Dr. [[Max Josef Metzger]] (1887 – 1944), Priester und leidenschaftlicher Ökumeniker, wurde unter dem Nazi-Regime hingerichtet. In der Todeszelle verfasste er gleichsam als Vermächtnis die „Theologischen Abhandlungen über das Königtum Christi”. Darin beschreibt er die Bestimmung der Kirche: Sie soll die Königsherrschaft Christi (er bezeichnet es auch gerne als die Königsherrschaft des Kyrios) bezeugen und in Erscheinung treten lassen. Da die Kirche in dieser Erdenzeit aber immer auch durch Schwachheit und Sünde gekennzeichnet ist, bedarf sie selber des Dienstes. Sie braucht einen Organismus im Inneren, der das große Ziel der Berufung für das Ganze wach und lebendig hält. Eine solche innere Wirklichkeit der Kirche tritt nicht in erster Linie durch praktische Aufgaben in Erscheinung. Sie wirkt durch ihr Dasein. Metzger beschreibt sie als „Orden der Zukunft”. Damit entwirft er nicht einen neuen, idealen Orden. Vielmehr versucht er in Worte zu fassen, was er als innerstes Wesen der Kirche geschaut hat.
Wir drucken im Folgenden Auszüge aus seinem Text ab:
Wie müsste der „Orden der Zukunft” aussehen, der solchen Dienst der Kirche Christi zu leisten berufen wäre? Er müsste in sich im Kleinen, gleichsam als Prototyp, lebendig und überzeugungskräftig die Kirche Christi in ihrem wahren und echten Geist, ihrem äußeren Wirken und inneren Leben, zum Ausdruck bringen.
Einheit in der Mannigfaltigkeit (Katholizität), Heiligkeit und Apostolizität, die Grundeigenschaften der Kirche Christi, müssten in diesem Orden zutage treten, dass durch die von ihm ausgehende motorische Kraft die Gesamtkirche aus stagnierender Ruhe wieder in lebendige Bewegtheit käme in Richtung auf das große Ziel, das Reich Jesu Christi. Einheit in der Mannigfaltigkeit, Mannigfaltigkeit in der Einheit! Der Orden vom Reich Christi – nennen wir ihn einmal kurz Kyriosorden – müsste als „ecclesiola in ecclesia” sich in gleicher Weise auf beide Geschlechter erstrecken, wie dies schon im Abendmahlssaal nach der Himmelfahrt des Herrn in der sich bildenden Herrengemeinde als ein charakteristischer Zug in die Erscheinung trat.
Der Kyriosorden müsste allen Berufen in gleicher Weise offenstehen, sofern nur die für den Orden wesentliche apostolische Grundberufung gegeben ist. Vom Akademiker bis zum Ungebildeten sollten alle Bildungsschichten in ihm – wie am Tisch des Herrn – in geschwisterlicher Gemeinschaft verbunden sein, wobei jedes Glied ohne Überheblichkeit oder Minderwertigkeitsanwandlung den ihm aufgrund seines gottgegebenen Talents zugewiesenen Dienst am Ganzen schlicht und einfach erfüllte; solche Gemeinschaft wäre eine tägliche Schule der Einfachheit, Demut und Liebe, durch die die Jüngerschar Christi ausgezeichnet sein muss, durch die sie überzeugend wirkt wie die Urgemeinde: … ein Herz und eine Seele!
(Weihe-) Priester und (priesterliche) Laien müssten in ihm brüderlich vereint, wechselseitig ehrfürchtige Liebe und Dienstbereitschaft, ja in der Tat den Geist der Fußwaschung, sinnfällig verwirklichen.
