[[Ignatius von Loyola]]

Ignatius-Loyola

Am Anfang seiner Bekehrung schien für Ínigo, der sich später Ignatius nannte, alles klar zu sein. Beim Gedanken, nach Jerusalem zu pilgern und fortan ein strenges Büßerleben zu führen, hatte er nachhaltige Zufriedenheit und Freude empfunden. Daraus meinte der Adlige von Loyola einen doppelten Schluss ziehen zu können: zum einen, dass Gott ihn in seinen Dienst gerufen habe, zum andern, dass Gottes Wille genau in dem bestehe, was ihm, Ínigo, durch den Kopf gegangen war, nämlich als Aszet im Heiligen Land zu leben. Nachdem er somit zu wissen glaubte, was er im Dienst Gottes zu tun hatte, wollte der Frischbekehrte sich durch nichts mehr davon abbringen lassen, seinen Plan, ins Heilige Land zu ziehen, in die Tat umzusetzen. Doch es sollte anders kommen, als ursprünglich vorgestellt.

Nicht dass Ínigo völlig falsch gelegen hätte. Im Rückblick sieht er sich darin bestätigt, dass Gott ihn in seinen Dienst gerufen hat. Aber um zu begreifen, worin dieser Dienst besteht, muss der spätere Ordensgründer noch unterscheiden lernen zwischen dem echten Willen Gottes und einem mit religiösen Idealen ummäntelten Eigenwillen – und angesichts seiner Sturheit muss er dies auf „die harte Tour” lernen. Auf seinem Weg gerät der Pilger immer wieder in Situationen, in denen seine Pläne scheitern. Diese Momente seines Lebens versetzen seiner Dick¬köpfig¬keit und seinem überzogenen Vertrauen auf die eigenen Kräfte schwere Schläge. Falsche Gewiss¬heiten zerbrechen. Der Stolz des jungen Basken erleidet tiefe Wunden. Aber gerade diese Krisensituationen erweisen sich als Zeiten, in denen der himmlische Lehrmeister dem irdischen Schüler zu einem besseren Verständnis des göttlichen Willens verhilft.

Als Ínigo zum Beispiel auf seinem Pilgerweg in Manresa Halt macht, hat er eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie das Leben eines Aszeten auszusehen hat. Dazu gehört für ihn unter anderem das penible Beichten aller begangenen Sünden. Aber anstatt im Sakrament inneren Frieden zu finden, wachsen in ihm Skrupel an der Vollständigkeit seiner Beichte, und diese Skrupel lassen ihn immer mehr verzweifeln. Sie treiben ihn bis an den Rand eines Suizids. Ínigo fühlt sich versucht, seine neue Lebens¬form aufzugeben. In diesem Moment „erwacht” der junge Baske: Die schlimmen Folgen seiner Skrupel lassen ihn erkennen, dass diese nicht die Stimme eines gnädigen Gottes sein können. Diese Einsicht lehrt Ínigo, seinen Skrupeln kein Gehör mehr zu schenken, und gerade so wird er offen für eine neue Begegnung mit dem barm¬herzigen Gott. Seine ursprüngliche Idee eines Lebens als Aszet erweist sich als undurchführbar. Diese Idee aufgeben zu müssen, wird zu einem wichtigen Lernschritt im geistlichen Leben.

Als der Pilger in Jerusalem angekommen ist und dort bleiben will, gebieten ihm die dortigen religiösen Autoritäten seine Rückkehr. Aber entsprach es denn nicht dem Willen Gottes, dass er im Heiligen Land leben soll? Immer mehr geht Ínigo auf, dass die Nachfolge Christi nicht darin besteht, sich an den Orten aufzuhalten, an denen der Herr einst gelebt hat, sondern das zu tun, was dieser getan hat, nämlich „den Seelen zu helfen”. Dafür bedarf es theologischer Bildung; und es beginnt sich ein religiöser Vagabund in einen zielstrebigen Studenten zu verwandeln.

Es folgen weitere Augenblicke des Scheiterns, in denen Ínigo umdenken muss. Durch diese Momente lernt er, mit innerer Offenheit immer neu nach dem Willen Gottes zu fragen, anstatt diesen Willen mit eigenen Wünschen und Ideen zu identifizieren. Er kreist nicht länger um sich selbst und sein fixes Idealbild eines Heiligen, sondern öffnet sich für die echten Nöte seiner Mitmenschen und damit auch für den Heilswillen Gottes. In dem Maße, wie für ihn nicht mehr von vornherein alles klar ist, wächst in ihm die Klarheit echter Gotteserkenntnis.

Jan Korditschke SJ
(mit freundlicher Abdruckgenehmigung aus: Jesuiten, Informationen der Deutschen Provinz der Jesuiten an unsere Freunde und Förderer, 65. Jahrgang 2014/4, S. 12f)