der afghanischen Hauptstadt Kabul zu reparieren. Zur Zeit der russischen Besatzung waren wir aus dem Westen nicht gerade willkommen; es erforderte Wachsamkeit und Umsicht, sich so zu verhalten, dass unsere Visa wieder verlängert wurden. Nach dem Abzug der Sowjetarmee 1989 lockerte sich die Atmosphäre, es wurde möglich, Lehrlinge auszubilden.

Nachdem im Jahr 1992 die Mudschaheddin Kabul besetzten, wurden in den nächsten vier Jahren zwei Drittel der Stadt in Schutt und Asche gelegt; auch um unsere Werkstatt herum gingen ca. 300 Raketen und Granaten nieder.
Viele Handwerker waren ohne Beschäftigung auf der Straße; ich holte sie in die Werkstatt, sie waren froh um ihren neuen Arbeitsplatz. Nach einiger Zeit war die gesamte Stromversorgung in Kabul für drei Jahre zusammengebrochen. Wir machten es zu unserer Aufgabe, die Notstromaggregate der Hospitäler funktionstüchtig zu erhalten. Die Präsenz von uns Brüdern und von den Kleinen Schwestern von Jesus waren in dieser Zeit für viele Menschen in Kabul ein Lichtblick. Die Gegenwart Gottes und die unzähligen Bewahrungen in Gefahr waren unsere innere Stärkung.

Nach 2002 strömten viele Hilfsorganisationen ins Land. Misereor aus Aachen war bereit, unsere Arbeit zu unterstützen und speziell unsere Lehrlingsausbildung zu fördern. So nahmen wir vermehrt die Ausbildung von Lehrlingen im Metallberuf ins Programm auf. Gute Lehrlinge bekommen nach der Ausbildung einen gebrauchten Werkstattcontainer mit Drehbank, Schweißgerät und Generator ausgerüstet und werden in den Basar entlassen. Die Maschinen und Werkzeuge sind Geschenke von deutschen Freunden aus dem Metallhandwerk, die auf diese Weise ganz besonders viel Frucht tragen.
Vor kurzem war wieder so eine schöne Übergabe. Da gerade wieder ein leerer Container auf dem Hof stand, rief ich den Betriebsrat, das sind die langjährigen Mitarbeiter, zusammen, sie sollten den Kandidaten aussuchen, der die nächste Containerwerkstatt bekommen sollte. Die Wahl fiel einstimmig auf Issa Mohammed. Er kam als Hilfsarbeiter vor ca. 7 Jahren zu uns. Mein Stellvertreter entdeckte in ihm die Begabung fürs Klempnerhandwerk. Sein oftmals trauriges Gesicht spiegelte den Schatten seiner schweren Vergangenheit wider. Wir riefen ihn zu uns und berichteten ihm, dass seine afghanischen Kollegen einstimmig beschlossen hatten, dass er die nächste Werkstatt mit Klempnerausstattung bekommen sollte. Sein Gesicht begann zu leuchten. Nach Feierabend ging er nicht nur über den Hof, nein, er schwebte beinahe vor Glück und ging erhobenen Hauptes nach Hause, um seiner 13-köpfigen Familie die Neuigkeit mitzuteilen. Den Container richtete er selber unter unserer Anleitung ein. Er hat Söhne, die er in sein neues Geschäft einarbeiten kann und wohnt in einem Neubaugebiet, wo seine Dienste gefragt sind. Wenn ich erleben darf, dass es wieder einer geschafft hat, ist das für mich die größte Belohnung aller Mühen. Nach so vielen Jahren darf ich beobachten, dass die Containerwerkstattchefs ihrerseits Gutes tun, z.B. für ihre Mitarbeiter das Brennmaterial für den Winter finanzieren. Einer hatte gerade gutes Geld von einem Auftrag eingenommen und finanzierte einer armen Familie für einen Monat die Lebensmittel. Ein anderer brachte geistig behinderten Frauen, die von einer Ordensschwester betreut werden, spontan etliche Flaschen Coca Cola mit, was große Begeisterung bei den Patientinnen auslöste.“

Unzählige solcher und ähnlicher Reich-Gottes-Erfahrungen sind in den Berichten der Schwestern und Brüder seit Beginn ihrer Tätigkeit zu lesen. Eine Schwester aus Pakistan fasst es so zusammen: „Ich danke Gott, dass wir als Schwestern- und Bruderschaft Teil Seines Reiches sind, welches Er schon hier mitten unter uns und mit uns baut, und dass das Eigentliche noch kommt.“