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Das Gebet beginnt mit einer gewohnten Anrede: HERR.
Sie soll aber nicht nur einen Kontakt eröffnen, wie das im säkularen Bereich der Fall ist, sondern die Augen der Betenden öffnen. „HERR, wir schauen auf dich“. So versuchen wir, Gott zu erkennen, der sich in seinem Sohn Jesus erschauen lässt.

Wie selbstbezogen sind oft Gebete. Aufgestaute Anliegen drängen aus dem Herzen. Das 11-Uhr-Gebet setzt jedoch fast voraus, wie Johannes, der Seher, nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare zu schauen (2Kor 4,18). Johannes bezeugt in seiner Offenbarung, dass er im Geist war. Als solcher sieht er Jesus in seiner Glorie (Offb 1,13-16). Das kleine Wort HERR setzt förmlich die Richtung des Gebets fest. Die Betenden bereiten sich damit auf eine Begegnung mit Gott vor. ER ist die Autorität, die es zu würdigen gilt. (1)
Er ist der HERRliche und über allem waltend. Oft erlebt man Gebete, die davon fast nichts wahrnehmen lassen, sondern Gott nur als das große Hilfswerk anreden. Wer sich etwas mehr Zeit zum Beten nimmt, dem sei empfohlen, vor Beginn des Einheitsgebets Ps 50,1-6 zu lesen. Wenn wir also Herr Jesus Christus aussprechen, sollten wir gleichzeitig das Herz Ähnliches mitsprechen lassen; etwa: Du bist der Erste und der Letzte; Deine Herrlichkeit ist Ewigkeit. Nur so entsteht Atmo-sphäre der Anbetung, worüber später noch zu lesen sein wird.
Bleibt noch zu beachten, dass die „Beteiligung“ des Heiligen Geistes alles Beten erst ermöglicht und besonders biblisch dort bezeugt wird, wo es um die Nennung Jesu als Herrn geht. So lesen wir im 1Kor 12,3: Niemand kann Jesus einen Herrn heißen außer durch den Heiligen Geist. (2)

Ich selbst bin zutiefst bewegt davon, dass der HERR einer ist, der die Himmel durchschreitet, also wirklich erhaben ist und über allen irdischen und überirdischen Größen, Maßstäben, Ordnungen, Geheimnissen waltet.
Er ist der – um Goethe zu antworten -, der die Welt im Innersten zusammenhält.

ANMERKUNGEN

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(1)
Für den Menschen des 21. Jahrhunderts schrumpft der Begriff HERR zu einem Signal für den männlichen Zeitgenossen zusammen. Bei dieser Begrenzung eines Namensinhaltes geht natürlich der ursprüngliche Sinn verloren. Ursprünglicher Sinn bestand bei „Herr Jesus Christus“ nicht im Hinweis, dass es sich um einen Mann handelt. Ursprünglicher Sinn bestand auch nicht im Herrentum des Adels oder des Besitztums, wo sich hinter HERRSCHAFT die Machtpotentiale aufbauten.
Sucht man nach der Wortentstehung, so entpuppen sich neue Perspektiven. Dem modernen Christen täte es gut, mehr in die Tiefe der Bedeutung von Gottesbezeichnungen einzutauchen, speziell nun zu dem Namen HERR, wie wir ihn im deutschen Sprachraum verwenden.
HERR ist ein typisch deutsches Wort und leitet sich vom mittelhochdeutschen HEHR ab. Damit leuchtet ein Wesenszug Gottes auf. HEHR taucht z.B. in Ps 111 auf: ER sendet eine Erlösung seinem Volk, er verheißt, dass sein Bund ewiglich bleiben soll. Heilig und hehr ist sein Name.
Oder Schreibers Bundeslied (1812), vertont von Silcher, eröffnet den ersten Vers mit diesem Wort: Hehr und heilig ist die Stunde, Brüder, die uns heut vereint ….
Die moderne Sprache muss sich solche Sinnfindung mühsam erarbeiten. Am intensivsten vermag das Wort HERRLICH, das sich auch von hehr ableitet, den Sinn zu verdeutlichen.
„Herrlich“ ist etwas nicht Machbares; nicht weiter Erklärbares; außerhalb der eigenen Existenz; hoch erhaben; noch nie erlebt.
Im altgermanischen Sprachgebrauch wurde der oder die Älteste als hehr bezeichnet, also jemand, der einen ganzen Lebenslauf hinter sich hat; der allen voran gelebt hat.
Plötzlich verwandeln sich Begriffe. Aus dem Herrn wird Anbetungswürdiges, wird der Anbetungswürdige.
Eindeutig ist in der deutschen Historie auch der im Hause Waltende gemeint. Jesus sagt einmal: In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Plötzlich wird die deutsche Übersetzung „HERR“ zu einer Hilfe, um den treuen und alles im-Auge-habenden Gott zu erkennen.

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(2)
Im Hebräischen ist die Gottes-Bezeichnung keine Bezeichnung. Das Wort JAHWE umschreibt nur und ist eine Verlegenheitslösung. Oft so zwischendurch tauchen in der Bibel Beschreibungsversuche für Gott auf. Da wird von dem, der da war und der da ist und der da kommt geschrieben. Beim hebräischen Verlegenheitswort JAHWE handelt es sich um eine Kunstform, weil der, der sich als „Ich bin“ bezeichnete, sich nicht von Menschen auf logische Weise festlegen ließ. ER ist eben immer größer. Aber allein schon der geschriebene Begriff (ausgesprochen werden durfte er nicht) signalisiert nicht einen fernen oder nebulösen Gott. Das Alte Bundesvolk hat seine Nähe erleben dürfen – den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Wunderbar passt hier der Vers: Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Dies Staunenswerte über alle Sprachgrenzen hinweg finden wir ebenso im römischen Wort DOMINUS. Mit diesem Begriff ist der im Haus Waltende, also eine Autorität gemeint, die sich „im Hause Gottes“ überall auskennt und damit Anlaufstelle für alle Notwendigkeiten des Hauses ist. Auch die griechische Wortbildung, nämlich KYRIOS, verweist nicht auf einen obersten Befehlshaber oder eine oberste Instanz. Bei KYRIOS gibt es zwei Herkunftslinien zu beachten. Einmal begegnet uns eine griechische Übersetzung des Namens JAHWE und zum anderen war KYRIOS im vorchristlichen Griechenland die vorherrschende Bezeichnung für den Hausvater. Damit bekommt unser Bild von Gott Distanz und Nähe gleichzeitig. Es ereignet sich das Staunen vor dem Gott, der Himmel und Erde gemacht hat (Eph 3,9) und gleichzeitig gegenwärtig ist.
Hier sei ein etwas abschweifender Gedanke zu unserem Wort KIRCHE erlaubt, was ja mit KYRIOS zusammenhängt und zur Wortbildung KYRIAKON (d.h. „zum Herrn gehörig“) führte. Leider hat sich der Begriff KIRCHE im wahrsten Sinn des Wortes versteinert. Man geht in die Kirche – in ein Gebäude, in eine Veranstaltung. Was aber wirklich gemeint ist und neue Perspektiven des Lebens zutage fördern kann, wäre das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit von allen und allem mit dem lebendigen Gott (siehe 2. Betrachtung). Beide Namensinhalte verbieten es also, unser deutsches Wort HERR mit Herrentum guter und schlechter Färbung zu verbinden.

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