Johannes 17

– Vom Hohepriesterlichen Gebet Jesu.

Walter Goll

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Hier geben wir einige Besinnungen wieder, die aus der Betrachtung des Hohepriesterlichen Gebetes Jesu entstanden sind. Sie geben Zeugnis, soweit es überhaupt in Worten aussagbar ist, vom Herzensanliegen Jesu Christi.
Der erste Beitrag faßt zusammen, was bei den Treffen im Sinne des Ökumenischen Christusdienstes an verschiedenen Orten (besonders in Murrhardt und in Neudrossenfeld) in den letzten beiden Jahren gesagt wurde. – Die danach folgenden Besinnungen sind kürzere Einblicke, wie sie sich aus teilweise jahrzehntelangem, auch gemeinschaftlichem Ringen erschlossen haben:
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“Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der Du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ (Joh 17,26)

Vom Hohepriesterlichen Gebet Jesu zu reden, kann nur in größter Ehrfurcht geschehen. Daß es uns überhaupt überliefert ist, das ist allerdings schon ein unfaßbares Wunder der Liebe und Demut Gottes, die uns einen Einblick in innerste göttliche Angelegenheiten gibt. Das Ziel dabei ist am Schluß des Kapitels genannt: „…damit die Liebe, mit der Du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Dieses Ziel, diese Absicht Gottes beschreibt Dimensionen, die unauslotbar sind. Der dreieinige Gott öffnet sich und seine göttliche Gemeinschaft der Liebe zu den Seinen hin, ja will jene ganz mit hineinnehmen in sein Leben der Liebe, des Opfers, der Hingabe und des Dienstes an allen und allem. Wer dies mit menschlichem Denken und Verstand erfassen will, wird Schiffbruch erleiden. Dieses Geheimnis Gottes kann nur denen durch den Heiligen Geist selbst enthüllt werden, die von Gott dazu berufen sind, die „Ohren haben zu hören” und „Augen, zu sehen“, die mit leeren Händen und Herzen vor ihn zu treten sich wagen. Wer davon ergriffen ist, kann schließlich nur staunen und anbeten, so, wie dies z.B. bei Bruder Gotthilf Haug mit folgenden Worten geschehen ist: „0 dieses Leben der Heiligen Dreieinigkeit, dieses Einssein mit Gott und Seinem ganzen Leben, dieses Stehen in der ganzen Kirche und in aller Wahrheit! Wer kann den Reichtum, die Glückseligkeit, den Frieden und die Ruhe dieses einen, einzigen Lebens ausdenken und schildern?“

Um einen Zugang zum Geheimnis und den verborgenen Schätzen dieses Gebetes zu bekommen, sind einige vorbereitende Gedanken und Einsichten hilfreich. So ist zu beachten, in welchem Lebenszusammenhang Jesus das Hohepriesterliche Gebet gesprochen hat. Angesichts seiner kurz bevorstehenden Gefangennahme und der darauffolgenden Demütigungen bis hin zum Opfertod am Kreuz und kurz nachdem seine Jünger sich noch in Rangstreitigkeiten verloren hatten und keiner von ihnen den Sklavendienst der Fußwaschung bei ihrer Zusammenkunft übernommen hatte, weiß Jesus, „daß seine Stunde gekommen ist”. Der entscheidende Moment Gottes in seinem Leben und damit auch in der ganzen Welt und Menschheitsgeschichte ist da, in dem somit auch sein Herzanliegen im Gebet zur Sprache kommt, und dies erstaunlicherweise vor den Ohren der Jünger!

