Jesus und der Vater – welch ein Privileg ist es für uns, Näheres über die Beziehung des Sohnes zu seinem Vater in der Heiligen Schrift erfahren zu können. Bei den verschiedenen Lebensstationen Jesu wird deutlich, wie die Liebe des Vaters ihn umfängt. Das ermutigt und ernährt seine eigene Liebe. So wird Jesus auch befähigt, den erschütternden Gehorsamsweg ins Leiden zugunsten der ganzen Welt Gottes zu gehen, der in einzigartiger Weise die Herrlichkeit Gottes aufleuchten lässt.

Durch seine Entäußerung lebte Jesus als Mensch in einem Gegenüber zum himmlischen Vater und lässt uns so sichtbar teilhaben an seinem Glauben und seinem Gehorsam. 

Der Glaube ist ein Beziehungsgeschehen. Und wie der Gehorsam (vgl. Hebr 5,8) so zeigt auch der Glaube Jesu verschiedene Facetten oder gar Wachstumswege auf. Der Ansatz, vom Glauben als Beziehungsgeschehen – hier zwischen Jesus und dem Vater – zu sprechen, bringt uns auf die Spur, in den Evangelien nach offenbaren, gehörten, gesehenen „Begegnungen“ zwischen Vater und Sohn Ausschau zu halten und so einen Glaubensweg Jesu nachzuzeichnen. In Jesus sind immer alle Aspekte der Beziehung zum Vater gleichzeitig präsent, dennoch lassen sich schwerpunktmäßig Einzelheiten seines Glaubens erkennen.

Ein erstes Ereignis, bei dem uns in den Evangelien von der Stimme des Vaters aus dem Himmel erzählt wird, ist die Taufe Jesu. Seine Geburt, seine Kindheit in Nazareth, sein Weg mit Maria und Josef zeugen davon, dass Gott sich in seinem Sohn auf das Menschsein existenziell einlässt. Nach der Taufe im Jordan „geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“ (Mk 1,11). Jesus lässt sich leibhaftig auf die Sendung als Sohn (Ps 2,7), den Weg des Gottesknechtes (Jes 42,1) und damit auf das stellvertretende Sühneopfer ein. Dieses leibhaftige Erleben in dem Untertauchen seiner menschlichen Existenz in das Wasser des Jordans bezeugt damit auch den Schöpfer allen Seins. Es ist das Ja Jesu zum Weg des Vaters: Den Geschöpfen gleich geht er in den Tod hinein und erlebt durch das Auftauchen aus dem Wasser die Auferstehung. So beginnt Jesu Sendung in die Öffentlichkeit als der menschgewordene Sohn des himmlischen Vaters. In der Begegnung mit dem Vater in der Stimme vom Himmel und der Herabkunft des Heiligen Geistes erlebt Jesus die Bestätigung seines Glaubens: Sein ganzes Leben lebt er gleich seinen Menschenbrüdern und gibt es darin für sie.

Jesus erlebt in seiner Beziehung zum Vater die unfassbare Gottverlassenheit. Damit schenkt er der Welt neu die Beziehung zum Vater – im Glauben. Gottes Antwort ist die Auferweckung seines Sohnes von den Toten.

Sr. Petra Hahn

Auch auf dem Berg der Verklärung ist die Stimme aus der Wolke als Antwort des Vaters auf den Glaubensweg Jesu zu hören: „Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!“ (Mk 9,7b) Wieder ist es eine Bestätigung des Leidensweges Jesu. Mose und Elia sprechen dort auf dem Berg mit ihm über seinen Weg nach Jerusalem. Jesus lässt sich für die drei Jünger, die er mit sich genommen hat, sichtbar einfügen in Gottes Heilsgeschichte mit seinem Volk. Gesetz und Propheten sind in den beiden Glaubenszeugen des alten Bundes gegenwärtig. Auch in diesem Geschehen ist Jesus in seinem irdischen Leben treu und bejaht den Weg Gottes durch die Zeiten, trotz und in allem Ungehorsam und aller Schuld. Auch hier ist durch die Verklärung, dem Aufstrahlen der himmlischen Wirklichkeit über dem irdischen Geschehen, neben dem Leidensweg bereits die Herrlichkeit des Sieges am Kreuz präsent. In der Begegnung mit dem Vater in der Stimme vom Himmel erlebt Jesus die Bestätigung seines Glaubens, mit seinem Leben eingefügt zu sein in den Heilsplan Gottes durch die Geschichte seines Volkes.

Jesus lässt sich sichtbar einfügen in Gottes Heilsgeschichte mit seinem Volk. 

In seiner Rede vom Weizenkorngeheimnis (Joh 12,24) wird dies nochmals aufgenommen und verstärkt. In Joh 11 ist das Ringen Jesu zu ahnen, ob nun der Zeitpunkt gekommen ist, nach Jerusalem zu ziehen. Im folgenden Kapitel des Johannesevangeliums macht Jesus seinen Jüngern deutlich, dass er sein Sterben und die Verherrlichung nicht trennt. Er schaut und lebt die Passion als Sieg. „Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen“ (Joh 12,28). In der Begegnung mit dem Vater in der Stimme vom Himmel erlebt Jesus, dass die Bestätigung seines Glaubens als Sieg des Lebens im Tod für die umstehenden Menschen wichtig ist, um seinen Glauben teilen zu können.

Dass auch dieses Erleben existenziell von ihm durch seinen Glauben erlitten wird, macht das Schweigen Gottes auf Golgatha deutlich. Wie sehr muss der Gottessohn gelitten haben, als sein Glaube als Beziehungsgeschehen keine Antwort erhält: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34) Hier erlebt Jesus in seiner Beziehung zum Vater die unfassbare Gottverlassenheit. Damit schenkt er der Welt neu die Beziehung zum Vater – im Glauben. Gottes Antwort ist die Auferweckung seines Sohnes von den Toten!

Der Seher Johannes darf in der Offenbarung noch weiterschauen. Er sieht das Buch mit den sieben Siegeln. Er weint, weil niemand im Himmel und auf Erden würdig scheint, in dieses Buch zu schauen. Er weiß, dass sich im Öffnen dieses Buches der Sinn der Geschichte enthüllt, erfüllt und vollendet. Und dann sieht er das Lamm. „Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß“ (Offb 5,7). Hier vollendet sich Jesu Weg des Glaubens, indem er das Buch aus der Hand des Vaters nimmt und die Heilsgeschichte durch das Öffnen der Siegel zur Vollendung führt.


Durch seine Entäußerung lässt uns Jesus sichtbar teilhaben an seinem Glauben und seinem Gehorsam.

Sr. Petra Hahn, Vereinigung vom gemeinsamen Leben