Hoffnung und Heiliger Geist – ein verheißungsvolles Begriffspaar! Es geht auf ein wunderbares Ziel Gottes zu in der Menschheits- oder Heilsgeschichte. Die Dimensionen dessen, worauf sich unsere ganze Hoffnung ausrichten kann, sind menschlich unvorstellbar. Durch Brüche und Erschütterungen hindurch, also auch über Gerichtswege Gottes, dürfen wir auf die göttliche Vollendung hoffen.
Was wäre eine Menschheit, ein einzelner Mensch ohne Hoffnung? Für den Gläubigen ist Hoffnung grundlegend, wie der Apostel Paulus in Röm 5,1-5 unmissverständlich klarmacht.
Hoffnung lässt nicht zuschanden werden, sie setzt vielmehr ungeahnte Kräfte frei. Das Gegenteil von Hoffnung sind Resignation und Depression. Sie rauben Menschen den Antrieb, lähmen und lassen sie schließlich aufgeben. Hoffnung hat also mit Zuversicht und der Gewinnung und Freisetzung von Kräften, mit dem Leben und seiner Vitalität zu tun. Durch den Lebensatem, den Odem Gottes, wurde sie dem Menschen von Anbeginn eingehaucht. Seither ist der Mensch ein Geschöpf, das auf Gemeinschaft und Liebe hofft und sich danach sehnt.
Gottes schöpferischer Geist, der Leben und Hoffnung wirkt, wird uns im Schöpfungsbericht vor Augen gestellt:
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“ (1Mose 1,1-2).
Der Geist Gottes, so führt es der biblische Schreiber aus, ist in den Vorgang der Schöpfung einbezogen und wesentlich beteiligt. Manche Ausleger übersetzen statt „schweben“ auch dem Wortsinn des hebräischen Textes folgend: „… und Odem Gottes war brütend über dem Antlitz der Wasser“. Wenn die Kraft Gottes über Menschen oder Dinge kommt, ist das immer mit Schöpfung, Neuwerdung, Geburt verbunden.
Jesus weist den Pharisäer Nikodemus, der ihn zu nächtlicher Stunde aufsucht, darauf hin, dass es nicht auf Klugheit oder Wissen in der Frömmigkeit und Gottesbeziehung ankommt, sondern auf ein Neugeborenwerden von oben her, um in das Königreich Gottes einzugehen.
Denken wir im Blick auf die Ankündigung der Geburt Jesu auch an die Verheißung, die der Engel Gabriel Maria verkündet: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35).
Auch am Geburtstag der Kirche, am Pfingsttag, spielt der Heilige Geist die entscheidende und „zündende“ Rolle (Apg 2). Gott sendet seinen Schöpfer-Geist aus, um Menschen aus allen Ländern und Sprachen zu einem heiligen Gottesvolk zusammenzufügen. Von diesem Tag an breiten sich der Glaube an und die Hoffnung auf das Evangelium vom Reich Gottes über den ganzen Erdkreis aus.
So, wie es an vielen Stellen der Heiligen Schrift bezeugt wird, glauben und erkennen wir auch in der Kirchengeschichte das Walten und Wirken Gottes im und durch den Heiligen Geist. Nicht nur in der Pfingstbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern immer dann, wenn der Geist Menschen ihrer Sünden überführt und sie sich Gott zuwenden, können wir sein schöpferisches Wirken erkennen. Auch im Leben in der Verborgenheit lebender Menschen wird etwas vom hoffnungsvollen Wirken Gottes deutlich, selbst wenn es ausgelöscht zu werden droht (Dietrich Bonhoeffer, P. Maximilian Kolbe, P. Josef Kentenich u.v.m.). Leben im Geist und durch den Geist Gottes ist stets ein Leben auf Hoffnung – eine Hoffnung, die über unser endliches, irdisches Leben hinaus in die Ewigkeit Gottes hineinreicht.
So dürfen wir dankbar bezeugen, dass letztlich jeder Christ durch die Taufe und den Glauben ein geistgewirkter Christus- und Hoffnungsträger ist. Jegliche christliche Hoffnung ist ihrem Wesen nach Ewigkeitshoffnung und weist über das irdische Dasein hinaus. „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen“ – schreibt Paulus in 1Kor 15,19.
