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Drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – also vor 60 Jahren – haben Br. Eugen Belz, Otto Siegfried von Bibra, Klaus Hess und Paul Riedinger eine kleine Schrift und einen Aufruf herausgegeben. Beide trugen den Titel: Oekumenischer Christusdienst.

Im Vorwort schrieb Klaus Hess:

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„Es ist uns immer klarer und beschämender unter dem Ruf Gottes bewusst geworden, dass seine heilige Liebe – in Christus Jesus Mensch und Opfer geworden – zugleich die eine unteilbare Wahrheit ist. Ohne Umkehr und Rückkehr zu der heiligen Liebe Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und damit zueinander ist keine Heilung unserer Schäden möglich, welcher Kirche, welchem Volke, welchem Stand und Beruf wir auch angehören.“

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Die Verfasser verstanden sich als Stimme eines geistlichen Aufbruchs, den Gott durch Nöte und Gerichte der zurückliegenden Kriegsjahre unter überlebenden Christen geschenkt hatte.

Ein Jahr später hatten dann Männer und Frauen aus verschiedenen Kirchengemeinschaften, geistlichen Aufbrüchen und Bruderschaften den Mut, ein neues Verteilblatt herauszugeben, das bis heute so genannte Blatt „Ökumenischer Christusdienst – Quatemberbote“. Er wurde an Freunde versandt in der Hoffnung, dass seine Botschaft die Einheit des Leibes Christi fördern helfe, damit die von Christus erbetene Einheit unter seinen Jüngern (Johannes 17) und das Ringen der Apostel um die Einheit in ihren Briefen an die neutestamentlichen Gemeinden möglichst viele Gläubige erreiche und durchdringe.

Dabei bewegte die ersten Herausgeber des Blattes, dass sie sich in der Tradition der Christen aller Zeiten wussten, denen es um das Evangelium von Jesus Christus und das Reich Gottes geht. Mit ihnen teilten sie die Überzeugung, dass allein durch das Opfer Jesu der Mensch und die menschliche Gemeinschaft von aller Zerrissenheit und Spaltung geheilt und dadurch alle Sehnsucht der Menschen gestillt werden kann. Denn Gott „hat die Ewigkeit in die Herzen der Menschen gelegt“ (Prediger 3,11). Darum konnte Augustin sagen, dass das Herz des Menschen unruhig ist und bleibt, bis es Ruhe findet in Gott. Jesus Christus, wie er uns in der Bibel bezeugt und von der Christenheit aller Zeiten erkannt und geglaubt wird, hat uns Gott erkennen lassen. Er kam von Gott, ruhte an seinem Herzen (Johannes 1,18) und konnte Gottes Willen und Absichten seinen Jüngern aufschließen. Was schon bei den Propheten und in der Geschichte Israels offenbart wurde, fand seine Erfüllung und Zuspitzung in Jesu Leben und Wirken. Das war die tief verwurzelte Glaubensüberzeugung der Herausgeber. Deshalb nannten sie den Dienst, den das Blatt tun wollte, Christusdienst.

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Ökumenisch verstanden sie rein bibelbezogen in der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes die ganze bewohnte Welt. Sie folgerten daraus: Die Botschaft des Christusdienstes geht alle an, weil Gott der Vater aller Menschen ist, der Schöpfer und Herr allen Lebens – darum also „ökumenischer Christusdienst“.

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Dieser alle und alles umfassende Dienst ist „Besinnung auf den priesterlichen Liebesauftrag des Herrn und Hauptes, Christus, für seinen Leib. Nur aus dieser Quelle geschieht die Erneuerung… im apostolischen Sinn von Epheser 4: „… dass die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes (Diakonie). Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden.’“

So hatten die Gründerpersönlichkeiten in ihrem Aufruf von 1948 geschrieben. Weiter heißt es darin: Dabei ist der Ökumenische Christusdienst „weder eine neue Kirche noch eine neue Gemeinschaft, sondern Dienst zur Erneuerung der Gesinnung Jesu Christi inmitten der ganzen Christenheit nach dem neuen Gebot des Meisters (Joh 13, 34-35). Deshalb ist er ein Dienst aus der Einheit mit Christus und allen Christen an der Einheit aller Christen in Christus innerhalb der verschiedenen Kirchen und Glaubensgemeinschaften der Christenheit. Christus ist nur einer, und seine Kirche ist nur eine, denn sie ist sein Leib.“

Dieser Christusdienst ist ökumenisch, d.h. umfassend, denn er umfasst alles Leben, das von Christus, durch Christus und zu Christus hin geschieht. Er ist umfassend – nicht nur im geistlichen (spirituellen), sondern auch im geschichtlichen und praktischen Sinn. Er umfasst notwendigerweise das Christusleben, wie es in der Urchristenheit und Orthodoxie, in der katholischen Kirche, in den evangelischen Gemeinden und in Bruderschaften gelebt wird, wenn auch oft noch so entstellt durch menschliche Unzulänglichkeiten, Not, Schuld und Sünde…

