Aus einer Bibelarbeit zu Offb 21,1-8 Frieder Schröter
Ich kann mir gut vorstellen, dass Gott sehnsüchtig darauf wartet, dass seine Vollendung bald geschehen kann.
Worauf wartet er wohl noch? Er könnte ja wahrhaftig seine schöne neue Welt alleine machen. Aber Gott ist anders. Er wartet auf seine Menschen. Er rüstet sie zu, um sie als das neue Jerusalem, die heilige Stadt, die Braut des Lammes in diese Schöpfung hineinzusetzen wie einst den Menschen in die erste Schöpfung. So wie damals der Mensch von Gott gebraucht wurde, so jetzt das neue Jerusalem. Zu diesem Ziel baut Jesus seine Gemeinde. Zu diesem Ziel ist sie immer noch in der Werkstatt der heiligen Dreifaltigkeit. Es dauert offensichtlich ein bisschen länger, dass wir passend werden und dass wir wirklich brauchbar werden, dass er mit uns regieren kann.
Das neue Jerusalem ist keine Produktion von Menschen. Diese Stadt kommt nicht von der Erde her; sie ist kein frommer babylonischer Turm. Verborgen mit Christus in Gott, in der Brautkammer, rüstet der Heilige Geist sie zu; dort verschwinden ihre Flecken und Runzeln durch das Blut Jesu Christi; dort lässt sie sich schmücken mit seiner Gerechtigkeit; dort hat sie aufgehört, sich selbst herauszuputzen, weil sie sich von Gott putzen ließ mit den Verdiensten Jesu, mit seinen Perlen und Geschmeiden wie der verlorene Sohn.
Umsonst, ewig, ewig umsonst, wird ihr das zuteil. Immer wird sie angewiesen bleiben auf das Lamm, das auf dem Thron sitzt. Immer wird sie mit leeren Händen sein. Immer wird sie durstig bleiben nach dem Lebenswasser, das Jesus gibt, und nie mehr will sie satt werden in den eigenen frommen Erfolgen. Es geht um mehr als um Sündlosigkeit. Es geht um die Stellung zu Jesus. Wir werden Beschenkte sein im Himmel. Und nur Beschenkte werden darin Platz haben. Nur Leute, die staunen, dass sie dabei sind – ewig staunend, zahlungsunfähige Erben, keine Käufer.
Die Überwinder und Erstlinge, die diese Stadt bewohnen, haben nicht überwunden aufgrund ihrer frommen Muskeln, sondern durch das Blut Jesu und durch nichts anderes. Die Satten sind nicht dabei, nur die Durstigen mit den leeren Händen, die ewig Staunenden.
Das himmlische Jerusalem, die Brautgemeinde der Ewigkeit ist eine Stadt. Sie ist ein Organismus, eine ganze Welt, die große Gemeinde Jesu Christi.
Bei den meisten Menschen ist die Erwartung auf das ewige Leben eine ganz, ganz arme, kleine, individualistische Hoffnung; Hoffnung auf die eigene Seligkeit, auf Rettung, auf einen Platz am Tisch und ewigen Frieden. Aber die Braut Jesu Christi ist kein Einzelwesen. Die Braut ist Gemeinde Jesu; das sind die Jesusleute aller Zeiten und Zonen, Männer und Frauen aller Generationen, die ganze oft recht komische Verwandtschaft, das bunte Volk in seiner großen Vielfalt.
In den meisten Übersetzungen (Offb 20,3) steht: “Sie werden sein Volk sein,” aber im Urtext steht: „Sie werden seine Völker sein“ – eine buntfarbige Gemeinde, originell in ihrer Geschichte, wo jeder die anderen annimmt und liebt und für wichtig hält, weil sich Jesus mit dem Ganzen vermählt.
Wenn man das Bild des himmlischen Jerusalem einmal in unsere Maße überträgt, weitet sich der Blick: 2400 km breit, lang und hoch. Was da angedeutet wird im Bild, sagt, dass die Braut Jesu Christi, die neue Stadt, viel mehr ist als meiner Seelen Seligkeit.
Doch da hat Jesus sicherlich noch viel zu tun und wegzuräumen: Vorbehalte, Müll, Barrikaden; da muss noch viel eingeübt werden, vor allem die Wasserversorgung des lebendigen Wassers. Alle brauchen diese Gnade, die wir einander gönnen müssen im Blick auf alle Unvollkommenheiten, die bleiben in dieser Welt und in der Gemeinde Jesu Christi, auch die Tränen, der Schmerz und das Geschrei, von denen die Rede ist; es sind ja nicht bloß unsere körperlichen Probleme beim Altwerden, sondern unsere Probleme miteinander, unsere Gemeinschaftskrankheiten.
Die Vollkommenheit dieser Stadt, die in diesem Kubus ausgedrückt ist, in der Zwölfzahl und dann immer wieder in den Edelsteinen, Perlen, Gold, Glas, diese Vollkommenheit ist nur da, weil alles und alle umhüllt sind von der Gnade Jesu Christi. Die Gnade ist wie das Gold, das wir von ihm kaufen, und nicht das, das wir bringen. Die Gnade ist das lichte Kleid, das er an hat. Jesus ist in ihnen und leuchtet durch alle Ritzen. Er gibt das Licht und die Blätter des Lebens, von denen später die Rede ist. Er trocknet die Tränen.
Es ist interessant, dass alle Zahlen, die hier in Kapitel 21 noch genannt werden, durch drei teilbar sind. Also könnte man sagen: In allem steckt die Trinität. Ohne sie ist es nichts.
Ich glaube, wir müssten viel mehr darüber nachdenken, dass das nicht nur für uns eine Freude ist, wenn wir dann endlich dort sind, sondern ich glaube, die größte Freude wird er haben. Was wird das für ein Trinitatisfest sein, ein Jubilate, Triumph des auferstandenen und gekreuzigten Jesus. “Schaut: Ich hab´s geschafft mit diesem Material. Es hat sich gelohnt.” Der Ruf nach Adam und nach Zachäus, das Kreuz und Pfingsten, die göttliche Geduld… was für ein Fest, seine Braut!
Martin Luther King hat am Tage seiner Ermordung gesagt: “Wir werden Gottes Reich erreichen. Daher bin ich heute glücklich. Meine Augen haben die Herrlichkeit des kommenden Herrn gesehen.” In dem Zusammenhang wäre gut, wenn wir fragen: Welchen Einfluss hat eigentlich der Blick auf den kommenden Jesus und die Vollendung der Welt auf meinen Lebensstil und vielleicht auch auf meine Lebensführung?