Editorial – 8-2022

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Schwestern und Brüder,

„Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“ (1Joh 4,19) Diese wegweisenden und ermunternden Worte sind das Thema des letzten und dieses Heftes. Beim letzten hieß der Titel „Die Liebe des Vaters – Spurensuche in unserer Welt“. Nun soll es so weitergeführt werden: „Lieben wie der Vater – Herausforderung und Chance in unserer Zeit“.

Die Liebe des Vaters, das Wesen Gottes ist die Quelle unserer Liebe. Sie geht unserer Liebe voraus. Doch was heißt das, zu lieben, und das in unserer Zeit, dazu noch so, dass der Ursprung dieser Liebe möglichst erkannt wird?

Zur Herausforderung wird dieser Anspruch besonders da, wo ein Weg der Liebe sich auftut oder ansteht, der zuerst gar nicht danach aussieht. Die biblische Geschichte der Opferung des Isaak ist so etwas. Eigentlich ist das so anstößig, was Abraham als Anweisung Gottes zu hören bekommt. Gott zu lieben angesichts eines menschlich völlig abwegigen Auftrags und diesem Auftrag entgegen jeglicher Verheißungslogik aus Liebe zu Gott nachzukommen, das ist wahrlich eine ganz besondere Herausforderung. Dem nachzusinnen, laden wir ein.

In einer weiteren biblischen Besinnung geht es um die Vaterschaft Gottes, wie sie durch Jesus offenbart wurde. Diese Vaterschaft ist unauflöslich an Jesus, den Sohn gebunden. Daraus schöpft die Liebe der Gotteskinder. Sie wird konkret im alltäglichen Leben und wirkt sich in ihre Umgebung aus, in die nähere und fernere. Solche Lebensspuren leuchten auf in der Frage des Vater- und Mutterseins. Da tun sich wunderbare Chancen auf, die geschenkten Kinder entsprechend zu prägen. Das wiederum wirkt sich auf unsere Gesellschaft aus. Damit wird deutlich, dass uns Chancen gegeben sind, der Liebe des Vaters Raum zu geben in unserem unmittelbaren Umfeld, aber auch mit einer öfters nicht absehbaren Reichweite. Zugleich ist gerade das auch eine Herausforderung angesichts mancher Tendenzen unserer Zeit, in der Gott als liebender Vater zunehmend diskreditiert ist. Wie in dieser Situation Haltungen und Maßnahmen helfen, mit traumatischen Erfahrungen junger Erwachsener hilfreich umzugehen und entsprechenden Liebesdefiziten abzuhelfen, zeigt uns der Einblick in die therapeutische Arbeit von Eser 21 in Augsburg. Hoffnungshäuser in Pakistan, in denen Waisenkinder von Christusträger-Schwestern betreut werden, ermöglichen in der dortigen Umgebung einen Schutzraum, in dem die Vaterliebe Gottes besonders gelebt wird. Welche geistlichen Übungen den Boden bereiten, um selbst neu und vertieft liebesfähig zu werden, wird uns in einem weiteren Beitrag nahegebracht.

Auch die Betrachtung des Bildes „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ des Malers Rembrandt will uns zur väterlich-mütterlichen Liebe Gottes anregen. Weitere Schätze tun sich auf in der Fortführung unserer Serie zum Einheitsgebet (siehe Rückseite des Heftes). Der Erweis der Liebe Gottes gilt ja „allen Menschen an allen Orten in allen Ständen, mit allen ihren Anliegen“ und hat damit eine grenzenlose Reichweite. Die beiden Worte aus der Muttersprache Jesu – „Abba“ und „Amen“ – können uns zum Geschenk werden und uns verwandeln. Das zeigt uns der originelle Beitrag unter dieser Überschrift. In der Fortführung der Tagebuchauszüge von Etty Hillesum, die im KZ Auschwitz entstanden sind, wird die Tiefe des „denkenden Herzens“ anschaulich. Schließlich leuchtet im Interview mit Irina Buchmüller, der Gründerin und Leiterin des Christlichen Integrationszentrums Augsburg, die Bedeutung von Versöhnung als Erweis der Liebe Gottes und verwandelnde Kraft auf.

Mögen diese Beiträge eine hilfreiche Anregung sein zur Liebe im Sinn des himmlischen Vaters. Unsere Zeit mit ihren Umständen und Prägungen eröffnet immer wieder neue Herausforderungen, zu lieben. Nützen wir die Chancen, die uns der Glauben und die Gnade Gottes dazu ermöglichen.

In herzlicher Verbundenheit

Walter Goll

Ottmaring, Ende August 2022


Autor

Walter Goll
Walter Goll, Ottmaring

Vereinigung vom gemeinsamen Leben

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