Im Dreiklang der Beziehungsbegriffe Liebe, Glaube und Hoffnung leuchten Zusammenhänge von Schöpfung, Erlösung und Vollendung auf. Sie können in dieser Reihenfolge mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist in Verbindung gebracht werden. Zugleich gehören sie untrennbar zusammen. Im folgenden Artikel geht es um die Liebe Gottes, wie wir sie insbesondere dem Vater zuschreiben können. Sie ist grenzenlos. Diese Wirklichkeit ist zugleich offenbar und noch in großem Maß verborgen.
Die Liebe Gottes ist ökumenisch: Sie umfasst alle und alles. Dies klingt zunächst wie selbstverständlich, fast banal. 1Joh 4,16b drückt es mit dem einfachen Satz aus: „Gott ist die Liebe“. Was so einfach klingt, ist aber ein unfassbares, großes, alle und alles umfassendes Geschehen. Denn dahinter steht die Wirklichkeit: Gottes Wesen ist Liebe. Er ist durch und durch Liebe. Liebe ist nicht nur ein Merkmal seines Wesens, sondern sie ist geradezu Gottes Natur. „Darum entspringt die Erlösungsabsicht, das Kommen Jesu in unsere Welt, nicht einer speziellen Zuwendung Gottes zur gefallenen Schöpfung, sondern quillt längst vor allem Erdenwesen aus dem Wesen Gottes. Ehe wir im Mutterleib gebildet wurden, galt uns schon seine Liebe.“ 1 Die Liebe ist sozusagen Gott auf den Punkt gebracht.
Wenn wir diese allgemeine und umfassende – also ökumenische – Liebe Gottes betrachten, dann entdecken wir auch die umfassende Dimension einiger bekannter Bibelstellen:
„Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“
Röm 11,16:
Oder Kol 1,16-17: „Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.“
Auch das Alte Testament denkt in diesem Horizont – zum Beispiel die Psalmen 29 und 148 oder Neh 9,6: „Herr, du bists allein, du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit ihrem ganzen Heer, die Erde und alles, was darauf ist, die Meere und alles, was darinnen ist; du machst alles lebendig, und das himmlische Heer betet dich an.“
An diesen Bibelstellen wird beispielhaft deutlich, dass sich Gottes Liebe nicht nur auf den Menschen bezieht, sondern auf die gesamte Schöpfung. Sie ist von Gott geordnet, und zugleich lebt sie auf ihn zu. Das fordert uns heraus, auch die Schöpfung und alle Dinge (Röm 11,36) aus der göttlichen Liebesperspektive zu betrachten.
Der hl. Franziskus (1182 – 1226) hat diese Perspektive in seinem Sonnengesang einzigartig aufgenommen und zum Ausdruck gebracht (siehe in diesem Heft „Mit Gott im Gespräch“).
Auch Pierre Teilhard de Chardin (1881 – 1955, französischer Jesuit, Anthropologe und Philosoph) formuliert in diesem Sinne: „Wenn nicht schon im Molekül auf unglaublich rudimentärer Stufe eine Neigung zu Vereinigung bestünde, so wäre das Erscheinen der Liebe auch auf höherer Ebene, in der menschlichen Form, physisch unmöglich.“ 2
Und Alfred Delp (1907 – 1945, Jesuit und Priester, Mitglied des Kreisauer Kreises, einer Widerstandsgruppe während der Zeit des Nationalsozialismus) bringt es auf seine Weise auf den Punkt: „Das eine ist mir so klar und spürbar wie selten: Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen. Das gilt für alles Schöne und auch für das Elend. In allem will Gott Begegnung feiern und will die anbetende, hingebende Antwort. Die Kunst und der Auftrag ist nur dieser, aus diesen Einsichten und Gnaden dauerndes Bewusstsein und dauernde Haltung zu machen und werden zu lassen. Dann wird das Leben frei in der Freiheit, die wir immer gesucht haben.“3
In dieser umfassenden (ökumenischen) Wirklichkeit Gottes leben wir. In diese Wirklichkeit sind wir hineingenommen. Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen:
Ich kann von Gott her gesehen auf alle Dinge und Umstände, auf alles, was mir begegnet, gelassen zugehen, weil er mir darin in seiner Liebe entgegenkommt. Das ist in einer Zeit und in einer Gesellschaft der Empörung und der Aufregung, mit gewaltigen Umbrüchen in allen Bereichen des Lebens, ausgesprochen entlastend (s. obiges Zitat von A. Delp).
Zugleich kann ich in großer Gelassenheit mit dem umgehen, was Gott mir anvertraut hat. Ich lebe in der Gewissheit, dass Gott in und durch alle Dinge wirkt. Ich kann die mir zur Verfügung stehende Technik nutzen und genießen. Ich kann zugleich für die Menschen danken, denen Gott so viel Verstand gegeben hat, diese Technik zu entwickeln. Das gilt beispielsweise auch für den medizinischen Bereich im Blick auf Medikamente und medizinische Geräte oder Hilfsmittel.
Ich entdecke aber auch immer mehr die Verantwortung für das mir Anvertraute. Ich widersetze mich Trends, die mit den Ressourcen dieser Erde verantwortungslos umgehen. Ist beispielsweise wirklich alles, was mit Strom angetrieben wird, in der Gesamtbilanz umweltfreundlicher?
Ich entdecke zudem die mehr und mehr gegensätzliche Bewegung zwischen der alle und alles umfassenden Liebe Gottes und der Abkehr des Menschen von Gott. Das schmerzt Gott und macht ihm Not (vgl. Lk 19,41). Auch dieser Schmerz, diese Not ist umfassend – also ökumenisch. Gott ist an keiner Stelle gleichgültig. Hier lädt der Ökumenische Christusdienst ein, sich an die Seite Gottes zu stellen und seine Not in ökumenischer Buße und Fürbitte aufzunehmen und mitzutragen.
Mit Versen aus Röm 8 möchte ich schließen: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“
Johannes Uhlig, Vereinigung vom gemeinsamen Leben
Fussnoten