Was von „oben“ gewirkt und geboren wurde, sehnt sich auch wiederum zurück nach „oben“ und findet nur dort seine eigentliche Erfüllung und Vollendung.
Mit der Schöpfung und Heilsgeschichte hat Gott durch die Kraft des Heiligen Geistes eine Entwicklung in Gang gesetzt, die aber noch der Vollendung bedarf.
Eindrücklich legt Paulus das in 1Kor 15,21-28 dar. Er muss den Korinthern drängende Fragen beantworten und spannt in seiner Antwort einen weiten Bogen über die gesamte Heilsgeschichte Gottes hin aus. Beginnend mit dem Sündenfall des Menschen, des ersten Adams, der das Sterben aller zur Folge hat, macht er deutlich, wie es durch die Auferstehung des zweiten Adams, Jesus Christus, zu einer Lebendigmachung aller kommt. Das geschieht stufenweise. Gott hat in seiner Weisheit unzählige Wege und „Entwicklungsprozesse“ geplant, bis er mit seiner Schöpfung zur Vollendung gelangen wird (Röm 8,20-21).Dazu werden nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift auch Gerichtswege und für uns Menschen unerforschliche und unbegreifliche Wege Gottes gehören. Der erste Korintherbrief bezeugt, dass dieser Entwicklungsprozess mit dem Erstling Christus beginnt. Dann geht es weiter mit denen, die zu Christus gehören. Am Ende wird Jesus Christus das Reich dem Vater übergeben. Dieses Reich wird vollkommen und vollendet sein.
Was aber bedeutet es nun, wenn Gott alles in allem sein wird (1Kor 15,28)? Wie kann man sich diesen Zustand vorstellen, der doch in der Zukunft liegt? Eine zentrale Bibelstelle, die die Vollendung beschreibt, in der alles so geordnet sein wird, wie Gott es vorgesehen hat, ist das Hohelied der Liebe (1Kor 13), das in dem Zeugnis gipfelt: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ (Vers 13). Diese Liebe, so führt es Paulus dort aus, ist etwas zutiefst Göttliches und damit das Bleibende, Ewige. Die Liebe hört niemals auf (1Kor 13,8). Da die Liebe nicht das Ihre sucht, ist sie immer auf das Wohl des anderen bezogen. Die Liebe will dem anderen dienen, ihn erfreuen und ihn zur Vollendung führen.
Der Ausdruck „alles in allem“ oder „alles in allen“ – beide Übersetzungen sind möglich – deutet an: Hier geht es um Gott und um alle anderen! Was aber passiert jetzt mit diesen „allen“ in der Vollendung? Sie werden mit Gott und seinem Wesen, also der Liebe (1Joh 4,16), ganz erfüllt werden! Gott wird dann in und mit seiner Liebe alles in allen – in jedem Menschen und Wesen – sein. Dann wird es in mir und allen anderen keinen Bereich mehr geben, der nicht mit dem Wesen Gottes durchdrungen sein wird. Jeder Bereich des menschlichen Seins, ja der Schöpfung wird dann ganz von der Liebe Gottes erfüllt sein.
Zwar lebt Jesus Christus schon heute durch den Heiligen Geist in jedem Getauften, aber wir sind noch unterwegs, und die noch vorhandenen Regungen des alten Adams machen uns Christen – und unseren Mitmenschen – oft sehr zu schaffen. Nach der endgültigen Vereinigung mit dem Herrn Jesus Christus werden wir nach Leib, Seele und Geist ganz und gar mit Gottes Wesen und seiner Liebe erfüllt sein, und doch werden wir auch Individuen bleiben. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich als Glied am Leib Jesu eine ganz einmalige Funktion habe und auch haben werde, so wie alle anderen Glieder auch. Die Vielfalt hört in der Vollendung nicht auf, im Gegenteil: Sie wird die Kreativität und Vielgestaltigkeit Gottes noch herrlicher offenbaren.
Damit Gott sei alles in allen und in allem: Diese schon angebrochene Realität gilt es immer mehr zu glauben, zu hoffen und zu lieben, damit die ganze Menschheit und die gesamte Schöpfung zum Ziel kommen werden.
Matthias Delle, Vereinigung vom gemeinsamen Leben