Warum nun hat Jesus gerade an dieser Stelle zum ersten Mal vor den Jüngern so vor Gott gebetet, wie er es sonst nur allein getan hat? Vom Zeugnis der ganzen Schrift her wissen wir, daß Gott durch seinen Sohn, der zugleich das Wort ist, alles geschaffen hat. Jesus ist der Herr der Welt, in ihm hat alles Bestand. Die Erlösung konnte deshalb nur er schaffen, weil zugleich niemand Gott wirklich kennt außer ihm, der aus Gott ist. So ist also nicht nur alles durch das Wort geworden und hat dadurch seinen Bestand, sondern das Wort wurde Fleisch und so hat Gott die Welt mit sich selbst versöhnt durch Jesus Christus. Der allmächtige Gott hat das menschlich völlig Unmögliche möglich gemacht: Gottheit und Menschheit sind eins, „es ist vollbracht!“

Und nun gilt es, ein weiteres Geheimnis seiner Demut und Liebe anzuschauen: Gott will nun nichts mehr ohne uns tun, er hat sich an uns für alle Zeit und Ewigkeit gebunden und möchte das Offenbarwerden seiner Erlösung und die Heimholung aller durch die Jünger und die, „die durch ihr Wort an ihn glauben“ voranbringen und vollenden. Dies wiederum ist nur möglich mit dem Eingehen in die innigste Gemeinschaft des dreieinigen Gottes, zu der er uns ruft, zu der er uns begnadet hat. Vor diesem Hintergrund geschieht es, daß Jesus die Jünger mit hineinnimmt in dieses innige Zwiegespräch mit dem Vater, dabei Rechenschaft ablegt und sie damit mit diesem innergöttlichen Vorgang, mit dem Herzanliegen Gottes vertraut macht. Wer läßt sich auf diesen Ruf ein, der entgegen aller menschlichen und auch frommen Erfolgswünsche dem Weg des Erstlings Christus gleicht und darum allein Gottes Willen sucht, bereit mit Jesus nach Golgatha zu gehen, den Weg dem Lamme nach?

Bei der Betrachtung des Gebets kann man drei inhaltliche Akzente voneinander unterscheiden: Zunächst die bereits erwähnte Rechenschaft Jesu vor dem Vater, dann sein hohepriesterliches Eintreten für die Seinen und die Welt und schließlich den Auftrag der Jünger in der Welt:

Jesus gibt Rechenschaft vor seinem Vater.

Mit einer demütigen Bitte beginnt Jesus: „Verherrliche mich mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte…“ (v5). Demütig ist sie deshalb, weil es ja in dieser Stunde darum geht, daß die Ehre, das Werk, die Liebe des Vaters offenbar werden, bei der es um seine Schöpfung, seine geliebte Welt geht, darum, ob die Menschheit eine Zukunft hat oder im Chaos versinkt! So bittet Jesus um den Beistand des Vaters in diesem letzten Wegabschnitt des Opfers und der Liebe, die am Ende siegen und zur Rettung und Wiederherstellung des Ganzen führen wird. Alles soll letztlich in Liebe in Gott eins werden, und so kommt es darauf an, daß „die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen, damit die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst“ (v23).

Was hat Jesus gewirkt, getan, wovon er Rechenschaft ablegen kann? „Ich habe dich auf Erden verherrlicht, …dein Werk vollendet, …deinen Namen den Menschen offenbart, …ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, …ihnen dein Wort gegeben“. In dieser Aufzählung springt in’s Auge, daß es Jesus ausschließlich in allem um den Vater gegangen ist. Auf ihn, auf sein Werk, seinen Willen war Jesus gerichtet. So sind uns auch verschiedene Begebenheiten seines Erdenlebens bekannt, in denen hinterher die Menschen Gott lobten und priesen und nicht in erster Linie Jesus. Dahinter verbirgt sich eine Lebensweise, ein Sein, das nicht zuerst auf Aktionen und Einsätze aus ist, auch wenn sie mit bester Absicht für Gott gemeint sind. Etwas vom Tiefsten im Leben eines Menschen ist es, in und mit Jesus das Leben zu lassen. Das klingt unangenehm. Wenn es aber auf Gott und seinen Willen ausgerichtet ist und nicht in einer falschen Märtyrerhaltung, vermischt mit eigenem Stolz, dann ist damit auch verbunden, daß alles menschliche Werk in den Tod gegeben wird. Der Weg Jesu in die äußerste Erniedrigung, in das totale Ausgeliefertsein bis hin zur tiefsten Nacht der Gottverlassenheit, ist die Vollendung des Werkes Gottes, das die Welt erlöst und in dem kein menschliches Werk mehr Raum hat. Diese Hingabe Gottes verdeutlicht am treffendsten das Wesen Gottes, seinen Namen. Faßbar und mit dem Verstand zu ergründen ist dies nicht. Je mehr jedoch der Sohn, der als Einziger den Vater kennt, uns durch den Heiligen Geist in die Erkenntnis des Wesens Gottes hineinwachsen läßt, um so mehr wächst auch die Anbetung in uns.

