Welches Weltverständnis steht hinter den aktuellen technischen Entwicklungen? Wie sieht dagegen das biblische Weltbild aus? Unterschiede dieser Art wirken sich auf die Frage nach Werten und der Zukunft aus. Auf diesem Hintergrund nennt Claus Lewerentz fünf konkrete Bereiche, bei denen im Sinn einer Unterscheidung der Geister sich zeigen muss, wohin die Reise gehen kann. Als Ebenbilder Gottes sind wir Menschen gefragt, unser schöpferisches Potential lebensdienlich einzusetzen. Als Christen sind wir aufgerufen, auch auf diesem Gebiet unsere königlich-priesterliche Berufung zu leben.

Das Weltbild unserer Zeit ist geprägt von den Geistesströmungen der Aufklärung, der Naturwissenschaft, des Humanismus und des Individualismus. Es herrscht überwiegend ein mechanistisches Weltverständnis mit weitgehend klaren Ursache-Wirkung-Zusammenhängen, in dem auch der Mensch als „biologische Maschine“ gesehen wird. Das Denken und Fühlen des Menschen werden als neuronaler, d. h. in den Nerven- und Gehirnzellen ablaufender Informationsverarbeitungsprozess gesehen und so das ganze Leben mit all seinen Aspekten (einschließlich Kreativität, Liebe und Spiritualität) als biomechanischer Prozess verstanden. In Hinblick auf den Menschen werden vor allem die kognitiven und rationalen Fähigkeiten betont. In dieser Denkweise ist aus vorliegenden Daten und Informationen der Vergangenheit mit Hilfe von statistischen Modellen und algorithmischen Verfahren alles erklärbar und zukünftiges Handeln und Geschehen vorhersagbar. Ein Beispiel dafür ist die Wettervorhersage auf der Grundlage von Wettermodellen und beobachteten Wetterdaten. Die Zukunft ist ausschließlich von der Vergangenheit bestimmt.

Eine weitere wichtige Annahme kommt aus der Evolutionstheorie. Das Prinzip der Evolution mit dem Überleben des am besten angepassten Organismus und damit dem Zwang zur ständigen Optimierung wird als zentraler Entwicklungsmechanismus sowohl für biologische als auch technisch-organisatorische Systeme gesehen. In diesem Weltbild ist Ethik nicht viel mehr als eine Übereinkunft zur Regulation von Interessenkonflikten.

KI-Systeme mit ihrer datenbasierten Simulation von kognitiven Fähigkeiten, ihrer Lern- und Anpassungsfähigkeit sind ein direktes Abbild dieser Weltsicht und können so als weiterer Schritt in der Evolution angesehen werden. Es ist nur folgerichtig zu erwarten, dass KI-Systeme irgendwann durch permanente Selbstoptimierung die Fähigkeiten menschlicher (kognitiver) Intelligenz übertreffen werden und damit „übermenschliche technische Systeme“ entstehen werden. Die Maschine wird sich dadurch sogar vom Menschen emanzipieren, eigenes Bewusstsein haben und post- bzw. transhumane, unsterbliche Lebensformen schaffen. Ray Kurzweil nennt diesen von ihm für etwa im Jahr 2045 erwarteten und unumkehrbaren Übergang „Technologische Singularität“1

Im Kontrast dazu geht ein biblisches Weltbild von einem Schöpfergott aus, der in einem dialogischen Gegenüber und einer permanenten Liebesbeziehung zu seiner Schöpfung und damit insbesondere den Menschen steht. Gott hat ein Ziel für seine Schöpfung, nämlich die Vollendung und Wiederherstellung dieser Schöpfung in einer neuen Welt. Im Unterschied zu einer offenen, durch Zufall und Evolutionsmechanismen geprägten Zukunft finden wir hier eine verheißungsorientierte Entfaltungs- und Vollendungsdynamik des Reiches Gottes. 

Es gibt eine bereits existierende Zukunft, die uns mit dem wiederkommenden Christus entgegenkommt.

Der Mensch ist ein lebendiges Wesen aus Leib, Seele, Herz und Geist und darin Träger göttlichen Geistes, der ihn immer wieder neu belebt und inspiriert. Er ist fähig zur Sinnfindung, Selbstüberschreitung, Gemeinschaft, Hingabe und Liebe und weiß, dass das Leben nicht berechenbar ist.

In diesem Spannungsfeld von ganz unterschiedlichen Menschen-, Welt- und Zukunftsbildern und auch Wertesystemen stellen sich eine Reihe von kritischen technischen und sozial-ethischen Aspekten und Herausforderungen bei der Gestaltung und dem Einsatz von KI-basierten Systemen. Hier sollen fünf Bereiche genannt werden.

Nachvollziehbarkeit von lernenden, sich selbst weiterentwickelnden Systemen

Ungesteuerte Evolution von technischen Systemen

Autonome Entscheidungssysteme

Vom Werkzeug zum Partner des Menschen

Wirklichkeit und Wahrheit

Insbesondere sind wir aber herausgefordert, diese Entwicklungen als Teil unseres Schöpfungsauftrags konstruktiv zu begleiten und mitzugestalten. Gott ist auch Spezialist für KI, Software, Datenanalyse, Kommunikationsnetze – eben all die moderne Technologie. Nichts davon ist außerhalb seines Machtbereichs, er ist Herr über die ganze Schöpfung. Deshalb dürfen wir sein Handeln und sein Wirken durch den Heiligen Geist in der Technologieentwicklung und -anwendung erwarten.

Wir dürfen Menschen ermutigen, sich aktiv in die Entwicklung von Technologie, in unserem Zusammenhang der KI, auf der Grundlage des Evangeliums und inspiriert vom Heiligen Geist einzubringen, Grenzen zu setzen und selbst zu leben. Wir sind auch im Feld der Technologieentwicklung aufgerufen, unsere „königlich-priesterliche“ Berufung zu leben. Und so sollen wir für die Menschen und Zusammenhänge in der KI-Entwicklung beten und Gottes Geist erwarten, damit alles der Vollendung des Reiches Gottes dienen kann.


Autor

Claus Lewerentz
Claus Lewerentz, Unterzaunsbach

Vereinigung vom gemeinsamen Leben

  • Vereinigung vom gemeinsamen Leben im Ökumenischen Christusdienst

    Die Vereinigung vom gemeinsamen Leben im Ökumenischen Christusdienst ….

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