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Es ist interessant, dass allein Markus den Sendungsbefehl des Auferstandenen nicht so wie die anderen Evangelisten niedergeschrieben hat. Dort heißt es: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur (Mk 16,15).

Hier wird ein weiter Bogen der Evangelisation gespannt. Nicht nur den Menschen ist in Jesus Christus das Heil zu verkünden, sondern auch allem Geschaffenen. Kreatur kann mit Geschöpf übersetzt werden. Mit Sicherheit bezieht diese Art Grenzenlosigkeit insonderheit die Tierwelt mit ein. Die Offenbarung des Johannes beschreibt im Zusammenhang mit der Öffnung der sieben Siegel durch Jesus Folgendes: Und alle Kreatur, die im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und im Meer, und alles was darinnen ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Diese Ewigkeitsperspektive lässt Rückschlüsse auf die irdische Gegenwart zu. Alle Kreatur kann etwas vernehmen von der Gnade, die auch ihr gilt. Diesen Tatbestand hat Franz von Assisi in der Tiefe erkannt und daraufhin sein herausragendes Verhalten gegenüber der Tierwelt gewonnen. (27)

Eine biblische Aussage scheint deren Erlösung stark an die Erlösung des Menschen zu binden. Das findet man in Röm 8,18-22: Ich halte es dafür, dass dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung. Denn auch die Kreatur wird frei werden von dem Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass alle Kreatur sehnt sich mit uns und ängstet sich noch immerdar.

In einer Liturgie unserer Bruderschaft gab es früher ein sehr bewegendes Gebet:

Herr, unser Gott, der du uns Menschen auch die Tiere zu Gehilfen geschaffen hast, wir gedenken vor dir auch dieser deiner bescheidenen Geschöpfe, die mit uns die Bürde und Hitze des Tages tragen und ihr unschuldiges Leben dem Wohle der Menschen opfern. Wir bitten dich, du wollest dich ihrer in ihrem Schmerz und Leid erbarmen und bald den großen Tag der Erlösung erscheinen lassen, an dem auch die stumme Kreatur frei werden wird von der Dienstbarkeit des vergänglichen Wesens. Erhöre uns, lieber himmlischer Vater, um Jesu Christi deines Sohnes willen. Amen.

Wer so betet und nun auch über den Tieren das Blut Christi herab sehnt, der gehört nicht nur zu den Tierschützern, sondern weiß sich ihnen geschwisterlich verbunden. Verzichtet er zudem auf den Verzehr von Fleisch – was niemals dogmatisiert werden darf – so setzt er ein unübersehbares Zeichen, mag es auch als einseitig kommentiert werden. Diese Art von Tierliebe entspricht eben nicht einem fanatischen Gesundheitsprogramm, sondern dem Wissen um die umfassende Schöpfermentalität Gottes.

Diese greift übrigens weit über die Welt der Lebewesen hinaus: Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut … und fruchtbare Bäume … (1.M 1).

Kurzum bestätigt sich diese Ausweitung allein schon durch die Bezeichnung Kreatur (Schöpfung). Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift gehört die ganze Pflanzenwelt dazu; ja sogar deren noch verborgene Möglichkeit, sich auszudrücken. Und es geht noch einmal weit darüber hinaus. Wenn solches, wie im Ps 96 in Form einer Aufforderung zu lesen ist, könnte es normalerweise vielleicht noch als dichterische Übertreibung gelten, wenn nicht der Glaube an den allmächtigen Gott wäre. Es heißt in diesem Ps 96: Saget den Heiden, dass der Herr König sei und habe sein Reich, soweit die Welt ist, bereitet, dass es bleiben soll, und richtet die Völker recht. Der Himmel freue sich und die Erde sei fröhlich; das Meer brause und was darinnen ist; das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist; und lasset rühmen alle Bäume im Walde vor dem Herrn; denn er kommt, zu richten das Erdreich. Christen in diesem umfassenden Sinn – das wird hier eindeutig klar – sind die eigentlichen Umweltbewussten und Umweltverantwortlichen bis hin zu den Gestirnen und Himmelswelten. Auch sie hat Franz von Assisi als Partner gewusst, wie sein Sonnengesang bezeugt. (28)

Anmerkungen

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27

DIE VOGELPREDIGT DES HEILIGEN FRANZISKUS

In der „Legenta maior“ des heiligen Bonuventura ist eine überlieferte Begebenheit aus dem Leben des heiligen Franz wie folgt zu lesen:

Als Franz sich Bevagna näherte, kam er zu einem Ort, an dem eine große Menge von Vögeln verschiedener Art zusammen gekommen war. Als der Heilige Gottes diese sah, lief er eilig dahin und begrüßte sie, als wären sie der Vernunft teilhaftig. Sie alle aber erwarteten ihn und wandten sich ihm zu, so dass die, welche auf den Gesträuchen waren, die Köpfchen senkten, als er sich ihnen näherte, und in ungewohnter Weise sich nach ihm hin richteten, bis er zu ihnen heranschritt und sie alle eifrig ermahnte, das Wort Gottes zu hören, indem er sprach: „Meine Brüder Vöglein, gar sehr müsst ihr eueren Schöpfer loben, der euch mit Federn bekleidet und die Flügel zum Fliegen gegeben hat. Die klare Luft wies er euch zu und regiert euch, ohne dass ihr euch zu sorgen braucht.“ Als er aber ihnen dies und ähnliches sagte, begannen die Vögel in wunderbarer Weise, ihre Freude bezeugend, die Hälse zu recken, die Flügel auszubreiten, die Schnäbel zu öffnen und aufmerksam auf ihn zu schauen. Er selbst aber in wunderbarer Glut des Geistes schritt mitten durch sie hin und berührte sie mit seinem Gewand; und dennoch bewegte sich keiner von der Stelle, bis er das Zeichen des Kreuzes machte und ihnen mit dem Segen des Herrn die Erlaubnis gab. Da flogen sie alle zugleich von dannen. Dies alles sahen die Genossen, die am Weg warteten.

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28

DER SONNENGESANG DES FRANZ VON ASSISI

Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen,
besonders dem Herrn Bruder Sonne,
der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend in großem Glanz:
von dir, Höchster, ein Sinnbild.

Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Mond und die Sterne.
Am Himmel hast du sie geformt, klar und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Wind,
für Luft und Wolken und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deine Geschöpfe am Leben erhältst.

Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Wasser.
Sehr nützlich ist sie und demütig und kostbar und keusch.

Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Feuer,
durch den du die Nacht erhellst.
Und schön ist er und fröhlich und kraftvoll und stark.

Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt, mit bunten Blumen und Kräutern.

Gelobt seist du, mein Herr, für jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Not.
Selig, die ausharren in Frieden,
denn du, Höchster, wirst sie einst krönen.

Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester, den leiblichen Tod;
kein lebender Mensch kann ihm entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig, die er finden wird in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn
und dankt und dient ihm mit großer Demut und Freud

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