Mit der Herrlichkeit, die der Vater Jesus gegeben hat, sind Jesu Jünger begabt worden. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer Herrlichkeit, die sich sozusagen wie der Startschuß für eine überaus erfolgreiche, vor aller Augen sichtbare siegreiche Strategie und Dynamik der Welteroberung anhört. Die von Jesus genannte Herrlichkeit ist untrennbar mit dem Weg an’s Kreuz verbunden und somit menschlich sehr unattraktiv. Sie ist Ausdruck dessen, daß wir in das Bild Jesu, zu Christuspersönlichkeiten heranwachsen dürfen und sollen. Wenn wir wie Paulus sagen können „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!“, dann strahlt die göttliche Herrlichkeit am deutlichsten auf, dann lebt auch die Gesinnung in uns, die sich wie Christus, wie Gott selbst leidend und tragend unter Gottes Schöpfung und Welt stellt, dann tragen wir mit an der Not Gottes angesichts der Schuld und Verirrung von uns Menschen.
Sich selbst, das Wort Gottes, hat Jesus den Jüngern gegeben. Es zeugt von dem unvorstellbar großen Vertrauen, das Jesus in die noch so fehlerhaften Jünger und Nachfolger setzt, daß er ihnen diese Aufgabe anvertraut, das Wort Gottes weiterzugeben, und er sich zu ihnen bekennt, auch bei aller Fragwürdigkeit und Einseitigkeit ihrer Verkündigung. Und doch hängt die Wirkung der Verkündigung davon ab, wie sehr der Jünger in der Einheit Gottes gegründet ist und ob er will, was Gott will.

Jesus tritt ein für die Seinen und für die Welt.

Sein tiefstes Anliegen macht Jesus den Jüngern mit folgenden Worten bekannt: „Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, das ist mein … Vater, wie du in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein…“ Das will Jesus, daß die Seinen einbezogen sind in dieses innertrinitarische gemeinsame Leben, in diese vollkommene göttliche Vereinigung kann es dafür angemessene menschliche Worte geben, um das Staunen darüber auszudrücken? Doch dies ist der Angelpunkt für die Glaubwürdigkeit von uns Christen. Bruder Gotthilf Haug hat dies mit folgenden Worten unterstrichen: „Wenn wir nicht hinein finden in die alle und alles umfassende Lebens, Liebes, Dienst und Opfergemeinschaft im Herzen Jesu, dann verstehen wir nichts, haben wir nichts und sind wir nichts. Aber mit Gott und den Brüdern und Schwestern, die ich mir nicht aussuche, die Gott gibt, bin ich alles, kann ich alles, habe ich alles.“ Damit steht und fällt unser Zeugnis, an dem sich die Welt entscheiden muß.
Jesus, unser Bruder, steht vor Gott und vertritt uns als Hohepriester, er bittet für die Seinen und für die Welt. Denn in allem geht es ihm letztlich um das Ganze, die ganze Schöpfung, die ganze Menschheit. So kann es für die Jünger auch nicht darum gehen, sich möglichst aus dieser Welt zu verabschieden oder gegen sie zu sein. Das hieße letztlich, gegen Gott zu sein. Aber in ihr sind sie Licht und Salz, lebenserhaltende Elemente. In der Welt sollen sie bewahrt werden vor dem Bösen, vor dem Geist, der Üblicherweise in der Welt herrscht, und zugleich sollen sie Zeugen und Zeugnisse der Wahrheit sein.

