„Vereinige uns und alle … zu Gottes alleiniger Ehre“
Michael Decker
Die Bitten des Einheitsgebetes haben ein Ziel: Jesu Blut komme über alles und er vereinige uns und alle … zu Gottes alleiniger Ehre. Damit ist der höchste Gipfelpunkt erreicht. Alles, was Menschen bewegt und was sie erbitten, das möge Gott einzig und allein erfüllen, damit sein Name gerühmt wird und seine Absichten zum Ziel kommen.
Der Gottesdienst des alten Bundesvolkes kannte diese Gottes(ver)ehrung bereits in vielen Ausdrucksweisen. In den Psalmen wird die Ehre des Höchsten, des Herrn, besungen und angebetet:
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„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk“
(Ps 19).
„Bringet dar dem Herrn, ihr Himmlischen, bringet dar dem Herrn Ehre und Stärke! Bringet dar dem Herrn die Ehre seines Namens, betet an den Herrn in heiligem Schmuck!“
(Ps 29)
„Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!“ (Ps 26)
„Gelobt sei Gott der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut! Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande sollen seiner Ehre voll werden! Amen! Amen!“
(Ps 72)
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Das ist der wahre Sinn unseres Daseins, dass wir alle und alles, uns selbst eingeschlossen, in Verbindung zu Gott bringen lassen. Mit Herzen, Mund und Händen, mit allerlei Instrumenten, auf Knien oder im Liegen, tanzend oder einfach nur still darf das Gotteslob dargebracht werden. Alles lebe zur größeren Ehre Gottes.
Seit dem vierten Jahrhundert n.Chr. wurde es liturgischer Brauch, die Psalmen und Wechselgesänge mit der Anbetung des dreifaltigen Gottes abzuschließen:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit.
Was für manche wie eine Formel klingt, ist in Wahrheit das vollkommenste Gebet, das in menschlichen Worten gesprochen werden kann. Es bekundet reine Liebe. Denn dieses Gebet gehört zu den ganz wenigen, in denen wir mit unseren Anliegen, Bitten und Wünschen völlig in den Hintergrund treten. Selbst im „Te Deum“ – dem großen Gloria des Gottesdienstes – schwingt noch das Wir der Gemeinde mit: „Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an.“ Doch in der Anrufung zu Gottes alleiniger Ehre ist die Bezugnahme auf den Menschen aufgegeben. Uneigennützig und selbstlos denkt der Betende nicht mehr an sich, sondern ist nur noch Auge und Ohr, Herz und Sinn für den Lichtglanz und die Schönheit Gottes.
Wie schwer das fällt, spiegelt sich im Evangelium von den zehn Aussätzigen (Lk 17,11ff) wider: Zehn aussätzige Männer liefen Jesus über den Weg und riefen ihn an, sich ihrer zu erbarmen. Jesus erhörte sie und schickte sie zu den Priestern, um sich die empfangene Heilung bestätigen zu lassen. Aber nur einer, ein Samariter, kam zurück und bedankte sich. Und Jesus fragte ihn: „Wo sind die anderen neun? – Fand sich sonst keiner, der umgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?“
Es ist anzunehmen, dass Jesus betrübt war – nicht weil es die Geheilten an Dankbarkeit fehlen ließen, sondern weil diese Art, um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu kreisen, Jesu Wesen fremd war. Jesus blieb dem Vater immer und überall nahe. Weder in den Stunden der Versuchung noch im Lichtglanz der Verklärung auf dem Berg ließ er sich von dieser Verbundenheit abbringen. In jedem Moment strahlte die Herrlichkeit Gottes in ihm und durch ihn, so dass glaubende Menschen erkannten: Er ist die alleinige Ehre Gottes, eine Offenbarung der herrlichen Gegenwart des Vaters. – „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).
Dieses Glaubensbekenntnis konnte auch durch die Passion nicht entkräftet werden. Im Gegenteil: Es gehört zur tiefsten Gewissheit des christlichen Glaubens, dass sich Gottes Herrlichkeit gerade dort offenbart, wo die Lage hoffnungslos erscheint und wo alle menschlichen Rettungsmöglichkeiten erschöpft sind. Wiewohl der Kreuzestod schrecklich ist, wurde doch das Kreuz Jesu zum Siegeszeichen. Weil Jesus in selbstloser und reiner Liebe sein eigenes Ich in die Hände des Vaters übergibt zur alleinigen Ehre Gottes, darum nimmt er dem Tod die Macht und bringt das unvergängliche Leben ans Licht.
