Wie ist das mit der Kirche und der Welt? In diesem Artikel wird versucht, anhand der Aussagen des Neuen Testaments den Fortgang der Sendung Jesu für die Welt in der Kirche zu beschreiben. Nur in einer knappen Andeutung kommen zum Schluss gegenwärtige Ausprägungen von Kirche zur Sprache. Maßstab für das Leben der Kirche und die damit angesprochene Sendung ist und bleibt das neutestamentliche Zeugnis.

Sendung Jesu für die Welt

Im Johannes-Evangelium wird es einfach und prägnant ausgedrückt: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). Das ist der Sinn der Sendung Jesu. Das ist das Herzensanliegen Gottes und der Ausdruck seiner Liebe für die Welt, für sein geliebtes Schmuckstück (griech. kosmos 1, das er geschaffen hat. In Jesus ist „die Gnade Gottes erschienen, um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). Das ist höchst nötig und offensichtlich, denn „die ganze Welt liegt im Argen“ (1Joh 5,19) und leidet unter der Macht des Bösen. Tragisch ist, dass sich herausgestellt hat: „Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Dennoch hat der Weg der Liebe Jesu ins Leiden bis zum Kreuz und dem anschließenden Triumph der Auferstehung die Tür ins unvergängliche Leben geöffnet: „Er selbst ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1Joh 2,2). Welch eine Verheißung, welche Hoffnung für die Welt!

Sendung der Jünger für die Welt

Vor seiner Himmelfahrt verdeutlichte Jesus den Jüngern, wie seine Sendung weitergehen sollte: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Wie er sollten die Jünger in der Kraft des Heiligen Geistes dieselbe Sendung für und in die Welt weiterführen, die er vom Vater empfangen hatte. Das bedeutete auch, dass sie dies mit derselben Vollmacht, aus der ungetrübten Vertrauensbeziehung zu Jesus heraus tun sollten. Jesus hatte auf jegliche Eigenmächtigkeit und Unabhängigkeit vom Vater verzichtet. Das ist auch für die Jünger kennzeichnend im Blick auf Jesus: „Ohne mich – getrennt von mir – könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5). Und der Erfolg der Sendung, die Frucht? Entscheidend ist die Liebe der Jünger. Ihre Sendung ist glaubwürdig, wenn sie sich in ihrem Einssein ausdrückt: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, so sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). So kann der Welt in umfassender Weise der Glaube ermöglicht werden.

Wie er sollten die Jünger in der Kraft des Heiligen Geistes dieselbe Sendung für und in die Welt weiterführen, die er vom Vater empfangen hatte. Entscheidend ist die Liebe der Jünger. Ihre Sendung ist glaubwürdig, wenn sie sich in ihrem Einssein ausdrückt.

Fortsetzung der Sendung für die Welt im Gefäß der Ekklesia

Dem Apostel Paulus wurde offenbart, dass durch das Geheimnis der Kirche, der Gemeinde, der Versammlung, der Ekklesia der Weg des Heils in diesem Weltzeitalter seiner Vollendung entgegengeht. Jesus ist der Grundstein für das Haus der Kirche: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1Kor 3,11). Den Kolossern wird gesagt: „Er ist das Haupt, der Leib aber ist die Kirche“ (Kol 1,18). Die Kirche hängt umfassend an Jesus, dem Christus, dem Messias. Ihr Sein und Leben sind unauflöslich mit ihm verbunden und empfangen von ihm Ausrichtung, Kraft und Vollmacht.