Jesus sendet die Jünger in der Welt.

Bei der Frage nach dem Auftrag der Christen sollte nicht zuerst die Frage nach dem Tun, sondern die nach dem Sein gestellt werden. Im Hohepriesterlichen Gebet jedenfalls geht es dem Sinn nach darum, daß die Jünger durch ihr Leben widerspiegeln, was Gottes Treue, Liebe und Wahrheit bedeutet, was es heißt, inmitten einer Welt der Lüge, des Hasses und des Chaos in unerschütterlichem Vertrauen zu leben durch die tiefe Gründung in Gott. So sind wir allerdings auch zum Tun berufen, zum Tun als Diakone in einer Sendung, die der Sendung Jesu entspricht. Seine Sendung war, die Schöpfung in’s Vaterhaus heimzuholen, und dafür war er bereit zu sterben.
Wie bereits angedeutet ist die Glaubwürdigkeit der Sendung Jesu und unserer Sendung aufs Engste mit dem Einssein in Gott verbunden. So bittet Jesus den Vater mit größtem Nachdruck darum, daß dieses Einssein der Seinen, gegründet und verbunden in der innergöttlichen Einheit, vollkommen werde. Dies wirft ein Licht auf die verschiedenerlei Auseinandersetzungen, Streitereien und Zerwürfnisse unter uns Christen, die das Wort Gottes, die Erlösung durch Jesus Christus damit unglaubwürdig, ja unannehmbar machen für die Welt.
Einssein jedoch kann nicht gemacht werden, nicht durch noch so wunderbare Konferenzen oder auch noch so theologisch durchdachte Papiere, so nötig diese wiederum sein mögen. Um zu wissen und zu erfahren, wie Einheit aussieht, wie sie sich gestaltet, ist das Schauen auf Gott unabdingbar. Die bekannte lkone von Rubljew verdeutlicht in einer tiefgehenden Weise das Einssein der Liebe zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist angesichts der bevorstehenden Sendung Jesu in die Welt. Schauen auf den Dreieinen bewahrt uns auch davor, die Einheit machen zu wollen. Es eröffnet uns den Blick auf die Tatsache, daß sie bereits in Gott vollzogen ist, daß sie unumstößliches Faktum in ihm ist! Jesus hat die Welt erlöst, wieder mit Gott zusammengebracht und die Versöhnung bewirkt; die Tür steht offen für alle, die glauben!

So ist das Einssein in ihm Geschenk und Werk des Heiligen Geistes und kann, ja wird Wirklichkeit bei denen, die mit leeren Händen und demütigem Herzen vor Gott treten und alles ausschließlich von ihm erwarten, seien es Einzelne oder auch ganze Gemeinschaften. Es ist die Diakonie des Heiligen Geistes, sein eigentliches Werk, daß wir durch ihn wiedergeboren werden, um Jünger und Diener Jesu, Menschen Gottes zu werden, die in Gott, mit Gott und vor Gott leben, die heranwachsen zum vollkommenen Mannesalter. Wenn der Blick oft ausschließlich auf Charismen, Gaben, Zeichen und Wunder fällt, dann wird er vom eigentlichen Werk des Heiligen Geistes abgelenkt. Das, was niemand sonst schaffen kann, bewirkt nur er, indem er in alle Wahrheit führt, in das Bild Jesu verwandelt und in die innerste und innigste Einheit miteinander in Gott führt. Der Kernsatz bruderschaftlichen Lebens, „ohne Gott und die Brüder und Schwestern kann ich, will ich und tue ich nichts“ in Anlehnung an das bereits erwähnte Zitat von Bruder Haug ist nur leb und erfüllbar mit dem Heiligen Geist. Dies beinhaltet auch und zuerst eine aufrichtige Bußgesinnung, die sich über niemanden mehr erhebt und deshalb auch stellvertretend für die Sünden und die Schuld anderer vor Gott tritt. Auf diese Weise hört das Verurteilen der anderen auf, so breitet sich das Erbarmen Gottes aus und so eröffnet sich auch ein prophetischer Blick für unsere gegenwärtige Lage im Persönlichen und weit darüber hinaus.

