Beim Stay & Play – dem Abend der offenen Kirche – werden Passanten rund um den Marktplatz zu einem spontanen Besuch in die Kirche eingeladen.
An vielen Orten kommt es kaum noch zu Begegnungen von Christen mit Menschen, die mit dem Glauben nichts oder nichts mehr anfangen können, in denen dann der Glaube zum Thema wird. Welche segensreiche Initiative dieser Not in Mannheim aktiv entgegentritt, getragen von Christen verschiedener Gemeinschaften und Gruppen, davon erfahren wir in diesem Bericht.
Die Freude am Glauben und die Sehnsucht, die eigenen positiven Glaubenserfahrungen zeitgemäß weiterzugeben, hat einige Christen in unserer Stadt zum Mannheimer Evangelisierungsteam e.V. (MET) zusammengeführt. Seit 1992 haben wir im katholischen Stadtdekanat und in verschiedenen Gemeinden Glaubenskurse durchgeführt und damit weit über 1.000 Menschen erreichen können. Viele lebendige Kleingruppen sind daraus entstanden.
Mit unseren Glaubenskursen in Mannheim haben wir in erster Linie Menschen erreicht, die ihren schon vorhandenen Glauben erneuern wollten, nicht aber die wirklich Kirchenfernen. Doch wir sehnten uns danach, in unserer Stadt Menschen mit Gott in Berührung zu bringen, für die der Glaube keine Rolle spielt. Auf der Suche nach einem niederschwelligen Format stießen wir auf „Stay & Pray“: ein Abend der „Offenen Kirche“, der in den ersten Jahren unter dem Dach von „Nightfever“ stattfand und heute von verschiedenen christlichen Gemeinschaften und Gruppen aus Mannheim und Umgebung mitgetragen wird.
Wir sehnten uns danach, in unserer Stadt Menschen mit Gott in Berührung zu bringen, für die der Glaube keine Rolle spielt
Die Idee ist einfach, aber wirkungsvoll: Am Samstagabend gehen wir nach der Messe in der zentralen City-Kirche St. Sebastian hinaus auf den Marktplatz und in die Fußgängerzone und sprechen dort Passanten an. Sie erhalten eine Kerze und werden dazu eingeladen, diese in der Kirche anzuzünden. Wer der Einladung zur „Offenen Kirche“ folgt, taucht in eine meditative Atmosphäre ein mit live gesungenen, ruhigen Anbetungsliedern. Man kann in der Kirche vor dem ausgesetzten Allerheiligsten eine Kerze entzünden, im Alltagsstress zur Ruhe kommen und in der Bank der Musik lauschen, vor dem Altar einen Bibelvers ziehen, ein individuelles Anliegen als Fürbitte aufschreiben, für das dann in den kommenden Tagen gebetet wird, sich segnen lassen oder bei einem Priester das Sakrament der Versöhnung empfangen.
Das Besondere an dem offenen Angebot: Alle können bleiben, solange sie möchten und wie es ihnen guttut. Welches der Angebote die Besucher wahrnehmen, bleibt jedem selbst überlassen. Manche betreten zum ersten Mal seit Jahren wieder ein Gotteshaus, andere kommen mit ihren Einkaufstaschen in die Kirche und zünden kurz ihre Kerze für einen kranken Angehörigen an. Immer wieder erleben wir, dass Menschen völlig ungeplant den ganzen Abend in der Bank sitzen bleiben, die Lieder mitsingen und sich von Gottes spürbarer Gegenwart berühren lassen. Unter www.stayandpray-mannheim.de finden sich bewegende Rückmeldungen der Besucher. Beim Verlassen der Kirche geben wir ihnen einen Flyer mit weiteren Angeboten mit, damit die Spur weiterverfolgt werden und der Same wachsen kann.
„Öffnet die Tore für Christus, reißt sie weit auf – dann findet ihr das wirkliche Leben“, hat Papst Benedikt XVI. einmal gesagt. Dieser Ermutigung folgen wir mit den „Stay & Pray“-Abenden, wenn wir die Menschen zu einer Begegnung mit Christus und seiner barmherzigen Liebe einladen. Das wirkliche Leben finden wir, wenn wir mit den Menschen ins Gespräch kommen. Ob jung oder alt, Christen, Muslime oder Atheisten, gestresste Eltern oder bedürftige Obdachlose: Die Begegnungen mit den Passanten beschenken mich selbst am meisten.
„Öffnet die Tore für Christus, reißt sie weit auf – dann findet ihr das wirkliche Leben“
Papst Benedikt XVI
Ich habe erfahren: Mein eigener Glaube wächst durch Weitergabe. Die Fragen, die mir auf der Straße gestellt werden, beschäftigen mich hinterher noch lange. Ich werde dazu herausgefordert, in wenigen Sätzen zu erzählen, warum ich glaube. Vor allem lerne ich, andere Menschen so anzunehmen, wie sie sind, nicht vom hohen Ross herunter zu predigen, sondern auf Augenhöhe mit ihnen zu sprechen: erst einmal nur zuzuhören, mich in die Lage des anderen zu versetzen, zu versuchen, den göttlichen Funken in ihm zu entdecken und auch mit seiner Situation mitzuleiden, ohne vorschnelle Antworten zu geben.