Wie umfassend die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sind, leuchtet durch den Beitrag des Gründers des Schweizerischen Diakonievereins, Br. Gotthilf Haug auf. Dieses eine Leben Gottes will in und unter uns Menschen mit den genannten drei Tugenden oder Gaben Gestalt gewinnen und seine Präsenz in unserer Welt stärken.

„Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2Kor 13,13) Dieses Wort des Apostels Paulus an die Gemeinde zu Korinth, das wir ja alle kennen und so oft sagen, wollen wir recht von Herzen erfassen und betrachten. Es ist ein Wort, das uns den Grund, das Wesen und das Ziel der Gemeinde 1 und der Gemeinschaft angibt. 

In unseren Tagen lernt man überall, die Verbundenheit eines Volkes oder einer Kirche, ja aller Völker und Kirchen neu wertzuschätzen. Und doch, mit Schmerzen erleben wir es bei uns und anderen, wie unvollkommen sie menschlicherseits ist. Die Gemeinschaft der Kinder Gottes ist von ihrem übernatürlichen Ursprung her aber ganz anderer Art. Sie kennt keine Grenzen für ihre göttliche Lebens-, Liebes-, Opfer- und Diensteinheit, sie erstreckt sich nicht nur über bestimmte Länder oder Konfessionen.

Der fromme Maler Albrecht Dürer stellt auf einem Altargemälde  dar, von welchem Mittelpunkt aus die christliche, alle und alles umfassende Gemeinschaft Kraft und Leben erhält. Er zeigt Christus, den Gekreuzigten, von den Armen des Vaters umschlossen, darüber die Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes und im Umkreis die Gemeinde der Kinder Gottes inmitten der ganzen Schöpfung. 

Der fromme Maler Albrecht Dürer stellt auf einem Altargemälde  dar, von welchem Mittelpunkt aus die christliche, alle und alles umfassende Gemeinschaft Kraft und Leben erhält. Er zeigt Christus, den Gekreuzigten, von den Armen des Vaters umschlossen, darüber die Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes und im Umkreis die Gemeinde der Kinder Gottes inmitten der ganzen Schöpfung. 

Man sieht ähnliche Bilder ja öfter. Auf einigen Darstellungen der heiligen Dreieinigkeit sieht man auch Maria, die Mutter des Heilands, umgeben von Engeln abgebildet. Dann – in einem weiten Kreis – die Heiligen und Märtyrer der ersten Christenheit. Dann die Vertreter der katholischen Kirche, weiterhin die Reformatoren und andere Glieder der evangelischen Gemeinde – und so fort bis zu allen Völkern und Ländern, die ganze Christenheit und die ganze Menschheit aller Orten und Zeiten umfassend. 

Das alles soll ein Anschauungsunterricht zu unserem oben angegebenen Text sein: 

Durch die Gnade, die uns in Christus geschenkt ist, durch die Liebe Gottes des Vaters und durch die Kraft des Heiligen Geistes, aus der heiligen Dreieinigkeit, wird die Gemeinschaft der Kinder Gottes, die brüderliche Lebens- und Liebeseinheit aller Christen geboren und erhalten.

Das Fest der Heiligen Dreieinigkeit (Trinitatis) leitet die zweite Hälfte des Kirchenjahres ein und prägt sie. Es ist, als würde an diesem Tag der ganze Reichtum göttlicher Gaben zusammengefasst und der Gemeinde verkündet, als offenbarte sich in der Liebe des Vaters, in der Gnade des Sohnes und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes noch einmal die ganze Größe und Herrlichkeit des einen ewigen, dreimal heiligen Gottes. Uns allen, die das Gewissen verklagt, wird die vergebende Gnade unseres Heilands zugesprochen. Uns allen, die in Schuld und Not verstrickt sind, steht Gottes Liebe offen. Wir alle dürfen die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Und wo alle Christen sich unter den vollen Segen des dreieinigen Gottes stellen, da ersteht auch die Einheit der Gemeinde Jesu in ihrer wahren Gestalt. So erleben wir das Kirchenjahr in seinen zwei großen Hälften: die erste als die Selbstoffenbarung des dreieinigen Gottes und die zweite als das Offenbarwerden der einen Gemeinde.