Inmitten der verschiedensten heutigen Einheitsbewegungen, angefangen von der äußersten unter dem Stichwort Globalisierung über interreligiöse als auch christliche Allianzbestrebungen seit dem letzten Jahrhundert, die ökumenischen Anstrengungen des Weltkirchenrats bis zu heutigen Einheitskongressen, z.B. zwischen Charismatikern und Pietisten, sucht Gott die Menschen, die an sich diese ganze Herzerneuerung geschehen lassen und im ganzen Vertrauen auf den Ruf Gottes hin die innigste Herzens-, Liebes- und Lebensgemeinschaft mit dem dreieinigen Gott und den Seinen, ja letztlich mit allen Menschen leben. Dann bekommt die Welt heute nochmals eine Chance, dann wird die Liebe Gottes unübersehbar offenbar, dann wird dieses Leben zu einem unwiderleglichen Zeugnis, das andere nur annehmen oder ablehnen können.

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Vater, die Stunde ist da (v1)

Br. Johannes Junger
Durch die Einheit mit dem Vater konnte Jesus auf die Ehre der Menschen verzichten (Joh 5,41). Er suchte nicht seine Ehre, aber er lebte im Bewußtsein, daß Gott ihn ehrt (Joh 8,49ff). Er ließ sich auch nicht von Menschen in seinem Tun bestimmen, ja er konnte sogar die Menge fliehen, wenn sie sich seiner bemächtigen und vor ihren Aktionskarren spannen wollte (z.B. Mk 1,35; Joh 6,15). Als der Sohn Gottes konnte und wollte Jesus nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sah; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn (Joh 5,19). Jesus lebte im Heute Gottes, in der Gegenwart des Vaters. Durch diese Einheit und Beziehung konnte er sagen: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4; 7,30), aber auch: “Vater, die Stunde ist da…“ (Joh 17,1). Auch in den sog. Endzeitreden Jesu klingt dieses Bewußtsein durch: „Ihr wisset weder Tag noch Stunde“ (Mt 25,13 u.a.). Es wird Gottes Stunde sein, Gottes unmittelbarer Eingriff. Wenn Jesus uns beten lehrt: „Dein Wille geschehe“, dann können wir an ihm erkennen,wie er dieses Vertrauen zu Gott bis in den Tod am Kreuz lebte.
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…die du mir aus der Welt gegeben hast (v6)

