Aus dem sehr reichen Schatz kontemplativen Lebens kommt dieser Beitrag. Sr. Gertrudis Schinle beschreibt darin das Heranreifen „zur vollen Empfänglichkeit“, dem Kennzeichen wirklichen Kindseins.

Das anhaltende Schauen auf Christus macht, dass wir gesammelt und still werden und ihm die Initiative überlassen. Sein Wille soll in allem geschehen. Er ist der Herr.

Wir erkennen seine Größe immer klarer und werden uns bewusst, wie sehr wir die Empfangenden sein müssen. Fast wie von selbst gelangen wir in den Zustand des Kindseins, den Christus im Evangelium verlangt. Er sagt, dass wir nicht in das Himmelreich eingehen können, wenn wir nicht wie Kinder werden. „Wie Kinder“, das heißt, wenn wir nicht heranreifen zur vollen Empfänglichkeit. Das Kindsein ist etwas, das wir uns selbst nicht geben können. Es geschieht an uns, ohne dass wir es feststellen könnten, durch den Blick auf Christus. Denn dadurch, dass wir den Ewigen, Unbegreiflichen vor Augen haben, hören wir von selber auf, uns groß zu fühlen. Erst dadurch, dass wir merken: Christus ist der Unendliche, Christus ist die Mitte, ist Anfang und Ende, ist derjenige, auf den es ankommt, verlieren wir die gewohnten Maßstäbe. Wir stehen vor ihm wie Kinder in einer unfassbar großen Welt.

Der Glaubensblick ist für uns die hohe Schule des Kindwerdens. Was könnte es Einfacheres geben als ein Kind, das einen Großen anschaut? Weil sich Christus uns gerne mitteilt und es durch den Glaubensblick am einfachsten tun kann, sieht man ihn dann immer größer und größer werden. Und je größer man Christus sieht, desto mehr nimmt auch die Empfänglichkeit für ihn zu, desto unbegreiflicher wird er für uns und desto mehr werden wir ihm gegenüber Kind. Es ist der Blick auf ihn, der uns reif macht. Die Reife besteht darin, dass wir klar sehen, wer Christus ist, was die Welt ist und wer wir selbst sind. Dass wir es verstehen, die Liebe Christi in uns aufzunehmen und uns ihm restlos hinzugeben. Reif ist, wer das große Stillesein gelernt hat vor der Größe Christi. Wer gelernt hat, sich selbst zu übersehen vor dem Anblick Christi. „Wie die Kinder“ werden wir, wenn wir Christus Platz gemacht haben, ganz vor ihm zurückgetreten sind, um ihm allen Raum zu geben; still geworden sind, damit er zu Wort kommen kann.

Christus ist immer unser Erlöser. Sein Erlösungswerk geht der Vollendung entgegen. Was wir zu leisten haben, ist der Glaube an ihn. Denn „das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat“, sagt er (Joh 6,29). Durch den ständigen Glaubensblick macht er uns frei, erlöst uns mehr und mehr von uns selbst und allem, was er nicht ist. Er macht die ganze Schöpfung frei für sich, mehr und mehr, wenn unser Glaube treu ist.

Die ganze Menschheit wird hineingenommen in den Geist der Kindschaft, wenn wir es wagen, Christus anzuschauen, wie Kinder für seine Herrlichkeit empfänglich zu sein, unbesorgt um uns selbst, ganz hingegeben.

Nur wer Kind geworden ist, das heißt reif geworden ist, um alles fallen zu lassen, auch sich selbst, für Christus, kann die Wahrheit empfangen.1


Sr. Gertrudis Schinle OCSO, Trappistin der Klause Egg


Trappistinnen werden umgangssprachlich die weiblichen Angehörigen des Trappistenordens – eigentlich: Zisterzienser der strengeren Observanz (Ordenskürzel: OCSO) – genannt. Die Zisterzienserinnen der strengeren Observanz sind ein monastischer Orden, dessen Angehörige in päpstlicher Klausur leben. Diese kontemplative Lebensweise hat ihren Ursprung in dem Bestreben, das Leben ganz Gott zuzuwenden.

In Deutschland gibt es zwei Trappistinnenklöster. Das ältere ist die Abtei Maria Frieden bei Dahlem (Nordeifel). Die Nonnen der Abtei Maria Frieden besiedelten 1971 auch die Klause Egg in Heiligenberg (Bodenseekreis).

Quelle: Wikipedia

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