Es ist außerordentlich wichtig, dass wir den ganzen Heilsplan, seine Entfaltung und Einheit, seinen Anfang und sein Ziel in der göttlichen Dreieinigkeit erkennen. In diesem Geheimnis des Glaubens liegt auch das Geheimnis unseres persönlichen Lebens und der Lebenseinheit der Christenheit und der Menschheit verborgen. In ihm sind alles Leben und alle Lebensäußerungen als Anfang, Entwicklung und Zielsetzung begründet. In ihm ist erst das volle, reiche, glückliche Leben enthalten. In diesem Sinn kann man von Christen sprechen, die hauptsächlich an den lieben Gott, den himmlischen Vater, glauben, und von solchen, die die Gnade des Heilands erfahren haben. Dann von anderen, die von der Fülle und den Gaben des Heiligen Geistes aus Erfahrung wissen. Und weiter von denjenigen, die in und aus der Lebens- und Liebeseinheit des dreieinigen Gottes ihr ganzes Sein und Wesen, ihr Denken, Reden und Handeln, ihre Lebensanschauung und ihre Lebenshaltung suchen, finden und ableiten. 

Wir Christen sind reich und glücklich in Gott, in seiner Liebe, Gnade und Güte. Wir wissen auch von unserer Verpflichtung zur Barmherzigkeit, Brüderlichkeit und Friedfertigkeit. Aber wir sehen und erfahren es auch immer wieder, dass es uns oft dennoch nicht zum Erfassen und Festhalten der göttlichen Lebens-, Liebes- und Diensteinheit reicht. Wir sind dann auch liebenswürdig, gütig, freundlich, oft sogar in einem hohen Grad. Und doch kennen wir nicht jene Herzensreligion, jene verzehrende Sehnsucht, jenes leidenschaftliche Verlangen nach christlicher Lebenseinheit, nach dem göttlichen „Kommunionismus“2, nach völliger, restloser, unzertrennlicher, alle und alles umfassender Liebesgemeinschaft nach dem 13. Kapitel des 1. Korintherbriefs, dem Hohelied der Liebe des Apostels Paulus. 

So ist es auch mit den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften, mögen sie heißen wie sie wollen. Schon in ihren Namen wird es offenbar und ihre ganze Art zeigt es deutlich, dass sie viel, sehr viel von Gott, von Religion, von christlicher Lebensführung wissen und sich auch bemühen, entsprechend ihrer Erkenntnis zu handeln. Und dennoch reicht es ihnen nicht zu einer wirklichen, bewussten und gewollten Lebenseinheit, zu der Reichsgottesgesinnung und -haltung. 

Die Zeit, da die erste Liebe, die Liebe der ersten Christen wieder erneuert wird, die apostolische Zeit, da die Gläubigen nur ein Herz und eine Seele waren und keiner von seinen Gütern behauptet, dass sie ihm eigen seien, und wo alle alles gemeinsam besitzen, diese Zeit der heiligen Dreifaltigkeit, diese glückselige, harmonische Zeit der wahren Liebe, der Bruderschaft Christi, muss erst noch kommen. Ja, sie muss und sie wird noch kommen, vorerst nicht in der ganzen Christenheit und nicht in den Kirchen insgesamt, sondern in den einzelnen Gläubigen, den Christen, die alles verlassen haben und Christus nachgefolgt sind, und durch sie dann für alle Getauften und auch für die verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften. 

O dieses Leben der heiligen Dreieinigkeit, dieses Einssein mit Gott und seinem ganzen Leben, dieses Stehen in der ganzen Kirche und in aller Wahrheit! Wer kann den Reichtum, die Glückseligkeit, den Frieden und die Ruhe dieses einen, einzigen Lebens ausdenken und schildern? 3

Br. Gotthilf Haug, Brüder vom gemeinsamen Leben

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