Luitpold Schatz
In dem Gebet Jesu zum Vater finde ich erstaunliche Aussagen über seine Jünger. Dabei empfinde ich eine völlig andere Art der Kennzeichnung gegenüber der üblichen menschlichen Weise, Menschen zu begutachten. Jesu Feststellungen sind folgende: Sie haben das Wort des Vaters bewahrt (v6). Sie haben erkannt, daß Jesus alles vom Vater empfangen hat (v7). Sie zweifeln nicht daran, daß Jesus vom Vater ausgegangen ist (v8). Sie sind sich über die Sendung Jesu vom Vater sicher (v8 u.25).
Nun muß dazu der Zeitpunkt bedacht werden, wann solches ausgesagt wurde. Die Gethsemanestunde stand noch bevor, wie überhaupt der schwierigste Teil der Leidensgeschichte.
Es stand noch das vielfältige Versagen der Jünger ebenso aus. Das Zeugnis Jesu über seinen Jüngern geschah unter Einbezug deren Versagensgeschichte. Oder hat Jesus die Herzensaugen verschlossen vor deren Erbärmlichkeiten, wie sie sich als feig, reaktiv, hilflos, verräterisch, zweifelnd, fliehend und abwendend verhalten haben? Solches ist wohl nicht anzunehmen.
Dennoch frage ich mich, welche Kriterien Jesus zugrunde gelegt hat.
Alles klingt so eindeutig, so als ob keine letzte Bewährung abverlangt würde. Alles klingt so nachpfingstlich und reduziert: Jesus läßt den ganzen Bereich der Leistung und der Frucht unbeachtet.
Aber irgend etwas muß wohl hinter der erstaunlichen Eindeutigkeit stehen, womit der Herr die Seinen dem Vater präsentiert.
Ob ich recht liege, wenn ich dahinter jenes grundlegende Verhältnis zwischen Jesus und den Seinen vermute? Jenes Glaubensgeheimnis, worunter ich den von Gott den Seinen eingestifteten Zug zu Ihm selbst als dem Vater und dem Sohn im Heiligen Geist verstehe. Dieses fundamentale Verhältnis kann zwar verblassen aufgrund von Menschenschuld, aber es kann nicht auseinander gerissen werden. Es hat sich im Herzen verankert. Anders verhält es sich z.B. mit den Seligkeitshoffnungen; auch mit den Gotteserfahrungen. Sie spielen im Hohepriesterlichen Gebet keine Rolle, weil sie ablenken von dem fundamentalen Glaubensgeheimnis, das einzig und allein Gott selbst im Auge behält.
Ob ich es so recht sehe? Jedenfalls finde ich mich auf solcher Ebene des göttlichen Wortes als einen Angenommenen.
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… heilige sie in der Wahrheit, dein WORT ist die Wahrheit (v17)

Anne Decker
Die Wahrheit meint nicht nur subjektive Wahrhaftigkeit, sondern objektive, göttliche Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist: Gott ist heilig. Und Er hat uns geschaffen und berufen zur Gemeinschaft mit Sich Selbst. In unendlicher Geduld und Liebe wartet der Vater auf Seine Geschöpfe und schenkt Seinen Sohn, damit wir erkennen, was es heißt: heilig zu sein – bereit und bereitet zur Gemeinschaft mit dem Heiligen.Jesus bittet um diese Bereitung der Seinen: “Heilige sie der Wahrheit!” Und Er tut sein Äußerstes, indem er sich selbst, der Er doch der Heilige Gottes ist, für die Seinen heiligt. D.h. Er geht den untersten Weg, den nur irgend ein sündiges Geschöpf zu gehen und zu erleiden hätte, um geläutert und geheiligt zu werden. Er tut es für uns, damit wir nicht mutlos werden.Er ist der Anbeter des Vaters im Geist und in der Wahrheit. Und aus Liebe zum Vater eröffnet Er uns den Weg zur Erfüllung unserer Berufung: Gott anzubeten im Geist und in der Wahrheit.Als Angeld schenkt Jesus uns die Teilnahme an seinem Opfermysterium mit dem Ziel des ewigen Lebens. Das heilige Abendmahl, die Feier der heiligen Eucharistie, ist ein Raum in dem wir schon jetzt ganz in der Wahrheit Gottes atmen. Jedes Wort ist wahr im tiefsten Sinn. Soweit wir uns selber ganz und ohne Vorbehalt in diese Wahrheit hineinnehmen lassen, ist damit dem Vater Lobpreis und Anbetung dargebracht. Diese Anbetung soll unser ganzes Leben und Wesen ausrichten auf die Verherrlichung des Vaters. Das ist Sinn und Ziel. Wie gut ist es, in die Wahrheit der Liebe Gottes eintauchen zu dürfen….Dein Wort ist die Wahrheit. Jesus Christus ist das WORT Gottes, das in seiner heiligen Menschheit uns Zeuge der Wahrheit Gottes geworden ist. Das Wort Gottes ist lebendig, Ehrfurcht gebietend und heilig; schärfer als jedes zweischneidige Schwert scheidet es, was nicht zu Gott gehört. Indem der Sohn sich selber heiligt und allen Versuchungen zum Abfall von der ganzen Hingabe an den Willen Gottes widersteht, eröffnet er uns das Ruhen im Willen des Vaters. Er bleibt ohne Sünde und trägt die Sünde der Sünder. Das ist die heilige Wahrheit Gottes – die klare, reine Liebe.
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… so sollen auch sie in uns sein (v21)