Der Oekumenische Christusdienst ist nicht ein Dienst außerhalb der Kirchen und Gemeinden, denen wir angehören, sondern in ihnen und gerade darum im Ganzen… Er will nicht eine Einheitskirche schaffen, sondern er glaubt die eine Kirche, lebt sie und dient ihr. Denn wo Christus ist, da ist auch die Einheit, und wo die Liebe Christi ist, da dient sie auch der Einheit, denn sie ist das Band der Vollkommenheit. Darum ist dieser Dienst eine Notwendigkeit. Zu ihm sind wir alle ohne Ausnahme verpflichtet durch

Diesem umfassenden Dienst und Auftrag darf sich eigentlich niemand entziehen, dem es um das ganze Evangelium geht. Allerdings erfordert dieser Dienst, dass die Gläubigen heranwachsen zum „vollendeten Menschsein, zum vollen Maß der Fülle Christi“ (Epheser 4,13) – oder mit Paulus’ Worten – dass der Zeuge von sich sagen kann: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Galater 2,20).

Die erste Generation der Herausgeber war davon überzeugt, dass keine einzelne Person, ja nicht einmal irgend eine Kirche oder Gemeinschaft allein dieses umfassende Zeugnis ablegen kann. Die Geschichte der Christenheit lehrt, dass ihre Uneinigkeit das größte Hindernis für das Zeugnis des umfassenden Heiles in Jesus Christus war und bis heute ist. Wie soll der Ungläubige an die umfassende Liebe Gottes glauben können, wenn diejenigen, die sich nach seinem Namen nennen, nicht wie Jesus Christus sich untereinander bis ans Ende lieben (Johannes 13,1)?

Nach den entsetzlichen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges hatte Gott den Herausgebern der ersten Stunde auf’s Herz gelegt, eine tägliche aufrichtige Buße zu vollziehen über der gewaltigen Verschuldung der gesamten Christenheit. Sie zeigt sich darin, dass jeder vor allem sein eigenes, ihm anvertrautes Gut sieht und sogar verabsolutiert. Dadurch werden die Gaben von anderen wenig gesehen und geschätzt. Deswegen geht es nicht zuerst um persönliche Schuld, die persönliche Buße und Bekehrung erfordert. Es geht vielmehr um den ganzen Leib Christi, der durch die Lieblosigkeit der Christen untereinander im Lauf der Zeiten so verwundet ist.

Schon bei den Propheten Jeremia, Hesekiel, Daniel u.a. war den Herausgebern eine Buße begegnet, die eine umfassende oder auch stellvertretende Buße genannt wurde, weil sie eine Buße für die Verschuldung und den Ungehorsam des gesamten Gottesvolkes Israel zum Inhalt hatte. Eine solche umfassende Buße wurde auch von ihnen nicht vollzogen, weil man stellvertretend für Uneinsichtige und Unbußfertige eintreten wollte, sondern weil man sich als Glied des Volkes Gottes, ja als Glied der einen Menschheit des himmlischen Vaters verstand und damit in der gleichen Schuldkette stand, wie die ganze Menschheit.

Dass bis heute die Christenheit über der Uneinigkeit und ihrer oft so kraftlosen Botschaft nicht zur Ruhe kommt – zumindest im sogenannten Abendland – ist ein gutes Zeichen und lässt hoffen. Die Geschichte lehrt uns, dass auch die Christenheit in Asien und Afrika eines Tages vor den gleichen Fragen stehen wird. Einsichtige Gläubige und Älteste in geistlichen Gemeinschaften erkennen inzwischen, dass die Situation in Europa und dem Abendland uns herausfordert, neu diesen umfassenden „Ökumenischen Christusdienst“ zu erkennen und ihm Folge zu leisten.

Wie aber können erste Schritte auf dem Wege aussehen?

An erster Stelle steht die entschiedene Hinwendung zur Liebe Gottes, dem einen Vater aller Menschen und zu dem Heiland Jesus Christus. Und jeder muss neu zu Gottes Botschaft und seinem Werk zurückkehren und auf die Stimme des Heiligen Geistes hören und ihm folgen lernen. Dann aber ist hinzuhören auf die ganze Botschaft des Neuen Testaments: Wir sind alle Glieder am einen Leib Christi, Steine am Hause Gottes, Schafe seiner Herde, Reben am Weinstock, u.s.w.. Hier können wir alle Bilder für das Volk Gottes im Neuen Testament einsetzen. Wer von der Gottesliebe erfasst ist, wird die Brüder und Schwestern lieben und nur so glaubwürdig die Botschaft und den Dienst ausführen. Wir müssen auf alle Fälle und auf jede Weise aufeinander zugehen und wieder lernen zu hören, was Gott will, nämlich Friede, Hilfe, Ehre, Güte, Treue, Gerechtigkeit … (Psalm 85,9ff).

Menschen, denen die Einheit aller Christen ein Herzensanliegen ist, war zu allen Zeiten klar, dass das Bezeugen dieser Botschaft mit dem gemeinsamen Beten und Flehen beginnen müsste.

Bruder Johannes Junger