Im Heiligen Geist durch Jesus zum Vater wachsen und reifen – als Kind und Erbe
Das Leben und so auch die Liebe ist nichts Statisches. Vom Vater geliebt zu werden ist eine Lebenswirklichkeit, in der seine Beziehung zu seinen Kindern prägend ist. Was spielt sich dabei ab? Wie entwickelt sich das Ebenbild Gottes in uns? Dazu braucht es den Blick auf Jesus, durch den wir den Vater kennen dürfen.
Wachsen – Reifen
Bei Worten wie „wachsen“ und „reifen“ kommen mir als gelernter Gärtnerin folgende Gedanken: Das sind lebendige, natürliche Vorgänge. Da ist etwas im Gang. Da bewegt und verändert sich etwas. Das kann man staunend sehen und miterleben. Wachsen und Reifen sind Zeichen des Lebens. Und: Es gibt ein Wachstumsziel. Säen wir einen Sonnenblumenkern in die Erde, dann erwarten wir, dass am Ende eine schöne Sonnenblume gewachsen ist und blüht und neue Kerne reifen.
Aber was soll aus uns werden? Schnell haben wir gute Antworten parat: Christus ähnlich werden, wachsen zu dem Haupt hin, wachsen in der Liebe… Ja, ganz klar! Doch was bedeutet das konkret? Welchen Anteil haben wir daran? Mir kommen da die großen Heiligen in den Sinn. Was haben sie alles vollbracht! Was haben sie ausgehalten! Gern schauen wir nach solchen messbaren Ergebnissen. Sollen wir dahin wachsen und reifen, Großes zu vollbringen?
Was ist Gottes „Wachstums- und Reifeziel“ mit uns? Gewiss: werden wie derSohn, wie Jesus. Damit kann ja aber nicht gemeint sein, Jesus zu kopieren oder ihn nur nachzuahmen. Vielmehr darf und soll er in jedem von uns, so wie wir sind, Gestalt gewinnen. Doch wie kann das geschehen?
Schauen wir auf Jesus: Er durchlebte Kindheit und Jugend, er lernte und wuchs heran, er erlebte Angewiesensein, Hunger, Durst, Wut, Zorn, Freude, Tränen, Schmerzen, Glück… – alles, was zum natürlichen Leben gehört. Er war kein Übermensch! Es wird nicht berichtet, dass er der beste Zimmermann in Nazareth war, der beste Thora-Schüler, der Geschickteste und Schnellste, der mit dem höchsten IQ. Das würden wir uns doch vorstellen als Ziel, oder?
Was macht Jesus denn aus? Er wusste um sein Menschsein und um seine Gotteskindschaft. In ihm ist beides vereint. Er ist ganz Mensch und ganz Gott. In ihm steht der Mensch nicht gegen Gott. Diese Feindschaft (Röm 8,7) ist in ihm „begraben“.
Es ist ein inniges, untrennbares Miteinander: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir …“ (Joh 17,21). Durch nichts ist dies mehr zu zerstören. Das wird überdeutlich an Karfreitag. Alles teilt der Sohn mit dem Vater und der Vater mit dem Sohn, die Herrlichkeit wie den Schmerz, die Freude wie den Kummer, die Macht wie die Ohnmacht.
So liegt auch unser Wachstumsziel als Kinder des Vaters in diesem Einssein mit ihm, was aus der lebendigen, innigen und unzerstörbaren Verbindung mit ihm erwächst.
Ich bin auch erinnert an das Gleichnis aus Lk 15. Da geht es um Söhne, um Erbe und um den Vater, wie in unserer Überschrift. Man könnte dieses Gleichnis überschreiben: „Der unbekannte Vater.“ Jesus sagt einmal: „Niemand kennt den Vater, als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27). Auch die beiden Söhne in dem Gleichnis kennen offenbar ihren Vater nicht wirklich. Sie wissen wohl, dass er reich ist. Der Jüngere lässt sich daher beizeiten sein Erbe auszahlen. Der Ältere weiß, dass der Vater der Herr über allen Besitz ist und ein Mann, dem man gehorchen muss und dienen soll. Das alles ist sicherlich richtig. Aber den Vater, sein Wesen, seine Liebe kennen sie nicht wirklich. Das zeigt sich in dem Gleichnis deutlich an den Reaktionen der beiden.
In diesem gemeinsamen Leben mit dem Vater – und natürlich mit dem Sohn – ist es der Geist, der uns leitet, der die kindliche Beziehung zum Vater fördert und bewahrt. Wir dürfen den Vater kennen und immer tiefer kennenlernen. In Joh 17,3 sagt Jesus: „Darin besteht das ewige Leben, dass sie dich … erkennen.“
Den Vater kennen und erkennen, das ist das Leben.
Denn damit geschieht Gewaltiges, alles Veränderndes. Wir entdecken, – wenn auch nur bruchstückweise – wie er ist. Und wir entdecken, wie die Dinge unseres Lebens alle in Beziehung sind zu ihm und zu seinen Liebesplänen, wie er alles bewirkt und zusammenfügt und lenkt. Wir entdecken die Realität dessen, was Paulus beschreibt: „Keiner lebt sich selber … Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn“ (Röm 14,7-8). Alles ist darin einbezogen, von der Wiege bis zum Grab. Wir leben nun aus dieser – ich nenne es – „glücklichen Abhängigkeit“, dieser tiefsten Verbundenheit, die die Schlange im Paradies so mies gemacht hatte, dass der Mensch sich davon weglocken ließ. Nun aber sind wir durch Christus heimgebracht in dieses Liebesverhältnis zum Vater. „Wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe!“ (vgl. 1Joh 4,16)
So wachsen und reifen wir und werden fähig gemacht zu dem Erbe, das uns von Gott anvertraut wird. Dies ist wunderbar ausgedrückt in Gal 4,4-7:
„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, auf dass er die, die unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.“
In dem Buch „Die Gegenwart der Ewigkeit“1 fand ich eine Beschreibung dieses Lebens und seiner Auswirkungen, dieser lebendigen Gemeinschaft Gottes mit uns, die ich zum Schluss hier zitieren möchte:
„…Wir haben seine Stimme gehört und die Tür aufgetan oder besser gesagt: Er hat sich durch die Kraft seines Geistes Gehör und Eingang verschafft. Er ist eingezogen, der König der Könige, unser Herr, der treue und wahrhaftige Zeuge, und hat sich mit uns an den Tisch gesetzt. Er ist unsere Gegenwart, unser Leben geworden. Er teilt unsere Mahlzeit und unseren Mangel, unsere Ruhe und unseren Kampf, unser Dasein mit den anderen und in der Einsamkeit. Und wenn er da ist, begreifen wir, dass unsere Gegenwart darin besteht, dass er gekommen ist, um mit uns gemeinsame Sache zu machen und mit uns zu leben. Wir sind nur das, was er mit uns ist. Wir haben nur, was er mit uns teilt … Es gilt nichts mehr zu besitzen, als was er mit uns besitzen kann, nichts mehr zu tun, als was er mit uns tun kann…“
Autorin
Vereinigung vom gemeinsamen Leben
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Vereinigung vom gemeinsamen Leben im Ökumenischen Christusdienst
Die Vereinigung vom gemeinsamen Leben im Ökumenischen Christusdienst ….
Fussnoten