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Ein Christenmensch weiß sehr wohl um die Bedeutung des Kreuzes auf Golgatha: dass Jesu Leben im Tod seinen Höhepunkt fand. Dort vollendete sich die Rettungsabsicht Gottes. Solches bezeugt uns der Ausruf Jesu: Es ist vollbracht. Damit meinte er nicht das Ende des Leidens, sondern den Einbruch der Ewigkeit in die Zeit. Hebr 10,14 bezeugt: Mit einem Opfer hat Christus in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden.

Ich habe mich sehr abgemüht, das Geheimnis des Opfers in der Tiefe zu erfassen. Der Verstand kommt aber zu keinem Ergebnis. Da sind die Tier- und Menschenopfer der Geschichte eher abstoßende Vorgänge. Auch widersinnige Prinzipien des Lebens, wie „Töten um zu leben“ produzieren Abscheu.
Ein dünner Dämmerschein erhellt ein wenig das Dunkel, wenn man sich damit beschäftigt, „wie sonst“ sollen Lebens‑ probleme gelöst werden.

Systeme, Verträge, Gesetze und Vorschriften – kurzum menschliche Fertigkeiten sind immer kurzlebig, geschweige denn, dass z.B. durch „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ Frieden in der Welt hergestellt würde. Wahre Lösungen sind eher denkbar, wenn sich Menschen total einer Sache hingeben. Einsatz der eigenen Person könnte ein Weg zum Geheimnis des Opfers sein. Das Alte Testament verweist auf eine spezielle Art des Opfers, nämlich als notwendiges Mittel, um den Menschen wieder in Verbindung mit Gott zu bringen.
Die gestörte Beziehung zu Gott ist der Menschheit seit Urzeiten sehr wohl bewusst. Daher rühren alle Opfer-Riten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass im Alten Bundesvolk jeglicher Opfergegenstand zum Träger des Opfernden geworden ist. Dafür zeugen bestimmte Festlegungen, wie das Auflegen der Hände auf das Opfer, wie die fehlerfreie Qualität des Opfers, wie die Erstlinggabe u.a.

Die Verschmelzung des Opfers mit dem Opfernden hat schon eine gewaltige Bedeutung. Da wird nichts gemacht, wie der Wortbegriff fälschlicherweise zum Ausdruck bringt (Opfer kommt aus dem Lateinischen „operari“ – was bedeutet: etwas machen). Bei einem Opfer macht der Opfernde nichts im Sinn von Tun, sondern er selbst gibt sich hin. (17)

Nach dem Versuch, den Opferbegriff intensiver anzusehen, muss der Opfertod Jesu mit dem Herzen fassbarer werden. Dabei möchte ich daran erinnern, dass in der Person Jesu zwei ausschlaggebende Seinsweisen zusammentreffen: 1.) der Men-schensohn und 2.) der Gottessohn.
Im Menschensohn Jesus verwirklichte sich die Schöpfungs-absicht des Vaters, so wie sie in Adam (= Mensch) vor dem Sündenfall gewollt war. So wurde in Jesus und durch Maria der wahre Mensch, d.h. ohne Sünde. Im Gottessohn Jesus verkörperte sich der Erlösungswille des Vaters. Deshalb wurde sein Leben und Wirken durchgehend davon geprägt. An seiner Verkündigung fällt auf, dass er immer vom Vater spricht und nicht über den Vater, ja er bekennt sich total identisch mit ihm (Wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat – Joh 12,45). Manchmal stehen in Jesus sich der Menschensohn und der Gottessohn wie gegenüber, was am tragischsten auf Golgatha zum Ausdruck kommt. Dort fragt der Menschensohn verzweifelt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen (Mt 27,46)? Dass mit der Geburt Jesu lediglich ein Profet oder ein Weisheitslehrer auf die Welt kam, war von allem Anfang an klar. Es war vor allem Jesus selbst klar, dass sein diesseitiges Leben auf den Opfertod zuging. Es mag tausende andere Opfertode geben – alle sind befleckte Opfer.

In Jesus trat ein reines makelloses Opfer, ein Erstlingsopfer in die Welt und wurde so zum „Lamm Gottes“, das der Welt Sünde trägt. 2Kor 5,21: Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht. Im Opfertod Jesu begegnen sich tatsächlich und endgültig Gottheit und Menschheit zu einem erstmals unauflöslichen und ewigen Bund. Und damit verbunden ist der Startschuss für die Neuwerdung der Welt. Im römisch-katholischen Katechismus ist bezeugt: Der Tod Christi ist das österliche Opfer. Dieses Opfer ist einmalig; es vollendet und überholt alle Opfer. Und so steht es in Hebr 9,23-28: …am Ende der Welt ist Christus … einmal erschienen, durch sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben. (18)

ANMERKUNGEN

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(17)

„Ein Opfer bringen“ – das heißt: „mich bringen“. Der Zusammenhang des römischen „operari“ mit dem Wort „operieren“ macht deutlich, wie fehlerhaft das Wort „Opfer“ ist. Da wäre alles Operative in die Kategorie Opfer einzureihen. Der katholische Sprachgebrauch „aufopfern“ kommt der Sache näher, weil hier der Einsatz der ganzen Person gemeint ist.

