Hoffnung, das Geschenk der Gnade, ist ein Gut, vergleichbar einem wachsenden Baum. Kirchenrat Ritter zeigt auf, welche Frucht sie hervorbringt. Das ist ermutigend, gerade auch in Situationen der Trübsal und des Leidens.

Hoffnung
Hoffnung

Der Christ lebt in der Hoffnung und aus der Hoffnung. So, wie der Baum seine Wachstumskräfte aus den Wurzeln empfängt, so lebt der Christ aus diesem neuen Grund seines Daseins. Denn diese Hoffnung ist nicht eine glückliche Eigenschaft seiner Natur, eine Qualität seiner Psyche, ein beneidenswerter Optimismus. Sie ist Geschenk, Gabe der Gnade. Hoffnung ist ausstrahlende Kraft. Wo ein Mensch der Hoffnung auftritt, verwandelt sich die Atmosphäre. Verschlossene Tore öffnen sich. Hoffnung ist eine befreiende Kraft. Es ist in dem Hoffenden etwas wirksam von dem, was er erhofft. Die Hoffnung richtet sich nicht bloß auf ein Jenseits. Wo die Hoffnung des Christen – gibt es eine andere? – so verstanden wird, ist sie missverstanden. Der Christ hofft auf eine Zukunft, die schon angebrochen ist.

Das Reich Gottes ist in uns, mitten unter uns, vor uns und außer uns. In der Hoffnung sind Gott und Mensch, das zukünftige Reich und die heutige Welt hier und jetzt miteinander verbunden. Gewiss, der Hoffende leidet, denn „es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden“ (1Joh 3,2). Aber der Hoffende lebt, liebt und handelt aus der Kraft der Hoffnung. Und darin hebt die Zukunft an, ist sie zugleich auch Ankunft. Es in dieser Spannung auszuhalten, der Spannung zwischen dem „Noch nicht“ und dem „Schon heute“ – das ist die Hoffnung. Darum ist die erste Frucht der Hoffnung die Gelassenheit. In allem verwirrenden Durcheinander und Gegeneinander, in allen Drohungen und Beängstigungen unseres natürlichen und geschichtlichen Daseins bewahrt der Hoffende seine Gelassenheit. Es kann ihm nichts geschehen, was nicht zuletzt dem Fortschreiten auf dem Weg zum Hoffnungsziel dienlich wäre.

Sie ist Geschenk, Gabe der Gnade. Hoffnung ist ausstrahlende Kraft. Wo ein Mensch der Hoffnung auftritt, verwandelt sich die Atmosphäre

Die andere Frucht ist die Geduld. Die Hoffnung rechnet in aller Nüchternheit mit den Bedrängnissen und Verlegenheiten des menschlichen Daseins, mit dem Auftreten immer neuer Hindernisse, mit dem Zwang zu immer neuen Umwegen. Die Heilige Schrift rechnet mit alledem, man ist versucht zu sagen: auf jeder Seite. Sie lässt keinen Zweifel darüber, dass wir „durch viel Trübsal in das Reich Gottes gehen“ (Apg 14,22). Aber sie bezeugt ebenso: „Wir wissen, dass Trübsal Geduld bringt“ (Röm 5,3). Die Trübsal lockt gleichsam die Geduld hervor, wenn der Mensch ein Hoffender ist. Nicht nur, dass der Hoffende sich nicht beirren lässt und, weil er „fröhlich in Hoffnung“ ist, auch „geduldig in der Trübsal“ zu sein vermag (Röm 12,12). Der Apostel sagt es noch stärker: „Ich habe überschwängliche Freude in aller unserer Trübsal“ (2Kor 7,4). Er erkennt, dass diese Trübsal ein Mittel ist, uns auf dem Weg der Hoffnung voranzubringen, uns dem Ziel anzunähern: „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist“ (man höre, so urteilt einer, der durch alle Abgründe der Anfechtung und Verfolgung hindurch musste), „schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit“ (2Kor 4,17). Und bei wem geschieht dieses Wunder? Bei denen, die das Hoffnungsziel vor Augen haben – bei den Hoffenden.

Die Geduld also ist die Kraft des Hoffenden, auszuhalten, darunter zu bleiben. Sie ist Standhaftigkeit. Der Hoffende hat die Möglichkeit, er hat die Freiheit, zu erdulden, aber nicht zu weichen. Er flieht auch nicht in die Zerstreuung, in die Betäubung. Er bleibt wach und stumpft nicht ab. Und darum überwindet er zuletzt auch im Leiden und gerade in der Tiefe des Leidens. Er weicht nicht aus. Darum gewinnt er die Weisheit des im Schmerz Erfahrenen und Erprobten. Weil er sich dem vollen Menschsein nicht entzogen hat, weder in illusionären Träumen noch in Resignation, weil er das Leben geschmeckt hat, so wie es ist, aber nicht daran zugrunde gegangen ist (er lebt ja in der Hoffnung), darum bringt er auch „Frucht, die bleibt“ (Joh 15,16), darum ist ihm der Kranz des Siegers gewiss (vgl. 1Kor 9,25). 1


Fussnoten[+]