Das Einheitsgebet bringt unsere Anliegen in diese Ausrichtung auf die Herrlichkeit Gottes und damit ganz auf die Spur Jesu. Wer mit Jesus zur alleinigen Ehre Gottes betet und lebt, stimmt dem Weg der Übernahme des Kreuzes und der Kreuzesnachfolge zu. Er erklärt sich immer wieder neu dazu bereit, mit ihm so eins zu werden, dass nicht mehr er lebt, sondern Christus in ihm.
„So verkündigen wir nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn…er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes im Angesicht Jesu Christi“
(2 Kor 4,5f).
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Dich lobt der Apostel glorreicher Chor, dich der Propheten ehrwürdige Zahl, dich der Märtyrer weiss-Strahlendes Heer, dich bekennt die heilige Kirche durch alle Welt; Dich, den Vater unendlicher Majestät, deinen anbetungswürdigen, wahren und einigen Sohn samt dem Heiligen Geiste, dem Tröster.
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Gottes Ehre – Seine Herrlichkeit
Dorothea Vosgerau
Wir bringen Anbetung, Dank und Bitten in diesem Gebet nicht aus uns heraus vor Gott, sondern um Ihm die Ehre zu geben. Das schützt uns vor dem Beten aus falschen Motiven, es hilft uns zum Beten „im Namen Jesu“, dem Erhörung verheißen ist. In diesem Sinne habe ich diese Worte bis heute verstanden und gebetet.
Aber das Wort Ehre – ein langjähriger Mitarbeiter wird von seiner Firma geehrt – hat für mich doch eine wenig aussagekräftige Bedeutung. Vermutlich war das in früheren Generationen anders. Erst seit ich in der Bibel nach dem Hintergrund des Wortes Ehre gesucht habe, ist mir ein Reichtum aufgeleuchtet, den ich kaum zu fassen vermag. Im Alten und Neuen Testament gibt es je ein eigenes Wort für das, was in deutschen Übersetzungen häufig mit „Ehre“ übertragen ist, das in seiner sprühenden und unsern Horizont sprengenden Lebendigkeit und Tiefe aber für uns heutige Menschen mit „Ehre“ einfach nicht angemessen wiedergegeben wird.
Vielleicht ruft das Wort „Herrlichkeit“ am ehesten das in uns wach, was im Alten Testament mit diesem hebräischen Wort gemeint ist. Wenn wir uns einmal die Mühe machen, eine Konkordanz aufzuschlagen, und die vielen Stellen unter dem Stichwort „Herrlichkeit“ durchschauen, wird uns in die Augen springen, dass es sich nicht um Herrlichkeit im Sinne von Schönheit und Pracht allein handelt, sondern ebenso um wunderbare Taten, die Gottes umgreifende Macht bezeugen – eine Macht, die dem sündigen Menschen auch Furcht einflößt, wie z.B. Blitz und Donner. Herrlichkeit hat eigentlich nur der Schöpfer aller Dinge. Alle irdische Herrlichkeit ist lediglich ein schwacher Abglanz dessen, was die Herrlichkeit Gottes im Sein und Tun umfasst.
Mit diesem prallen Inhalt gefüllt benutzt Jesus das Wort Herrlichkeit und weitet seine Bedeutung zugleich aus, indem er es vor allem auch auf die Realität bei Gott vor und nach unsrer irdischen Zeit bezieht und damit eine Wirklichkeit anspricht, die wir in dieser Weltzeit – wie der Apostel Paulus sagt – nur wie in einem dunklen Spiegel ansatzweise erkennen können. Gemeint ist die Herrlichkeit, die Jesus vor der Erschaffung der Welt beim Vater hatte, und die Herrlichkeit, in die er nach seiner Auferstehung wieder eingegangen ist und aus der er wiederkommen wird.
Die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas beschreiben das, was mit Herrlichkeit gemeint ist und nur einmal für drei auserwählte Jünger – Petrus, Jakobus und Johannes – ins Irdische hinein durchgedrungen ist, in ihrem Bericht von der Verklärung Jesu. Da ist von Licht, Helle und Reinheit die Rede, wie man sie auf Erden nicht kennt. Deshalb überfällt die drei Jünger laut Bericht eine tiefe Verstörung. Sie wissen nicht, was sie sagen und tun sollen.