In manchen kirchlichen Liturgien begegnet uns der Opferbegriff auf vielfache Weise. Immer will er die Ganzhingabe zum Ausdruck bringen. So findet man die Zehntengabe liturgisch bedankt und dazu ein Bekenntnis gesprochen: Wir erheben diese Gaben zum Zeichen, dass wir dir (o Gott) gehören für Zeit und Ewigkeit.

Natürlich erhebt sich die Frage im säkularen Leben, ob es auch Opfer geben kann, die Menschen zulieb gebracht werden. Ich neige dazu, bei solchen Opfern die Gottesbeziehung zu glauben. Es gibt kein wahres Opfer ohne Liebe und Gott ist die Liebe. Jesus setzt solche Beziehung unerwartet in Kraft: Ich war hungrig gewesen und ihr habt mir zu Essen gegeben. Und die Jünger fragen erstaunt: Wann denn?

Und schließlich verweist uns die große Welle der Unglücke auf die Verwendung des Wortes „Opfer“. Das sind also solche Menschen, die selbst Opfer wurden – ungefragt und ungewollt. Diese Gruppe bringt demgemäß kein Opfer, sondern ist es. Damit haben wir wieder den nun häufig erörterten Tatbestand: Mit und in einem Opfer geht es immer um das Sein oder die Existenz des Menschen. Ein Todesopfer bei einem Unglück – mag es gläubig sein oder nicht – gerät damit in die Bezugslinie zwischen Mensch und Gott. Und es gilt als sicher, dass sich auf dieser Linie – uns Hiesigen schwer verstehbar – entscheidende Gottesbeziehungen entstehen können.

Reine Wohltaten oder Almosen gehören zu einer anderen – auch wichtigen – Kategorie. Diese kleinen Anmerkungen über das Opfer schließe ich mit einem Vers aus dem wunderbaren Paul-Gerhardt-Lied „Die güldne Sonne“:

Lasset uns singen, dem Schöpfer bringen Güter und Gaben, was wir nur haben, alles sei Gotte zum Opfer gesetzt! Die besten Güter sind unsre Gemüter, dankbare Lieder sind Weihrauch und Widder, an welchen er sich am meisten ergötzt.

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(18)

Den Tod Jesu als die Rehabilitation für die gefallene Welt erklären zu wollen, wird weithin auf Unverständnis stoßen. In der Tat ist das auch ein müßiges Unterfangen, weil diesem Prozess ein Mysterium zugrunde liegt. Auch ich ahne bei allem Unerklärbaren die vom Menschen selbst aufgerichtete Barriere (der Sünde), die ihn hindert, nach den Sternen zu greifen. Schlichter ausgedrückt, dünkt es uns Menschen sogar als Hilfe, nicht über alles Bescheid zu wissen. Und doch gibt es kleine Gucklöcher, durch die ein Schimmer von Einsicht durchzurutschen vermag.

So dämmert im Zusammenhang mit Gott das Wort Gerechtigkeit auf. In 2.Kor 9,9 lesen wir: Seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit. Weil Gott nicht nur gerecht ist (d.h. damit eben auch richtig), sondern in seinem Wesen Gerechtigkeit ist, sorgt er selbst für Recht. Diese Gottesgerechtigkeit wird in der Hingabe des Sohnes bei seiner Menschwerdung erstmalig handgreiflich und vollendet sich auf Golgatha. So verkörpert sich im Tod das Heil – für die Lebenden und die Toten, für die Erde und den Kosmos. Diese eigenartige Kombination führt dazu, dass Leben und Tod auch bereits im irdischen Dasein ineinander greifen. Der Mensch kann sich quicklebendig wissen, ist aber schon längst dem Tod verfallen. Auch der Gläubige hat zur Voraussetzung, mit Christus gestorben zu sein. So wird der Raum des Todes nicht ein Nichts sein. Alle Kulturen wussten um das Totenreich, also um eine dem Menschen verschlossene Zone. Ich bin davon überzeugt, dass der tote Jesus gemäß dem kirchlichen Bekenntnis hinabstieg in das Reich des Todes, denn er ist für alle und alles gestorben (1Petr 3,19-20). Demgemäß bewegen sich auch die Elemente und die Veränderungen im Kosmos (Sonnenfinsternis / Erdbeben) und begleiten den „toten“ Jesus. Hier erlaube ich mir eine Privatoffenbarung zu Papier zu bringen: Anlass dazu lieferte mir die Nano-Physik einerseits und andererseits die Namensbedeutung vom Wort „Tod“. Das althochdeutsche Herkunftswort heißt „taup“ und könnte dekliniert werden mit „betäuben“. Der Tod versetzt also den Menschen in eine andere Seinsweise. Schon die Genetik hat festgestellt, dass die Anlagen eines Individuums, die bekanntlich in der DNA-Spirale fixiert sind, auch in dessen sterblichen Überresten vorhanden sind. Da gibt es einen Zusammenhang mit jener Veröffentlichung in den 80er Jahren, wonach alle Gene aller Menschen aller Zeiten in einen Fingerhut passen. Der Tod kann demgemäß nicht vernichten, sondern nur total verändern. Hierher passt der Begriff von der Verwandlung und Überkleidung (2.Kor 5 und Hebr 12,27).

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