Das Ja zum Willen Gottes, bald ins Paradies zu gehen, ist ein starker Ausdruck der Hoffnung, die in dem nachfolgend geschilderten Erleben zum Ausdruck kommt. Dazu gehört das bewusste Loslassen all des Irdischen, unweigerlich. Einen solchen Weg mit dieser intensiven Begleitung gehen zu können, ist eine Kostbarkeit – für beide, Rupert und Franz.
Als ich den Brief von Rupert bekam, in dem er uns im Fokolar mitteilte, dass er „austherapiert“ sei, also nichts mehr zu tun wäre, um sein Leben zu verlängern, sagte ein Mitbruder zu mir: „Da musst du hinfahren.“
Auf der Fahrt nach Wien machte ich mir Gedanken, wie ich ihm helfen könnte. Wir sagen ja immer, wir wollen eine Familie sein. Wie reagieren Familienmitglieder in einem solchen Fall? – fragte ich mich. In mir spürte ich Jesus sagen: Stell dich ihm bis zum Ende seines Lebens zur Verfügung.
Nach einem mehrstündigen Gespräch unter vier Augen, in dem er mir sein Ja zum Willen Gottes, bald ins Paradies zu gehen, sagte, bot ich ihm an, die letzte Zeit bei ihm in Wien zu bleiben. Als Antwort kam: „Gestern Abend dachte ich: Wie schön wäre es, wenn Franz bei mir wäre.“ So begann ein siebenmonatiger gemeinsamer Weg zum Paradies.
In diesen Monaten habe ich gelernt, gesehen, erfahren: Gott ist mit uns schon hier, mitten unter uns. Und er hilft uns, schon hier auf dieser Erde, uns auf den Himmel vorzubereiten.
Ich staunte, woran wir alles hängen können! Alles ist uns geschenkt und kommt uns so normal vor. Zum Beispiel, dass wir stehen können. Rupert wollte, als er schon ständig im Bett lag, noch einmal stehen. Auch wenn es nur eine oder eine halbe Minute war, für ihn war das ein großes Geschenk, stehen zu können. Und dieses Stehen nun abgeben! Alles, was man für selbstverständlich hält, wird durch diese Erfahrung zum Geschenk. Denn das alles muss ich, müssen wir abgeben, loslassen. Stehen können, essen können, laufen können, sprechen können, besitzen können. Alles loslassen. Er sagte oft, ich möchte sterben, bei Gott sein, bei Jesus sein. Unsere Erfahrung aber war: Wenn nicht vorher alles losgelassen, an Gott zurückgegeben wird, können wir nicht sterben, auch wenn wir uns noch so sehr darauf freuen.
Das Göttliche und das Menschliche zusammen, das Menschliche rein, gereinigt – das scheint das Leben nach dem Sterben zu sein. Diese Hoffnung möchte ich mir bewahren.
Wir ahnten beide, dass das Leben „da drüben“ ganz anders sein wird. Losgelöst von allen und allem und doch wahrscheinlich in aller Fülle. Unter großen Freudentränen sagte er am letzten Abend: „Ich möchte bei Jesus sein. Und ich möchte ihn bitten, dass ich alle Blumen sehen kann, die vor dreihundert Jahren in den Alpen geblüht haben.“ Rupert war Biologe.
Das Göttliche und das Menschliche zusammen, das Menschliche rein, gereinigt – das scheint das Leben nach dem Sterben zu sein. Diese Hoffnung möchte ich mir bewahren.
Denn wenn es der Wille Gottes ist – eines Gottes, der mich liebt –, zu lernen, alles „abzuschneiden“, um mich so für das Leben nach dem Sterben vorzubereiten, dann gibt es nichts Schöneres. Meine persönliche Erfahrung aus diesen Monaten: Frei zu sein von aller Anhänglichkeit, ist befreiend und macht das Leben einfach wunderschön.
Aber ob ich das durchhalte? Da vertraue ich auf den mich liebenden Vater im Himmel! Auf seine immerwährende Barmherzigkeit. Und ich hoffe und glaube, dass nach dem Sterben das eigentliche Leben beginnt.