Wie spannungsvoll sich diese Herrlichkeit im irdischen Leben Jesu vor den Augen der Zeitzeugen auswirkte, versucht der Evangelist Johannes deutlich zu machen. Er gebraucht den Begriff der „Doxa“ – wie das Wort im Griechischen heißt – zur Beschreibung einer Tätigkeit. Im Hohepriesterlichen Gebet Jesu Joh. 17,1-5 lesen wir:
„So redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das aber ist das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“
Jesus spricht dieses Gebet unmittelbar vor seinem Opfertod am Kreuz. Mit seinem Gebet „Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn…“ bittet er darum, dass der Opfertod am Kreuz nun stattfinden möge. Damit verherrlicht der Sohn den Vater – damit ehrt er den Vater. Und so wird die Tiefe der Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen offenbar, indem Gott den äußersten Schmerz der Entfremdung in sich aushält, um alle heimzuholen in sich. – Aus der Tiefe der Nacht ruft Jesus am Kreuz mit dem Psalmisten:„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, und gibt sich ihm doch vertrauend hin: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ So spannungsgeladen sieht die Verherrlichung Jesu aus. Und durch diese Zerreißprobe hindurch verherrlicht der Vater den Sohn.
Ahnen wir nun, warum der Apostel Paulus sagen kann: „Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“ (2Kor 4,17)? Ein Nachfolger geht ohne Abstriche hinter Jesus her – auch und gerade in und durch die Tiefen und Höhen.
Bei Jesus liegt die Verherrlichung nicht in ihm selbst, sondern beim Vater. Und wenn einem Menschen die Hingabe seines Lebens hinter Jesus her geschenkt wird, ist auch das immer eine Verherrlichung, die Gottes Herrlichkeit widerspiegelt. Wie schon das Alte Testament bezeugt, ist diese Herrlichkeit nicht nur Schönheit und Pracht, sondern auch tiefes Leiden und Verlassensein. In dieser Form ist sie vom sündigen Menschen nicht als Herrlichkeit zu erkennen . Dem Glaubenden aber kann sie sich erschließen. Und ihm ist deutlich, dass sie Gottes „alleinige“ Herrlichkeit ist. Darum heißt es in Psalm 115: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deiner Gnade und Treue willen!“
„… zu Gottes alleiniger Ehre …“ ist demnach also weniger die Bitte, dass Gott nichts von seiner Herrlichkeit genommen werde, als die Bitte, dass er die Jünger in Jesus so festhalte und vereine, dass seine Herrlichkeit durch sie hindurch leuchten kann.
Sende Heil deinem Volke, o Herr, und segne dein Erbteil. Regiere und erhebe sie bis in die Ewigkeit. Tag für Tag benedeien wir dich und loben deinen Namen in Alle Ewigkeit.
Dem Heiland immer ähnlicher
Walter Goll
Zu Gottes alleiniger Ehre – wie sieht das in unserem Alltag aus? Um dieser spannenden Frage etwas auf die Spur zu kommen, soll in diesem Artikel der Blick zu Graf von Zinzendorf und der Brüdergemeine hingehen.
[[John Wesley]] war 1738 nach vorangegangenen eindrücklichen Begegnungen mit verschiedenen Gliedern der Brüdergemeine ein Besucher Herrnhuts, dem „Ort, wo die Christen leben“. Folgende Gesinnung hatte er vorgefunden: „Ich bin hier mit einer Gemeine zusammen…, in der der Geist herrscht, der in Christus war, und die so wandelt, wie er wandelte. Da sie alle einen Herrn und einen Glauben haben, sind sie alle Teilhaber des einen Geistes, des Geistes der Freundlichkeit und Liebe, der beständig den Umgang aller bestimmt.“
(Ulrich F. Damm, Die Deutschlandreise John Wesleys, S. 17; alle weiteren [[Zitate aus Nikolaus Ludwig von Zinzendorf]], Evangelische Gedanken, 1948 Christlicher Zeitschriftenverlag Berlin)
