… des Christen und der Kirche Jesu Christi
Br. Johannes Junger
Schon der Prophet Jesaja verkündigt im Auftrag Gottes: „Ich, ich bin der Herr, und außer mir ist kein Heiland. Ich hab’s verkündigt und habe auch geholfen und hab’s euch sagen lassen; und es war kein fremder Gott unter euch. Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr, und ich bin Gott“ Jes 43,11. Israel lebt als Volk unter den Nationen, als Zeuge des lebendigen Gottes. Jesus war der Zeuge Gottes, der Sohn Israels. Der Auftrag Jesu nach dem Matthäus-Evangelium lautet: „…darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker…“ Wir können nur Zeugen des Evangeliums von Jesus Christus sein, weil der Auferstandene der Herr dieser Welt und über alles erhöht ist. Die Gemeinde ist aufgerufen, der Welt das Heil zu bezeugen, Zeugnis zu geben von dem „was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir betrachtet haben und unsere Hände betastet haben, vom Wort des Lebens …“ 1Joh 1,1. Das Evangelium von Jesus Christus ist das Evangelium vom Reich Mt 4,23 u.a.. Es umfasst alle und alles. Nun gab es zu allen Zeiten die Meinung, dass jeder Christ ein Evangelist sein sollte. Es gibt das Evangelisten-Amt, die Gnade des Boten und Zeugen in besonderer Weise. Jeder Christ ist zwar Zeuge Jesu Christi in irgendeiner Art, aber nicht jeder muss evangelisieren. Christen sollen von dem Zeugnis ablegen, was sie „geschaut“ haben. Wir können verschiedene Weisen des Zeugnisse von Jesus Christus und dem Reich Gottes unterscheiden:
Das spontane Zeugnis
Die Mahnung des Apostels Paulus an seinen geistlichen Sohn Timotheus: „Predige das Wort, steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit“ 2Tim 4,2wird vor allem vom Neubekehrten in Anspruch genommen. Wer Retterliebe erfahren hat, möchte andere in diesen Bannkreis ziehen. Dies natürliche Bedürfnis des zum Glauben erweckten Menschen ist also verständlich. Sein Zeugnis ist oft sehr spontan und echt, vor allem manchmal umwerfend. Es kann Bewegungen auslösen. Es ist echt, weil es nicht verkrampft ist, sondern von der Liebe zu allen Menschen bestimmt wird. Aber es wird nicht alle überzeugen. Viele werden Argumente für oder gegen den Glauben suchen. Ein solch herzerfrischendes, lebendiges Zeugnis sollte von uns nicht verachtet werden, allerdings auch nicht verallgemeinert.
Das bewusste und vorbereitete Zeugnis
Es findet überall dort statt, wo das Zeugnis von Jesus Christus „geplant und vorbereitet“ wird. Hier sind die Evangelisationen gemeint, die Einsätze jeglicher Art. Es werden Gottesdienste auf den Straßen gefeiert, evangelistische Einsätze ausgeführt. Dazu gehört Strategie, eine Art Management. Alles läuft nach einer festen Ordnung ab. Spontanität ist meist nicht gefragt, obwohl sie nicht fehlen muss. Das Zeugnis kommt in Form von Predigt oder Ansprache, die gut vorbereitet sein will.
Das gelebte Zeugnis
Es ist das Zeugnis des inkarnierten – Fleisch gewordenen – Wortes. Hier geht es um den Alltag. Wie lebe ich als Christ im Beruf, bei der Arbeit. „Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor.“ „Einer achte den anderen höher als sich selbst“ sind Worte, die hier zeugniskräftig werden. Es ist die diakonische Seite des Zeugnisses des Evangeliums. Ein Arbeiter, der an seinem Schraubstock nicht nur die tote Materie im Auge hat, sondern weiß, dass auch darin Dienst am Menschen geschieht, ist ein solches Zeugnis ebenso wie einer, der in Achtung vor dem Leben im Straßenverkehr rücksichtsvoll fährt, oder ein Unternehmer, der durch sein Verhalten gegenüber den Partnern, den Arbeitern usw., ein kräftiges Zeugnis des gelebten Evangeliums ist. Hierher gehört aber auch das Christ- und Zeugesein in der christlichen Gemeinde. Fliehen und eine eigene Gruppe aufmachen, wenn es schwierig wird, kann jeder. Es geht um das Zeugnis des Aushaltenkönnens, um die Beständigkeit. Wenn jeden Sonntag und zu allen Feiertagen und auch an vielen gewöhnlichen Tagen Gottesdienst gefeiert wird, dann ist dies ebenfalls ein Zeugnis in dieser Welt. Wie feiern wir – die Diener, die Glieder der Gemeinde – Gottesdienst? Im Sinne von 1Kor 4,2: „Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie treu befunden werden?“ Die Treue zu unserer angestammten Kirche, unserer Gemeinde, Gemeinschaft, Bruderschaft, Kommunität, u.s.w., die Beständigkeit im Gottvertrauen und Wissen um das Ja Gottes in der Geschichte und allen Entwicklungen und Entfaltungen des Mensch- und Christseins ist hier gemeint.
