Schwester Hiltrud Priebe

Der Versöhnungstag – Jom Kippur – ist der letzte der zehn Bußtage im jüdischen festkalender und der bedeutsamste aller jüdischen Feiertage. Ununterbrochen ziehen sich durch den ganzen Tag Gottesdienste, die ihren Höhepunkt und Abschluß im Blasen des Horns – “Schofar” – finden. Es ist, wie ein Rabbiner bemerkt, als ob in jenen letzten Augenblicken die Zehntausende von Worten, die während des ganzen Tages gesprochen wurden, schließlich ihre Kraft verlören. Wir geben sogar die menschliche Stimme und Ausdrucksweise auf. Wir greifen nach dem “Schofar” und blasen einen langen durchdringenden schrillen Schrei… Dies schließlich muß den Himmel aufreißen (S.Schwarzschild).

Zum Abschluß folgt eine

Lesung, die die Versöhnung mit Gott noch einmal anschaulich werden läßt. Es ist eine Zusammenstellung von biblischen Versen im Sinne eines Dialogs zwischen Gott und Israel, zwischen Gott und jedem einzelnen Menschen. Der Dialog folgt den Stufen dieser Beziehung durch den Weg des Lebens als einer Beziehung der Liebe, die Entfremdung und Versöhnung kennt.

Aus der Liturgie des Versöhnungstages:

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Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich bestimmt (Jer 1,4f).

Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog,
mich barg an der Brust der Mutter… Sei mir nicht fern (Ps 22,10.12).

Wie eine Mutter ihr Kind tröstet, so will ich euch trösten (Jes 66,13).

Denk nicht an meine Jugendsünden und meine Frevel,
sondern gedenke meiner in Liebe (Ps 25,7).

Ich gedenke deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit,
wie du mir in der Wüste gefolgt bist, in ein Land ohne Aussaat (Jer 2,2).

Was habe ich Himmel außer dir? Außer dir habe ich nichts auf der Erde.
Mein Leib und mein Herz mögen zunichte werden, aber Gott ist der Felsen meines Herzens und mein Anteil auf ewig (Ps 73,25f).

Ich traue dich mir an auf ewig. Ich traue dich mir an mit Recht und Gerechtigkeit, mit Liebe und Erbarmen.
Ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue,
dann wirst du den Herrn erkennen (Hos 2,21f).

Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist,
wohin mich vor deinem Angesicht flüchten?
Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort;
bettete ich mich in der Unterwelt, bist zu zugegen (Ps 139,7f).

Ich wäre zu erreichen gewesen für jene, die nicht nach mir fragten,
ich wäre zu finden gewesen für die, die nicht nach mir suchten.

Ich sagte: “Hier bin ich”, “hier bin ich” zu meinem Volk, das meinen Namen nicht anrief (Jes 65,1).

Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum,
um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen.
Nach dir schmachtet mein Leib
wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser (Ps 63,3.2).

Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet,
so erhöre ich euch. Sucht ihr mich, so findet ihr mich.
Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir sucht,
lasse ich mich von euch finden (Jer 29,12-14).

Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin,
verlaß mich nicht, wenn meine Kräfte schwinden (Ps 71,9).

So alt ihr auch werdet, ich bleibe derselbe,
und wenn ihr grau werdet, werde ich euch stützen.
Ich habe es getan und ich werde euch weiterhin tragen,
ich werde euch stützen und retten (Jes 46,1).

Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten.
Du leitest mich nach deinem Ratschluß und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit (Ps 73,23f).

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