Am Anfang war in Herrnhut eine äußerst explosive Mischung von Christen beieinander, deren Herkunft standesmäßiger, geografischer und konfessioneller Art sehr unterschiedlich war. Trotz eifriger Bemühungen hatten sie kaum mehr wirklich zueinander finden können, auch nicht durch die Verfassung höchst genialer und vorbildlicher Statuten zur Regelung ihres Zusammenlebens. In der denkwürdigen Abendmahlsfeier am 13. August 1727, den Zinzendorf ihren Pfingsttag nannte, ist die Geburtsstunde dieser„lebendigen Gemeine Jesu Christi“ zu sehen. An diesem Tag ereigneten sich in überwältigender Weise die Erkenntnis von Schuld aneinander und vor Gott, die Abkehr von Separatismus und die erneute vertiefte Hinkehr zur Erlösung durch das Blut Jesu Christi durch den Heiligen Geist. „Ganz Herrnhut ist auf Liebe und durch Liebe gegründet und muss durch lauter Liebe erhalten werden.“ So bezeichnet Zinzendorf wenige Wochen nach jenem Ereignis den Grund ihres Gemeinwesens. Nicht nur die großen Standesunterschiede der damaligen Zeit wurden in Christus überwunden. Zinzendorf selbst, Glied des ältesten europäischen Hochadels, wollte nichts anderes sein als ein Bruder unter christlichen Brüdern aller Stände und Kreise. Ihm ging es um Gleichwertigkeit eines jeden vor Gott, nicht um Gleichmacherei. „In einer Gemeine muss jeder Mensch sein können, wie´s ihm ums Herz ist“, lautet eine seiner Einsichten. Wenn es um Ehre geht, dann kann es nur um die Ehre Gottes gehen. „Rang, Titel und alles, was die Menschen untereinander ungleich macht, sind eitle Ehre. Dagegen müssen die Christen sich an eine andere Ehre, den Ruhm in Christo, halten, daran er seine Leute erkannt wissen will. Wenn nämlich die Leute vor der Natur eines Kindes Gottes den Respekt verlieren, so wird der Heiland in ihrem Gemüt heruntergesetzt.“ Eine Vereinigung, die Gott die Ehre zukommen lässt, kann also nicht auf menschlichen Rücksichten basieren, sondern muss aus dem Blickwinkel des Reiches Gottes und der damit verbundenen Neugeburt herkommen.
Für den Einzelnen ist die Grundlage für die Befähigung zur Gemeinschaft die persönliche und tägliche Verbundenheit mit dem Heiland, dem Schmerzensmann, die ihn jenem immer ähnlicher werden lässt. „Je ähnlicher dem Marterbild, je schöner… Das kann eine harmonierende Gemeinschaft mit ihm zuwege bringen, das ist das Geheimnis unsrer Ähnlichkeit mit dem Heiland.“ Dies wiederum ehrt Jesus im Leben des Einzelnen wie auch im Leben der Gemeinschaft. Geehrt wird Gott auch dadurch, dass ihm in allem, also gerade auch bei schlechter Nachricht, zuerst Dank abgestattet wird. Damit werden nämlich Gottes Treue und Weisheit anerkannt, die über die vordergründige Einsicht des Menschen weit hinausgehen. Dieses Anerkennen verhilft zum Überschreiten des eigenen Horizonts und damit auch zum Annehmen dessen, was einem nicht von vorn herein liegt.
Die berufliche Tätigkeit und unsere ganz alltäglichen Verrichtungen füllen große Teile unseres Lebens aus. Wie wir uns dazu stellen, hat wesentlich damit zu tun, Gott die Ehre zu geben. „Man kann alles sein in der Welt, was nicht an und für sich sündlich ist. In allen Hantierungen kann der Heiland Herr sein. Ihr dienet dem Herrn Christo, sagt der Apostel.“ Dies führt zu der Haltung, bei der man weiß: „Es ist meines Amts, es ist mir befohlen, ich will´s von Herzen tun, das segnet, das regiert, das fördert er, da ist er mit dabei.“ Zinzendorf ergänzt dazu: „Als der Erhalter der ganzen Welt will er, dass seine Jünger alle Stände, alle Ämter, alle Geschäfte heiligen.“ Die Treue im Kleinen, z.B. „…auch in der Werkstatt, als ob der Heiland gegenwärtig wäre…“, ist ein wesentliches Zeichen eines Lebens, das Gott recht ehrt, weil es in allen Bezügen des Lebens Gottes Liebe erkennt. Beispielsweise im Umgang mit Geld und Gut geht es nicht darum , Reichtum an sich abzulehnen, wohl aber sich der großen Gefahr bewusst zu sein, sein Herz daran zu hängen und damit zunächst vielleicht unmerklich Knecht des Mammon zu werden. „Das Herz muss überhaupt so drüber weg sein, als wenn alles bis auf den letzten Heller anvertrautes Gut wäre, davon man dem Schöpfer Rechnung ablegen muss.“
Diese Haltung des Lebens zur Ehre Gottes in allen Lebensbezügen wirkte sich in Herrnhut auch im Handel aus. 1734 wurde vom Gemeinrat der Beschluss gefasst, nur noch zu festen Preisen zu verkaufen. So wurde die damalige Firma Abraham Dürninger u. Co. das erste europäische Handelshaus, das seine Waren zu Festpreisen vertrieb. Verlässlichkeit und der Verzicht auf Möglichkeiten der Übervorteilung des anderen dienten dem Ziel der Nächstenliebe.