Waltraud Schatz
Es wird viel von der Einheit unter den Christen geredet, geschrieben und um sie gerungen. Diese Einheit ist ja auch wirklich die Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit des Christentums in der Welt sowie der so sehnlichst erwarteten Wiederkunft Christi.
Ein Satz in Joh 17 war mir immer das Schlüsselwort für die Einheit unter den Nachfolgern Jesu jeglicher Zeit und Konfession. Es ist das Wort: Wie du Vater in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein (v21). Das ist doch klar – oder?
Ich weiß nicht recht. Wenn es klar wäre, wieviele Bemühungen, eigene Initiativen und Aufwand an Arbeit könnten wir uns sparen! Hier steht nämlich: So sollen auch sie in uns sein und nicht: in uns eins sein. Die kleine Nuance des Unterschieds müssen wir erspüren. Ich meine, es kommt bei der Einheit unter den Christen, die Jesus erbeten hat, in erster Linie auf dieses In-uns-sein an.
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… ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben… (v22)

Dorothea Vosgerau
Dieses Wort Jesu an seinen Vater kann nicht verstanden werden, wenn man bei Herrlichkeit an Pracht, Schönheit, Glanz, Macht oder Majestät denkt. Solche Herrlichkeit finden wir kaum im Leben Jesu, und ebenso spärlich im Leben seiner Jünger, seiner Heiligen. Selten durchstrahlt sie eine Szene wie in der Verklärung Jesu. Wenn der Himmel nicht offen ist, sehen wir an Jesus keine Herrlichkeit im Sinne von Pracht, Glanz und Macht.
Das Johannesevangelium ist das einzige, das eine „verborgene“ Herrlichkeit kennt, eine Herrlichkeit, die nur für den Hindurchschauenden zu erkennen ist. Hindurchschauen muß er mit Jesus durch Mißhandlung, Verleumdung und Tod und hinter all dem den Vater glauben, der Jesus hat auferstehen und zu seiner Rechten sitzen lassen. Nur so kann man doch Joh 13,31f verstehen: „Als Judas nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm. Ist Gott verherrlicht in ihm, so wird Gott ihn auch verherrlichen in sich und wird ihn bald verherrlichen.“
Hinter der „verborgenen” Herrlichkeit steht Jesu Gewißheit, den Weg des Leidens um Gottes willen gehen zu müssen. Die Herrlichkeit reduziert sich für unser menschliches Auge auf einen absoluten Gehorsam, auf das totale AusgerichtetSein auf den Vater.
Von dieser Herrlichkeit spricht Paulus im Galaterbrief. Auch bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (2,19+20a). Und solche Herrlichkeit leuchtet für den, der im Glauben hindurchschauen kann, aus dem Leben all der Heiligen, die nichts anderes suchten, als in allem allein für Gott und nach seinem Willen und zu seiner Ehre zu leben. Sie wissen, daß ihre Heiligkeit nicht auf irgendwelche Anstrengungen zurückzuführen ist, sondern daß Jesus ihnen die Herrlichkeit gegeben hat, die nur der Glaubende durch die Verborgenheit hindurch erkennt.
Der Hauptmann, der den Tod Jesu am Kreuz beobachtet hat, bezeugt sie mit den Worten: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“
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