Das ist auch für die Welt bedeutsam: „Er ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, und in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,15-17). Diese unauflösliche Beziehung Jesu zur gesamten Schöpfung, zum ganzen All betrifft auch die Kirche: „Denn die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Röm 8,19). Insofern lebt die Kirche ihrer Berufung gemäß in einer Pro-Existenz, d. h. für die gesamte Schöpfung, für die ganze Welt. Das griechische Wort ekklesia bezeichnet in seiner ursprünglich säkularen Bedeutung: eine öffentliche Versammlung von Bürgern, die aus der Gesamtbevölkerung herausgerufen ist, um gemeinsam Verantwortung für ihre Stadt wahrzunehmen. In diesem Sinn ist die Kirche ein von Christus aus der Welt herausgerufenes Organ, das für die Welt Verantwortung wahrnimmt. Sie tut dies jedoch nicht im Sinn weltlicher Machtausübung, sondern im Sinn des Reiches Gottes: als „Säule und Fundament der Wahrheit“ (1Tim 3,15). Das kann sehr wohl konflikthaft sein gegenüber dem Wesen der Welt. Dennoch hat es die Funktion der Bewahrung als „Salz der Erde“ (Mt 5,13) und der Orientierung als „Licht der Welt“ (Mt 5,14).

Konsequenzen für die Ausrichtung der Kirche

In dem Buch „Christen sind Fremdbürger“ 2  werden drei Typologien der Kirche beschrieben, wie sie unter uns anzutreffen sind:

a) die Kirche des Aktivismus, die mehr um den Aufbau einer besseren Gesellschaft besorgt ist als um die Erneuerung der Kirche;

b) die Kirche der Bekehrung, die nur für innerlichen Wandel arbeitet und der Welt keine alternative Sozialethik anbieten könnte;

c) die Kirche des Bekenntnisses, die eine radikale Alternative zu a) und b) darstellt:

Nicht der Individualismus von b) mit dem Schwerpunkt der Veränderung der Herzen Einzelner und nicht der Säkularismus von a) mit der Veränderung der Strukturen der Gesellschaft sind wesentlich, sondern die Entschlossenheit der Gemeinde, Christus in allen Dingen Herr sein zu lassen.

Für diese Art von Kirche plädieren die Autoren. Sie rufe freilich auch Menschen zur Umkehr. Aber Bekehrung sei ein langer, durch die Taufe initiierter Prozess des Hineinverwoben-Werdens in ein neues Volk, eine alternative polis 3, eine gegenkulturelle Sozialstruktur namens „Kirche“.

Nach den Worten des Apostels Paulus spielt jedoch nicht nur die irdische und zeitlich begrenzte sichtbare Dimension eine Rolle. Weit darüber hinaus geht es darum, dass „jetzt den Fürsten und Gewalten des himmlischen Bereichs durch die Kirche die vielfältige Weisheit Gottes kundgetan werde“ (Eph 3,10).

Die Gemeinde und Kirche als Ort der besonderen Gegenwart Gottes in dieser Welt, oft sogar dem unansehnlichen Gekreuzigten ähnlich – darauf wartet die Welt eigentlich, bewusst oder unbewusst

Geschieht das wirklich? Nun, die Notwendigkeit der Umkehr, des Umsinnens ist offensichtlich. Die aktuellen Erschütterungen verstärken dies noch. Die Umkehr muss von innen her kommen. So sind unterschiedliche Christen im Gebet neu zusammengerückt. Auch ein neuer Blick für die Not der Welt, die nahen und fernen Nachbarn, hat sich ergeben. Die Gemeinde und Kirche als Ort der besonderen Gegenwart Gottes in dieser Welt, oft sogar dem unansehnlichen Gekreuzigten ähnlich – darauf wartet die Welt eigentlich, bewusst oder unbewusst. Denn sie ahnt doch insgeheim, im Unterschied zu den unverbesserlichen Gottleugnern, dass sie auf die Hilfe Gottes angewiesen ist – und unendlich von ihm geliebt! Nicht von der Welt ist die Kirche in Christus, aber in der Welt und für die Welt. Mit seiner überragenden Weisheit und Geduld verbürgt Christus, das Haupt seines Leibes, die Vollendung der Kirche und Gemeinde zum Segen für die Welt – Gott sei Dank!

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