Diese Praxis beschränkte sich nicht nur auf das Leben innerhalb der Gemeine. Für den Umgang mit Menschen, die nicht im Glauben stehen, galt das Motto: „Wenn wir wollen Gottesleute sein, müssen wir notwendig Menschenfreunde sein.“ Und: „Alle solchen toten Leute liebt man, man dient ihnen, man geht ihnen zur Hand, und wenn man fürchten muss, dass sie verlorengehen, sucht man ihnen das elende Leben zu erleichtern, so viel man kann. Man denkt von einem Bruder: Du hast den Heiland, und von einem natürlichen Menschen: Du hast nichts. Und darum ist das Erbarmen der Kinder Gottes gegen natürliche Menschen doppelt groß. Gegen Leute, die die finstern christlichen Philosophen gottlose und böse Menschen nennen und von sich stoßen, sind die Kinder Gottes nachgebend, geduldig und freundlich, alle ihre Vergehungen trägt man, und das geringste Gute, das man ihnen ansieht, erfreut einen, weil´s einem Hoffnung macht, es werde Gnade sein.“ Hier wird auch etwas deutlich von der Missionsmethode der Brüdergemeine, in der das brennende Verlangen lebte, in alle Welt bis zu den entlegensten Orten zu gehen, um von der Liebe Gottes Zeugnis zu geben, ganz im Sinne Gottes, der will, dass alle Menschen gerettet werden.
Von der Schmach Gottes
Walter Faulmüller
Wo es um die Ehre Gottes geht in seinem Volk, müssen wir auch der profetischen Klage und Anklage standhalten: „Eurethalben wird Gottes Name gelästert unter den Heiden.“ Kennen wir das? Da soll ein Christgläubiger zur Ehre Gottes seine Wege mit Ihm bezeugen – und immer wieder blitzt aus den Worten nicht Er, sondern ich, nicht Seine, sondern die eigene Ehre heraus. – Ja, noch schlimmer: Der Meister kündigt vor seinem Sterben an: „Sie werden euch in den Bann tun (exkommunizieren)… Und es kommt die Zeit, in der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten“ (vgl. Joh 16,2). Diese millionenfach in der Märtyrergeschichte der Christenheit – von Stephanus bis zu den Christenmorden heute – erfüllte Weissagung Christi findet ihre Spitze in entsetzlichen Perversionen: Christen mordeten Juden; Christen mordeten ihre eigenen Christenbrüder und meinten, Gott darin einen Dienst zu tun. – „Zur Ehre Gottes“ meinte man auf den Scheiterhaufen der „Autodafé“ (Aktion des Glaubens), Andersgläubige aus der „wahren“ Kirche ausmerzen zu sollen. – „Zur größeren Ehre Gottes“ wurde auf Anraten von „Beichtvätern“ in Politik und Diplomatie manch „krummes Ding“ gedreht. – Nach dem entsetzlichen Protestantenmord der [[Bartholomäusnacht]] (1572) sang man in Rom das Te Deum zur Ehre Gottes. – In der [[Augsburger Konfession]], der Hauptbekenntnisschrift der Lutherischen Kirche, ist fünfmal vermerkt: „Damnant anabaptistas“ (die lutherischen Kirchen verdammen die Wiedertäufer), ein Satz, der eine jahrhundertelange Geschichte tausendfachen Mordens und Martyriums an den „Taufgesinnten“ einleitete.
Solche und andere Schlaglichter auf die finsteren Dimensionen der Kirchengeschichte sollen nicht die beschränkte, rechthaberische Haltung konfessionalistischer Anklagen bestärken. Sie zielen vielmehr auf persönliche und stellvertretende ökumenische Umkehr und Kurskorrektur. Im Kleinwerden, in rückhaltlosem Offenbarwerden vor Ihm, in unserem Nichts, in der demütigen Hingabe all unseres Guten an den Geber aller guten Gaben kann und wird seine Ehre aufstrahlen,
„damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“
(1Petr 4,10).