Das Zeugnis des Brudermenschen
Da alles Leben zur Frucht und Ausgestaltung des ganzen Menschseins drängt, ist der Brudermensch, der Christ, der Mensch nach dem Bilde Gottes gefragt. Er ist ein lebendiges Zeugnis durch sein Sosein und Dasein. Das Zeugnis dieser Brudermenschen geschieht durch ihr unauffälliges, aber wirksames Mitten-unter-den-Menschen-sein. Wenn sie da sind, spürt man etwas von dem Eigentlichen und Bleibenden, von dem, was alles zusammenhält. Ihr Leben und Zeugnis wird zum Martyrium im ursprünglichen Sinn: Sie sind Same und Frucht, Speise und Aussaat für neues Leben. Es sind die Väter und Mütter, die wissend alles erkennen, schauen und priesterlich vor Gott bewegen und mit wenigen Worten den Weg weisen können. Es ist das Zeugnis der Reife, der Abgeklärtheit, der Geduld und Treue der Heiligen in allen Lagen und Umständen. Man muss nichts mehr betonen, unterstreichen oder klarstellen. Der Mensch ist zum Zeugnis geworden.
Das unwiderlegliche Zeugnis der einen Kirche Jesu Christi
Die ganze, eine Gemeinde muss durch ihr Dasein, durch ihr Leben und Wirken ein Zeugnis vor der Welt ablegen. Durch ihre Existenz leuchtet etwas vom ewigen Gottesreich auf. Sie feiert Gottesdienst und in ihrem Gottesdienst ist Himmel und Erde, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer Jetzt – immer Gegenwart Gottes. Die Orthodoxen Kirchen möchten besonders in ihren Gottesdiensten etwas von diesem Zeugnis darstellen. Wenn die Kirche in Einheit vor den lebendigen, dreifaltigen Gott tritt, um für alle und alles zu beten, zu glauben und zu hoffen, dann geschieht ein Zeugnis, das an das „ewige Evangelium“ der Offenbarung heran leuchtet.
Einheit in Vielfalt wird zur liebenden Annahme, wenn gilt: „Einer trage des andern Last...“ Gal 6,2, und ebenso: „Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob“ Röm 15,7. Die eine Kirche lebt nicht mehr sich selber, sondern lebt für den Herrn. Die Konsequenz ist, dass sie als Kirche und Fleisch gewordenes Wort bereit sein muss, Jesus bis Golgatha nachzufolgen, d.h. sich selber aufzugeben.
Wenn die verschiedenen Konfessionen, Gruppen und Glieder nicht mehr sich selber leben, sondern ihre Gliedschaft im einen Leib Christi als lebendige Steine im Tempel Gottes erkennen, sind sie die Grundfeste der Wahrheit 1Tim 3,15. Ihr gemeinsames Zeugnis vom Evangelium Jesu Christi wird die Welt vor die Entscheidung führen: für oder gegen den Christus Gottes. Die Menschheit geht im Zuge der Globalisierung mit eilenden Schritten auf große Vereinigungen und Zusammenschlüsse zu, aber sie wird nicht Frieden, Gerechtigkeit und Freude finden, es sei denn durch den Heiligen Geist und durch Menschen, die vom Heiligen Geist erfüllt sind. Die ganze christliche Gemeinde ist mehr als zu allen Zeiten herausgefordert, alles fahren zu lassen, allem zu widerstehen, was das eine Zeugnis an Christenheit, Menschheit und Welt unglaubwürdig macht. „Wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft…“ 1Kor 12,13 heißt doch: Wir sind hineingestorben in den einen Christusleib, damit wir als lebendige Glieder Zeugen des lebendigen Gottes seien, eine Stadt auf dem Berge, Licht und Salz inmitten der ganzen Menschheit.
Zum Schluss sei noch gesagt, dass es im Dienst des Evangeliums Wachstumsstufen gibt. Im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung gilt es weiterzuwachsen, damit Christus Gestalt gewinne in jedem einzelnen und der einen Kirche.