Michael Decker

Während meiner Studentenzeit wurde ich öfter gefragt: „Hast du dich bekehrt?“ An den Eingängen der Hörsäle standen manchmal Kommilitonen, die uns in Glaubensgespräche zu verwickeln suchten: „Wann hast du dich bekehrt? Kennst Du Jesus Christus?“ Da ich mich durchaus bekehrt wusste und doch diese direkte Art unangenehm aufdringlich fand, machte ich gewöhnlich einen weiten Bogen um diese Missionare.
Aber wie ist es denn wirklich mit der Bekehrung? Wer verwendet dieses Wort überhaupt noch? Wer davon redet, wird schnell in eine bestimmte Schublade gesteckt. Die Sprache scheint den Evangelikalen oder den Fundamentalisten zu verraten.


In den Quatemberboten dieses Jahrgangs entfalten wir, was mit Bekehrung, Abkehr und Hinkehr im Sinn des Oekumenischen Christusdienstes gemeint ist. Bekehrung umfasst mehr als die persönliche Umkehr des Einzelnen. Sie erweitert sich, wenn ein Mensch in der Nachfolge Christi wächst und vorangeht.
Grundlegend ist sicher die erste Begegung mit dem Anruf und der Erfahrung der Gegenwart Gottes. Von dieser grundlegenden, entschiedenen Hinkehr zum dreieinigen Gott geben die Autoren dieses Heftes Zeugnis.
Doch darin liegt erst ein Anfang. Wer Jesus Christus immer mehr kennen lernt und liebt, geht mit ihm weiter. Auf die ersten Schritte folgen weitere Bekehrungen: die Hinkehr zum Menschsein und zur Welt, die Hinkehr zum ganzen Leib Christi und schließlich die Hinkehr zum Willen Gottes.

Ergriffen von der umfassenden Liebe Gottes

Von Umkehr spricht die Bibel. Viele Personen aus dem Volk Gottes haben eine Kehrtwendung vollzogen – weg von einem gottvergessenen und gottlosen Leben hin zu einem Leben des Glaubens und der Nachfolge. Sie erlebten ihre Bekehrung als ein Geschenk der Gnade, das sie dankbar annahmen. Manche berichten, dass ihre Bekehrung ein langsamer, manchmal jahrelanger Weg ist, auf dem Glaube und Vertrauen wachsen. Andere erzählen, wie sie von der Wahrheit und Liebe Gottes plötzlich ergriffen wurden und gar nicht mehr anders konnten, als sich von ihrem früheren Eigenleben abzuwenden und Gott völlig zu überlassen.
Bei vielen verlief die Hinkehr zu Gott mehr unbewusst, oft angestoßen durch die (Kinder-) Taufe und ein christliches Elternhaus und Umfeld. Vielen ist es gar nicht möglich, einen bestimmten Zeitpunkt für ihre Glaubensgewissheit zu nennen. Für manche steht eine Sündenerkenntnis und Beichte am Anfang. Für andere ist das Ergriffensein von der umfassenden, heilenden Liebe des dreieinigen Gottes entscheidend.
Wichtiger als die Art und Weise oder die Umstände der Bekehrung ist das neue Leben, das mit der entschiedenen Zuwendung zu Gott beginnt. Auf dem weiteren Weg ist es immer wieder notwendig, sich von allem, was Gott nicht gefällt, abzuwenden und um die Gnade zu bitten, aus aller Trennung zurückzufinden in die Gemeinschaft mit ihm.
Jüngerschaft – ebenso wie Freundschaft, Elternschaft oder Bruderschaft – lebt davon, dass die Personen einander aufmerksam zugewandt bleiben, dass sie ihr Leben teilen und ihr Vertrauen vertiefen. Bekehrung ist dabei meist ein Anfang oder eine wichtige Weichenstellung auf dem Nachfolgeweg. Der ersten Bekehrung zu Gott, dem Schöpfer und Vater, zu Jesus, dem Erlöser und Heiland, zum Heiligen Geist, dem Helfer und Tröster, folgen weitere Schritte. Die erste Bekehrung wächst und entfaltet sich weiter.