Aber auch die standesmäßige Sonderberufung der einzelnen müsste im Kyriosorden ihre Form der Verwirklichung finden: Die jungfräulich von aller Bindung des Blutes um des Herrn willen Gelösten müssten in ihm eine herzwarme Familie des Geistes finden, in der sie verwurzeln, von der getragen sie dem großen Apostolat des Reiches sich hingeben oder, gemäß ihrer Veranlagung und Vorbildung, ihren geistigen oder praktischen Dienst im Werk verwirklichen können. Aber so wesentlich diese gegebene Kerngemeinschaft innerhalb des Ordens sein mag, so nötig ist ihm selbst die Ergänzung durch diejenigen, die aufgrund der Ausübung ihres bürgerlichen Berufes ganz im Leben der Zeit und der Welt stehen; als zweite grundwesentliche Säule des Gesamtordens muss die Schar derer im Orden wirken, die im Getriebe des Lebens der Welt stehen und dort Gemeinschaft der Heiligen darstellen sollen.
Ja, es gilt diese Erwägung schließlich auch von der Einbeziehung der Ehe in die Lebens- und Wirksphäre des Ordens. Die Eheleute sind nicht weniger als andere zur Jüngerschaft Christi und zur Vollkommenheit der Liebe aufgerufen und erhalten im Sakrament eben dazu die tägliche Gnadenausrüstung; die Welt ist nicht für den Herrn zu gewinnen, wenn nicht der schöpfungsmäßige Brunnquell des natürlichen Lebens von der Kraft des Heiligen Geistes neu durchdrungen wird, wenn nicht echte Christkönigsfamilien vorleben, dass und wie solches Geheimnis der Gnade geschieht. So muss innerhalb des Kyriosordens ein Lebens- und Entfaltungsraum für wahrhaft apostolische Eheleute gegeben sein. So schwierig die praktische Verwirklichung der Forderung nach irgendwelcher Vereinigung der Ehelosen und der Verheirateten in der Einheit des Ordens sein mag, sie ist ein Prüfstein der wahrhaften Berufung des Ordens als Erneuerungszentrum der Kirche Christi.
Der Kyriosorden darf als solcher keiner Nation zugehören, keiner nationalen Kultur verschrieben sein, sondern wird insofern wahrhaft katholisch, d.h. allumfassend sein, als er grundsätzlich allen Nationen offen steht, ja, sich bemüht, in allen Wurzeln zu fassen.
Innerhalb des Kyriosordens muss wie im Großen der Kirche sich ein steter Ausgleich vollziehen zwischen dem mehr „beschaulichen” und den mehr „aktiven” Berufungen, der mehr „methodischen” und den mehr „Geistesfreiheit” in Anspruch nehmenden Richtungen. Diese Katholizität wird die ganze Geisteshaltung des Kyriosordens bestimmen. Aller geistigen Verengung abhold, wird er in großer Freiheit sich des ganzen Reichtums der Gesamtkirche freuen, der Charismen des Ostens wie des Westens, des Nordens wie des Südens, der Urgemeinde, des Mittelalters und der Neuzeit. Seine Theologie und Verkündigung wird vor allem eine aus den Offenbarungsquellen schöpfende biblische, darum einfache und wesenhafte sein; doch wird der Orden in überzeitlicher katholischer Weite bei den Vätern, aber auch bei allen geisterleuchteten Epigonen, allen Lehrern der Kirche, demütig und lernbegierig in die Schule gehen, ohne aber auf einen zu schwören als ihrer aller Meister. Allen Einseitigkeiten abgeneigt, dient der Kyriosorden in allem der in Gott verwirklichten Fülle, ja, der Kyriosorden wird so katholisch sein, dass er auch die in den abgespaltenen Gruppen verstreuten Sprengstücke göttlicher Wahrheit wieder einzusammeln sucht in die große Scheune des Herrn, um so auch deren Wortführer heimzuführen zur einen Herde. Der wahrhaft katholische Orden überwindet alle Häresie von innen heraus und verwirklicht so die heilige Einheit der Kirche.
(Auszüge aus: Theologische Abhandlungen über die Kirche – in: Maranatha, Gedenkschrift z.25. Todestag v. M.J.Metzger 1969)